Militärische Evakuierungsübung Extricate Owl 2021
Militärische Evakuierungsübung Extricate Owl 2021
- Datum:
- Ort:
- Schwielowsee
- Lesedauer:
- 4 MIN
Etwa Hundert Deutsche warteten am 31. Januar 2020 im chinesischen Wuhan auf ihre Heimreise aus dem Corona-Epidemie-Gebiet. Der internationale Flugverkehr war zu diesem Zeitpunkt bereits eingeschränkt. Ein A310 der Luftwaffe startete nach China, um die Gestrandeten nach Hause zu holen. Einen Tag später landete die Maschine mit 102 Menschen an Bord wieder in Frankfurt am Main. Damit dies zukünftig – auch aus krisenhaften Lagen unter gegebenenfalls bestehender Bedrohung – so reibungslos funktioniert, übt die Bundeswehr alle zwei Jahre die Abläufe einer militärischen Evakuierungsoperation.
Extricate Owl ist eine Übung des Einsatzstabes Evakuierungsoperationen. Seit 2009 wird diese Übung alle zwei Jahre im Einsatzführungskommando der Bundeswehr durchgeführt. Ziel des Vorgehens ist es, dass der zuständige Einsatzstab sowie weitere beteiligte Dienststellen unter realitätsnahen Bedingungen üben. In diesem Jahr bildete eine eskalierende Lage im fiktiven Framland die Grundlage für den möglichen Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte. Das Ziel war es, deutsche Staatsangehörige zu schützen und sicher aus einem Krisenland zu evakuieren.
In einem solchen Szenario müssen die Fähigkeiten der einzelnen Teilstreitkräfte der Bundeswehr eng ineinandergreifen. Die hierfür benötigten Prozesse und Verfahren von Planung und Führung werden angewandt, überprüft und optimiert. Das Personal stammt größtenteils aus dem Einsatzführungskommando und dient als koordinierende Schnittstelle zwischen den Teilstreitkräften sowie den Einheiten im Einsatz. Mit Alarmierung des Einsatzstabes entsenden aber auch viele andere Dienststellen der Bundeswehr Personal in den Stab.
Den Aufwuchs der Kräfte zur Evakuierung innerhalb Deutschlands organisiert die Division Schnelle Kräfte (DSKDivision Schnelle Kräfte). Dabei richten sich Umfang und Art der eingesetzten Kräfte nach der Lage im Krisengebiet. Sobald sich Kräfte ins Krisengebiet in Marsch setzen dürfen, übernimmt der Einsatzstab ihre operative Führung.
Besondere Herausforderung: Üben unter Corona-Pandemie
Wesentliche Herausforderung für dieses Jahr war der Umgang mit der Corona-Pandemie. Für die Übung wurde eigens ein Hygienekonzept erstellt, das bereits bei der Vorausbildung durch die Teilnehmenden erprobt wurde. Alle Teilnehmenden haben sich zudem ab dem 15. März täglich auf das Coronavirus testen lassen. Gleich zu Beginn der Übung überzeugte sich der Generalsinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, persönlich vom Hygienekonzept sowie der Arbeitsbereitschaft des Einsatzstabes.
„Nachdem der Einsatzstab aktiviert wurde, ist er am 15. März 2021 mit dem Ziel zusammengekommen, dem Bundesministerium der Verteidigung (BMVgBundesministerium der Verteidigung) zeitnah einen Operativen Ratschlag vorzulegen. Dieser wird aufzeigen, welche militärischen Optionen wir für die Evakuierung deutscher Staatsbürger aus Framland haben. Auch unter den aktuellen Corona-Bedingungen gestaltet sich die Zusammenarbeit effektiv und effizient“, so der Leiter des Einsatzstabes, Oberst Ludger Bette.
