Studienphase LGANLehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National 2021

"Mini" statt "Multi" im Indo-Pazifik

"Mini" statt "Multi" im Indo-Pazifik

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
4 MIN

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

Was soll die Bundeswehr im Indo-Pazifik können und welche Fähigkeiten braucht sie dafür? Diese Frage untersucht der Lehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National (LGANLehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National) 2021 im Auftrag des Generalinspekteurs. Die Koordinierungsgruppe setzt auf Mini-, statt auf Multilateralismus.

Im Indo-Pazifik ist ein Eurofighter der deutschen Luftwaffe und weitere verbündete Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe zu sehen

Auch die deutsche Luftwaffe beteiligte sich im Sommer 2022 an der Großübung „Kakadu“ der australischen Marine

Bundeswehr

Der Besuch in Berlin war eine Art Generalprobe zur Halbzeit des Lehrgangs. Seit knapp einem Jahr arbeitet der Lehrgang für Generalstabs-/Admiralstabsdienst National (LGANLehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National) 2021 mittlerweile am Thema seiner Studienphase „Great Power Competition im Indo-Pazifik – Möglichkeiten und Grenzen für Aufgaben und Beiträge deutscher Streitkräfte“. Im Juni 2023 werden die Lehrgangsteilnehmenden die finalen Ergebnisse der gesamten Führungsriege der Bundeswehr präsentieren.

Ihr Auftraggeber, General Eberhard Zorn, interessiert sich schon vorher für die Arbeiten. Um sicherzugehen, dass der Lehrgang nicht „in eine falsche Richtung marschiert“ und eventuell Vorschläge entwickelt, die in Berlin längst verworfen worden sind, tauscht er sich regelmäßig mit ihm aus. Mindestens zweimal lässt sich der Generalinspekteur vom jeweiligen Lehrgang briefen, auch um seinen Auftrag nachzuschärfen.

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, guckt in die Kamera und hält sich am Geländer fest
General Eberhard Zorn, Generalinspekteur der Bundeswehr Bundeswehr/Sebastian Wilke
„Ich habe Ihnen bewusst die Freiheit gelassen, frei und in alle Richtungen zu denken.“

General Zorn sagte zu den Lehrgangsteilnehmenden: „Trotzdem ist es wichtig, dass Sie wissen, wie hier im Ministerium mit dem Thema umgegangen wird und welche aktuellen Entwicklungen es gibt.“ So hat er dieses Mal etwa darum gebeten, auch Pakistan in das betrachtete Gebiet miteinzubeziehen. „Gerade mit Blick auf den Nachbarn Indien spielt das Land eine große Rolle“, so Zorn.

Fokus auf alle Dimensionen

Der Generalinspekteur hat dem LGANLehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National 2021 den Auftrag erteilt, die regionalen und auch globalen Akteure in der Region zu analysieren, die daraus resultierenden sicherheitspolitischen Abhängigkeiten zu betrachten und schließlich Ableitungen für die deutschen Streitkräfte zu treffen: Welche operativen Fähigkeiten benötigt die Bundeswehr in den Dimensionen Land, Luft, See, Cyber- und Weltraum, um sich dort angemessen engagieren zu können?

All das steht unter der Prämisse, dass wir im Indo-Pazifik nicht als ,first responder‘ auftreten werden – also als diejenigen, die in einer möglichen Krise zuerst und am umfangreichsten reagieren“, sagte der Sprecher der Koordinierungsgruppe, Major Jerome H. Schwerpunkt der deutschen Sicherheitspolitik werde absehbar auf der kollektiven Verteidigung in Europa liegen, und ein mögliches Engagement in der Region dürfe die europäische Verteidigung nicht schwächen. Das gelte umso mehr vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine.

Gut ein halbes Jahr nach Lehrgangsbeginn – am 24. Februar 2022 – hat sich mit dem erneuten russischen Angriff die sicherheitspolitische Lage grundlegend verändert. Auch deswegen wollte sich die Koordinierungsgruppe eine aktualisierte „Guidance“ von ihrem Auftraggeber holen. „Mit Ihren Untersuchungen führen Sie uns heraus aus alten Gewissheiten und machen neue Zusammenhänge deutlich“, sagte General Zorn.

Der Generalinspekteur sitzt am Besprechungstisch mit Teilnehmern des LGAN 2021 und deren Lehrgangsleiter Oberst Dirk S.

