Führungsseminar

„Führen heute“: Von Schubladendenken bis Generation Z

Zwei Hörsäle des Basislehrgangs Stabsoffizier tauschen sich bei einem „BarCamp“ zum Thema Führen in der Zeitenwende aus.

Soldaten stehen in einem Raum und hören einem anderen Teilnehmer zu. Am Fenster hängt ein Flipchart

Dieses Thema ist komplex, subjektiv und kann stundenlang diskutiert werden: Es geht um das „Führen in der Zeitenwende“. Zwei Hörsäle des Basislehrgangs Stabsoffizier (BLSBasislehrgangs Stabsoffizier) der Führungsakademie der Bundeswehr tauschen sich bei einem „BarCamp“ darüber aus. Das Besondere: Bei diesem Seminar werden keine Inhalte vorgegeben. Die Teilnehmenden entscheiden, was sie besprechen und wie.

Ein Plakat hängt an der Tür, im Raum diskutieren Soldaten über Führungsthemen

Jeder Teilnehmende des „BarCamps“ hat am Anfang sein Thema gepitcht

Bundeswehr/Ralf Nöhmer

Wenn der zwölfwöchige Lehrgang BLSBasislehrgangs Stabsoffizier beginnt, steht das Führungsseminar auf dem Lehrplan. Jeder Tutor kann frei entscheiden, wie er dieses Thema behandeln möchte. „Wir haben im Internet nach neuen Ideen recherchiert und sind auf das ‚BarCamp‘ aufmerksam geworden. Das ist das Prinzip einer ‚Unkonferenz‘, also eine Konferenz, die unter einem Thema steht, jedoch werden die Inhalte komplett den Teilnehmenden überlassen“, sagt Oberstleutnant Wolfgang J. Er ist einer der Tutoren im BLSBasislehrgangs Stabsoffizier.

36 Themen in vier Tagen

Vier Tage lang wird über jegliche Führungsthemen gesprochen. Jeder der 36 Teilnehmenden pitcht sein Thema und weckt so das Interesse seiner Diskussionspartner. „Über Mentimeter - einem Computerprogramm, das Echtzeit-Feedback einfängt - stimmen die Lehrgangsteilnehmenden ab, welche der 36 Themen sie am meisten interessieren. Diese werden dann als erste sechs Themen gesetzt. Derjenige, der das Thema anbietet, moderiert es dann für eine Stunde. Danach sind die nächsten sechs Themen an der Reihe. Im Hörsaal werden diese anschließend nochmal besprochen und vertieft – das ist der gemeinsame Abholpunkt“, ergänzt Oberstleutnant Oliver Z., ebenfalls Tutor im BLSBasislehrgangs Stabsoffizier.

Bei der Wahl der Methode sind die Teilnehmenden frei – einige erörtern beispielsweise eine Frage, andere diskutieren, wieder andere halten zehn Minuten einen Impulsvortrag und lassen dann die Diskussionspartner etwas ausarbeiten. Am Ende erstellt jede Gruppe ein Flipchart und fasst die wichtigsten Punkte zusammen.

Vielfalt von Führungsthemen

Doch welche Themen besprechen die Soldatinnen und Soldaten? Sie diskutieren unter anderem über: „Führen eines Cyberteams“, „Flexible Arbeitszeiten versus Mindset Landes- und Bündnisverteidigung“, „Homeoffice: Fluch oder Segen?“, „Generation Z versus Bundeswehr: Wer muss sich anpassen?“, „Führungsmittel Messenger“ und darüber, ob die Zeitenwende überhaupt bei jedem militärischen Führer angekommen ist. Es geht aber auch darum, im Allgemeinen zu klären, was von einem militärischen Führer erwartet wird und das Thema „Führen in Veränderungsprozessen“ in den Blickpunkt zu rücken.

Das „BarCamp“ ist ein Versuch, sich einem Thema anders zu nähern. „Wir wussten nicht, ob sich die Teilnehmenden darauf einlassen und ob überhaupt Themen kommen. Und wenn, ob diese interessant sind oder nur oberflächlich besprochen werden. Es war schon echt Glatteis, auf das wir uns begeben haben“, sagt Oberstleutnant Z. und Oberstleutnant J. ergänzt: „Wir haben uns aber gesagt: Das sind alles Führungskräfte. Wir setzen nur den Rahmen. Alles andere kommt von allein. Das ist Erwachsenenbildung, das ist Kompetenzorientierung und das ist das, was wir als Lernberater tun sollten, wo auch immer es möglich ist.“

Das sagen Lehrgangsteilnehmende

Ganz nebenbei werden auch die Teamfähigkeit und das Arbeiten in einer Gruppe geschult. Und das kommt an:

  • Hauptmann Kai K. blickt in die Kamera, hinter ihm ist ein Plakat des „BarCamps“ zu sehen

    Hauptmann Kai K.

    „Ich finde das ‚BarCamp‘ super. Das ist gelebte Auftragstaktik. Da kommt ganz viel Vertrauen von den zwei Tutoren rein. Sie haben gesagt: Das ist unsere Vision, gestaltet diese bitte aus. Das sind die Grenzen. Bitte macht. Auftragstaktik par excellence. Finde ich super. Es gibt ganz viele Nebeneffekte dabei: Wir lernen uns kennen, Teambuilding, Kohäsion und wir schaffen natürlich Inhalte.“

  • Hauptmann Rico S. blickt in die Kamera, hinter ihm ist ein Plakat des „BarCamps“ zu sehen

    Hauptmann Rico S.