Auch General Zorn zeigte sich während einer Besprechung in der Operationszentrale zufrieden: „Die Übung verdeutlicht, dass wir militärische Evakuierungen unter nationaler Führung zum Schutz unserer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger im Ausland jederzeit gewährleisten können.“
Ein forderndes fiktives Szenario
Die Übung Extriacte Owl 2021 spielte sich räumlich zwischen Skandinavien und dem Baltikum ab. Im genannten Raum befindet sich die fiktive Nation Bothnien, die unter ihrer Ressourcenknappheit leidet. Benötigt wird vor allem Öl, das in der Ostsee zwar vorhanden, aber für Bothnien nicht zugänglich ist. Die Übung sah Folgendes vor: Bothnien beabsichtigt, das ehemalige Nordimperium Skolkan unter eigener Führung zu restaurieren. Anliegende Staaten sollen in das „Großreich“ einbezogen werden, um sich ihre Ölvorkommen zu sichern.
Das fiktive Verteidigungsbündnis European Defence Alliance (EDAEuropäische Verteidigungsagentur) hat sich des Schutzes der Anrainerstaaten angenommen, die erkennbar keine Aufnahme in das „Großreich“ anstreben. Hierzu führte die EDAEuropäische Verteidigungsagentur unter anderem Luftraumüberwachungen in der Region durch. Während eines Überwachungsfluges kollidierten am 5. März 2021 ein deutsches und ein bothnisches Kampfflugzeug und stürzten ins Meer. Bothnien sah die Schuld dafür in „deutscher Agression“ und betrachtete dies als willkommenen Anlass, das angrenzende Framland zu destabilisieren. Neben militärischen Drohgebärden hetzte Bothnien die dortige bothnische Minderheit gegen deutsche Staatsangehörige im Land auf.
Die Lage spitzt sich zu
Da sich die Lage in Framland dramatisch zuspitzte, entschied das Auswärtige Amt, die dort ansässigen Deutschen zu evakuieren, und bat das BMVgBundesministerium der Verteidigung um Unterstützung. Nach politischer Entscheidung wurde dem Einsatzführungskommando am 14. März 2021 das Herstellen der Führungsfähigkeit für eine Evakuierungsoperation angewiesen. Dieses alarmierte und rief sogleich den Einsatzstab „EvakOp“ ein, um eine kombinierte Luft- und Seeevakuierung zu planen. Bothnien verschärfte die Situation derweil zunehmend. So kam es nach Demonstrationen auch zu Gewaltaufrufen gegen deutsche Staatsangehörige, denen das Verlassen des Landes verweigert wurde .
Aufgrund der räumlichen Verteilung der zu Evakuierenden in Framland plante der Einsatzstab die Abholung schließlich an drei Orten. Im Norden sollte die Luftwaffe mit einer schnellen Luftevakuierung innerhalb eines Minenkomplexes festgesetzte deutsche Familien abholen. Mittig sollten aus der Hauptstadt über 200 Deutsche ebenfalls über Luft evakuiert werden. Im Süden sollte die Marine 80 isolierte deutsche Staatsbürger sowie circa 60 Staatsangehörige befreundeter Nationen mit einer schnellen Seeevakuierung in Sicherheit bringen.
Für die Seeevakuieruung müssen an Bord eines deutschen Marineschiffes auch Soldatinnen und Soldaten des Seebataillons zum Schutz und Sicherung der Operation eingeschifft werden. Extricate Owl 21 wurde deshalb mit der Übung Schnelles Krokodil des Seebatallions verknüpft. Hierbei übt der Verband unter anderem das Zusammenziehen und Verlegen seiner Kräfte für eine schnelle Seeevakuierung. Nach abgeschlossener Luftverlegung in ein simuliertes Gastland wurde die Übung von der Extricate Owl 21 wieder entkoppelt.
Das Ziel des Einsatzstabes war es, die planerischen Bedingungen zu schaffen und alle Maßnahmen so anzuweisen, dass die Evakuierungen bis spätestens 19. März 2021 abgeschlossen sind. Dieses Ziel wurde erfolgreich erreicht.