General Zorn diskutiert mit Lehrgangsleiter Oberst Dirk S. (2. v. li.) und Teilnehmern des LGANLehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National 2021 über erste Ergebnisse der Studienphase

Bundeswehr/Simone Meyer

Pragmatismus Gebot der Stunde

Zum Beispiel hat der Lehrgang darüber diskutiert, ob ein hergebrachtes Prinzip deutscher Außen- und Sicherheitspolitik, nämlich das des Multilateralismus, in Stein gemeißelt bleiben sollte. „Im Indo-Pazifik sollten wir uns eher nach dem Prinzip des Minilateralismus engagieren“, erläuterte Major Henning H. Die Einigkeit der Partner im Indo-Pazifik erscheine „in weiter Ferne.“ Deswegen müsse man über neue Formate der Kooperation nachdenken. Und auch bei der Partnerwahl gelte: „Pragmatismus ist das Gebot der Stunde.“

Mit Blick auf China geht der LGANLehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National 2021 außerdem in Kontrast zu den Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung. Ein Zwei-Lager-Denken greife bei diesem Akteur zu kurz, erläuterte Major Nicolai K.  Deswegen reduziere der LGANLehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National den strategischen Wettbewerb in der Region nicht auf die Rivalität zwischen China und den USA, sondern beziehe auch andere wesentliche Akteure mit ein.

Schon kurz nach Lehrgangsbeginn hatte der LGANLehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National 2021 mit den wesentlichen Arbeiten an der Studienphase begonnen. Zunächst analysierten die angehenden Generalstabsoffiziere strategische Grundlagendokumente, auch von NATONorth Atlantic Treaty Organization und EUEuropäische Union, sowie Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Anrainerstaaten.

Die Fregatte „Bayern“ der deutschen Marine ist im Indo-Pazifik unterwegs

Erstes sichtbares Engagement der Bundeswehr im Indo-Pazifik demonstrierte die Fregatte „Bayern“ während ihrer Ausbildungsfahrt im Jahr 2021

Bundeswehr/Ines Patzwald

Perspektive bis 2026

Parallel entwickelten sie mit Unterstützung der Ostbayrischen Technischen Hochschule Regensburg und des Planungsamts der Bundeswehr mehrere Regionalszenarien: Wie sieht der Indo-Pazifik 2040 aus? Diese Zeitspanne war dem Generalinspekteur allerdings zu weit. „Bei aller Liebe für langfristige Planung: Wir müssen uns auch auf kurzfristig eintretende Szenarien einstellen“, sagte er und bat die Koordinierungsgruppe, auch eine Perspektive bis 2026 zu entwickeln.

Einen ersten Grundsatz für ein mögliches deutsches Engagement im Indo-Pazifik steckte Korvettenkapitän Martin M. ab: „Ein Strohfeuer würde unsere Glaubwürdigkeit untergraben“, sagte er. Zudem dürfe Deutschland „nicht bloß als Anhängsel„ unserer Partner wahrgenommen werden.

Mögliche Initiativen müssten als eigener Beitrag erkennbar bleiben. In puncto Sichtbarkeit und Glaubwürdigkeit sei die Luftwaffen-Übung „Rapid Pacific“ schon ein gutes Beispiel gewesen, bestätigte der Generalinspekteur. Auch nach der Ausbildungsfahrt der Fregatte „Bayern“ habe er etwa von seinem japanischen Amtskollegen positive Resonanz bekommen. „Unser nationaler Auftritt war dort hochgeschätzt“, berichtete Zorn.

Recherchen sogar in Südkorea

Um in die Studienphase auch Stimmen von vor Ort und damit Erwartungen von Partnern mit einbeziehen zu können, haben Lehrgangsteilnehmende auch mehrere Reisen in die Region unternommen. Sie recherchierten beispielsweise in Australien, Südkorea, Indonesien und Indien, das nach der Prognose des Lehrgangs künftig eine größere Rolle in der Region spielen wird. Vor Ort sprachen sie mit Militärattachés, Wissenschaftlern, Vertretern von Thinktanks und anderen Einheimischen, um authentische Einblicke und Einschätzungen für ihre Arbeit zu gewinnen.   

In den kommenden Wochen werden die Lehrgangsteilnehmenden ihre bisher erarbeiteten Vorschläge daraufhin prüfen, ob diese wirksam und umsetzbar sind – auch mit Hilfe von Experten. Der Generalinspekteur will sich im Frühjahr erneut zur Studienphase briefen lassen. Das bisher Gehörte habe ihn „wirklich neugierig“ gemacht, sagte er. „Und seien Sie versichert: Ihr Ergebnis wird langfristig einen Nutzen stiften.“

von Simone Meyer  E-Mail schreiben

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

Weitere Themen