Personnel Recovery – damit andere leben können
Personnel Recovery – damit andere leben können
- Datum:
- Ort:
- Spanien
- Lesedauer:
- 3 MIN
Ein Hubschrauber ist über feindlich besetztem Gebiet abgeschossen worden. Die Besatzung hat überlebt, schwebt aber in großer Gefahr. Auf der Air Base sind angespannte Gesichter zu sehen. Bei der Planung und Ausführung der Rettungsmission zählt jede Minute – ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.
So richtig ruhig ist es nie auf der Los Llanos Air Base nahe des spanischen Albacete. Das Tactical Leadership Programme, ein multinationales militärisches Trainingscenter, ist hier angesiedelt. Jets starten, während die Temperatur im Sommer gern an der 40-Grad-Marke kratzt. Einmal im Jahr ist die Air Base mit dem Air Centric Personnel Recovery Operatives‘ Course (APROC) Schauplatz des einzigen Kurses innerhalb der NATONorth Atlantic Treaty Organization für Personnel Recovery. Damit ist allgemein die Rettung und Rückführung von militärischem und zivilem Personal, das nicht mehr aus eigenen Kräften zur Truppe zurückkehren kann, gemeint. Man spricht in solchen Momenten von einer sogenannten Isolationslage. Diese Situation kann beispielsweise bei der Notlandung eines Luftfahrzeugs, aber auch bei Patrouillen außerhalb des Feldlagers eintreten.
Multinationaler Ansatz im Bereich Personnel Recovery
Hauptinitiator des Kurses ist das European Personnel Recovery Centre, kurz EPRC. Das im italienischen Poggio-Renatico aufgestellte Zentrum wurde ausschließlich mit dem Themengebiet Rettung und Rückführung betraut. Sieben Nationen – Italien, Spanien, die Niederlande, Belgien, Großbritannien, Frankreich und Deutschland – sind daran beteiligt. Alle Staaten besetzen Funktionen mit Expertinnen und Experten, egal ob am Boden oder in der Luft. Durch die gebündelten Kenntnisse verfügt das EPRC über die benötigte Expertise, um Fachpersonal für Personnel Recovery auszubilden, Vorschriften zu überarbeiten und realitätsnahe Szenarien – wie beim APROC – planen und umsetzen zu können.
Zum dritten Mal in Folge findet der jährlich ausgerichtete Kurs in Spanien statt. Zuvor wechselten sich die Nationen regelmäßig mit der Durchführung des APROC ab. In und um Albacete herrschen optimale Trainingsumstände, um sich gemeinsam auf den Ernstfall vorzubereiten. Besonderheit in diesem Jahr: Deutschland ist für die gesamte Rahmenorganisation des Kurses zuständig, das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Schwielowsee dementsprechend mit der Umsetzung betraut.
Der Gesamtzeitraum ist für drei Wochen angesetzt: eine logistische und planerische Meisterleistung in der Vorbereitung, um ideale Bedingungen für die Beteiligten zu schaffen. Das sind über 500 Soldatinnen und Soldaten aus zwölf Nationen sowie zwei Bundespolizisten und knapp 30 Luftfahrzeuge, bestehend aus Hubschraubern und Kampfjets. Dazu werden Teile der in Albacete stationierten Eurofighter integriert. Deutschland ist mit etwa 60 Soldatinnen und Soldaten aus Heer, Luftwaffe, Marine, dem Zentralen Sanitätsdienst sowie ITInformationstechnik-Fachpersonal beteiligt.
Gemeinsam Strategien und Lösungen entwickeln
Ziel des multinationalen Kurses ist es, isoliertes Personal verbündeter Kräfte in Luft-und Bodenoperationen zu retten und diese Verfahren im Rahmen des Kurses zu perfektionieren. Da die Rettung und Rückführung von isoliertem Personal in den seltensten Fällen rein national durchgeführt wird, ist der Austausch und das Erarbeiten von gemeinsamen Vorgaben und Vorgehen auf multinationaler Ebene für alle Beteiligten sinnvoll.
Hauptaugenmerk liegt auf der Weiterbildung des Personals, dem Harmonisieren von Prozessen und dem Austausch zwischen den einzelnen Akteuren. Dies reicht von der Stabsarbeit zur Entscheidungsfindung, Planung und Durchführung komplexer Personnel Recovery Operationen bis hin zur Ausbildung von Piloten zum Rescue Mission Commander. Ein weiterer Bereich ist die Ausbildung der Extraction Force, also der Rettungskräfte am Boden sowie des isolierten Personals, welches von der eigenen Truppe abgeschnitten wurde.
Tägliche Wiederholung, aber keine Blaupause
Das tägliche Mission planning während des Kurses in Albacete ist in der Umsetzung stets gleich und besteht aus vier Phasen. Das sogenannte 4-T-Planning beinhaltet die Phasen: Task (Aufgabe), Target (Ziel), Threat (Bedrohung) und Tactics (Taktik). Auf dieser Grundlage soll innerhalb kurzer Zeit eine gemeinsame Strategie entwickelt werden, um alle beteiligten Einsatzkräfte möglichst komplikationsfrei und schnell an das isolierte Personal heranzuführen. Das Ziel ist es, nach erfolgreicher Rettung alle Kräfte ohne eigene Verluste zurück zur Basis zu bringen.
Ein gemeinsames Training für einen guten Plan
Ein guter Plan steht und fällt mit seiner Umsetzung. Theorie und Praxis müssen dabei in Einklang gebracht werden. So beginnt auch das Prozedere in Albacete mit den Planern auf der Los Llanos Air Base, gefolgt von den Technikern und Unterstützern, den Crews in den Flugzeugen und Hubschraubern und den Kräften zur Nachbereitung und Versorgung am Boden.
Das gemeinsame Training beim Air Centric Personnel Recovery Operatives‘ Course ist ein Zugewinn für alle beteiligten Nationen. Dies unterstreicht auch der Wahlspruch des European Personnel Recovery Centre: „That others may live.“