    „Es ist mal eine andere Arbeitsmethode, etwas Modernes. Der Sessiongeber ist nicht zwangsläufig der, der das Wissen vermittelt, sondern der, der auch etwas mitnimmt. Mich hat besonders das Thema ‚Unbewusste Denkmuster‘ interessiert. Ein Vorgesetzter muss Untergebene objektiv und fair beurteilen. Und wenn er diese in eine Schublade steckt, dann neigt er dazu, unfair zu werden. Dann wird er dem Individuum nicht mehr gerecht. Schon anhand der Uniform werden Menschen in Schubladen gesteckt. Die Kunst ist es, das Individuum kennenzulernen und die Schublade wieder aufzumachen und dann neu zu bewerten.“

  • Oberfeldveterinär Dr. Britta W. blickt in die Kamera, hinter ihr ist ein Plakat des „BarCamps“

    Oberfeldveterinär Dr. Britta W.

    „Das Format ,BarCamp‘ finde ich klasse. Wir suchen uns selber Themen, die uns interessieren. Mein Thema ist ,Authentic Leadership‘ im Kontext der Inneren Führung und im Kontext der Zeitenwende. Ich bin gespannt, was von den Kameraden in der Diskussion dazu angesprochen wird, wie wir Personal im Kontext der Zeitenwende gewinnen und halten können.“

  • Hauptmann Michael Z. blickt in die Kamera, hinter ihm ist ein Plakat des „BarCamps“ zu sehen

    Hauptmann Michael Z.

    „Es ist ein super Format. Es ist ziemlich innovativ. Ich habe das innerhalb der Bundeswehr so noch nicht erlebt. Wir hatten gerade das Thema ‚Künstliche Intelligenz (KIkünstliche Intelligenz) in der Führung‘ und da hat sich ziemlich schnell herausgestellt, dass wir auf die ethischen und moralischen Fragen eingegangen sind. Das war spannend. Uns hat die Frage beschäftigt, ob wir im Gefecht, also in einer Stresssituation, die Entscheidung der KIkünstliche Intelligenz einfach übernehmen würden.“

Im Interview: Tutor Oberstleutnant Wolfgang J.

Oberstleutnant Wolfgang J. blickt in die Kamera, hinter ihm ist ein Plakat des „BarCamps“ zu sehen

Oberstleutnant Wolfgang J. hatte zusammen mit Oberstleutnant Oliver Z. die Idee zum „BarCamp“

Bundeswehr/Ralf Nöhmer

Was wollen Sie mit dem „BarCamp“ erreichen?

Ziel dieses Seminars ist es, die Lehrgangsteilnehmenden zur Selbstreflexion eigenen Führungshandelns zu sensibilisieren. Früher wurden hierfür ausgewählte Führungsthemen aus dem Bereichen Innere Führung, Motivation, Umgang mit Konflikten etc. angeboten. Die Lehrgangsteilnehmenden konnten diese eigenständig in Arbeitsgruppen bearbeiten und eigene Sichtweisen vorstellen. Mit dem ‚BarCamp‘ gehen wir noch einen Schritt weiter: Die Lehrgangsteilnehmenden entscheiden selber über die Führungsthemen, die sie interessieren. Sie bieten hierzu Gesprächsrunden an und erarbeiten mit anderen Ideen und Lösungen. So werden sie selber eigenverantwortliche Gestalter ihres Führungsseminars.

Das große Thema lautet „Führen in der Zeitenwende“. Warum ist ein Austausch zu diesem Thema in der jetzigen Zeit besonders wichtig?

Wir sind überzeugt, dass die Herausforderungen der Zeitenwende und die damit verbundenen Anpassungserfordernisse für das Mindset jedes Einzelnen den Teilnehmenden noch gar nicht voll bewusst sind. Ganz sicher müssen sich in einer Phase des Umbruchs Führungskräfte zu allererst mit diesen Veränderungen beschäftigen. Ganz sicher müssen sie auch ihr Führungsverhalten anpassen, um Geführten Sicherheit und Orientierung zu geben. Welche neuen Impulse hierfür notwendig sind, wissen unsere Lehrgangsteilnehmenden ganz genau. Schließlich sind sie es, die tagtäglich mit der Führung junger Menschen betraut sind.

Das Innovationslabor iLab bietet neue Möglichkeiten an der Führungsakademie der Bundeswehr, Ausbildungsinhalte zu vermitteln. Was erhoffen Sie sich als Tutor von der Nutzung der Räumlichkeiten?

Das Innovationslabor gibt mit einer Vielzahl von räumlichen und methodischen Möglichkeiten einen sehr motivierenden Rahmen. Selbst mit 36 Lehrgangsteilnehmenden ist reichlich Raum für viele kleine Gesprächsrunden und Pausengespräche. Die Umgebung ist modern, fördert die Kreativität und entspricht laut Lehrgangsteilnehmenden den Erwartungen an eine innovative Führungsakademie. In einer innovativen Umgebung entstehen auch innovative Ideen und die brauchen wir für eine gelingende Zeitenwende.

von Sophie Düsing  E-Mail schreiben

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