„Hinter jedem Kreuz steckt eine Geschichte“
„Hinter jedem Kreuz steckt eine Geschichte“
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- Hamburg
Dieses Erlebnis war für ihn einschneidend, sagt Hauptfeldwebel Daniel William von der Führungsakademie der Bundeswehr. Als er zum ersten Mal auf den holländischen Soldatenfriedhof in Ysselsteyn kam, spürte er schnell, was das für ein besonderer und trauriger Ort zugleich war. Mehr als 32.000 deutsche, polnische, niederländische und russische Soldaten liegen dort laut dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge begraben. Sie sind im Ersten und Zweiten Weltkrieg gefallen. Der kommende Sonntag, 17. November, erinnert an die Kriegstoten und Opfer der Gewaltbereitschaft und Gewaltherrschaft aller Nationen. Hauptfeldwebel William gedenkt nicht nur der Opfer, sondern er hilft auch einmal im Jahr für zwei Wochen Grabstätten zu pflegen.
Ein Einsatz, der berührt
Mit der Klingeldose in der Hand versuchte Daniel William bereits als junger Soldat, Spenden für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge zu sammeln. „Das empfand ich nicht immer als angenehm“, sagt er. Er stieß oftmals auf Unverständnis und Widerstand in der Bevölkerung. Manche Menschen haben sich hinter ihren Türen versteckt. Sie taten so, als ob sie nicht zu Hause sind, nur um sich einem Gespräch zu entziehen, erzählt William. Als er im Jahr 2015 gefragt wurde, ob er bei einem Arbeitseinsatz in Holland helfen möchte, war er zuerst skeptisch. Doch dann stellte er sich ein Arbeitskommando aus zehn freiwilligen Soldaten zusammen. Dieser Einsatz berührte ihn sehr und motivierte ihn schlussendlich dazu, sich jedes Jahr aufs Neue zu engagieren.
„Das habe ich so noch nie gehabt“
„Wenn man das erste Mal auf diesen Friedhof kommt, dann sieht man erstmal nur die Hälfte der Gräber in Form von Kreuzen aufgestellt. In der Mitte steht ein großes Kreuz. Wenn man sich von dort umblickt und diese 30.000 Kreuze sieht, dann nimmt einen das sehr mit. Das habe ich so noch nie gehabt. Und wenn man sich dann vorstellt, dass das alles Menschen waren und hinter jedem Kreuz eine Geschichte steckt, dann geht einem das sehr nah“, sagt der Kompaniefeldwebel des Stabsquartiers an der Führungsakademie der Bundeswehr. Bei jedem Arbeitskommando bekommen die Helfer eine Führung über den Friedhof. Sie erfahren mehr über die Personen, die dort begraben sind. „Dort sind nicht nur ‚gute‘ Menschen oder Opfer beerdigt, sondern auch teilweise Menschen, die Kriegstreiber oder sonstiges waren. Aber letztendlich ist es unbeschreiblich über den Friedhof geführt zu werden und die Geschichten von den unterschiedlichsten Menschen zu hören“, so der Hauptfeldwebel weiter.
Erinnerungen an den ersten Arbeitseinsatz
Nach den Führungen geht es für die Freiwilligen an die Arbeit: Schließlich helfen die Soldaten dabei, die Grabstätten zu pflegen. Sie mähen Rasen, putzen die Kreuze, verschneiden Bäume, entfernen Laub und vieles mehr – eben alles, was anfällt. An seinen ersten Arbeitseinsatz erinnert sich William noch ganz genau: Mit der Zeit sei Routine beim Arbeiten eingekehrt, der Ort als solches kurzzeitig gar nicht mehr als Friedhof wahrgenommen worden. Das änderte sich, als das Arbeitskommando auf ein Kreuz mit einem Foto stieß. „Ab da an hatte das Ganze sprichwörtlich ein Gesicht bekommen. Es war nicht mehr nur ein Kreuz, was dort steht. Das ging mir durch Mark und Bein“, so Hauptfeldwebel William, der bereits seinen nächsten Arbeitseinsatz vor Augen hat. Im Oktober 2020 plant er erneut mit zehn Soldaten nach Holland zu fahren.
Denn es gibt eine Sache, die William motiviert sich immer weiter zu engagieren – „Das, was damals passiert ist, darf nie wieder passieren.“ Und wie könne das jemanden besser vor Augen geführt werden, als auf einem Friedhof, sagt er. Für ihn ist es eine Herzensangelegenheit: „Friedhöfe sind die größten Mahnmale, die wir haben. Die müssen wir erhalten. Es muss eine Anlaufstelle für Folgegenerationen und für Angehörige sein.“