Ein Ort des Gedenkens und der Emotionen
Ein Ort des Gedenkens und der Emotionen
- Datum:
- Ort:
- Schwielowsee
- Lesedauer:
- 5 MIN
Seit nunmehr zehn Jahren gibt es in Schwielowsee bei Potsdam den „Wald der Erinnerung“ – einen dauerhaften Trauer- und Gedenkort für alle im Dienst verstorbenen Bundeswehrangehörigen. Neben den Namen der Verstorbenen haben hier auch die die Ehrenhaine der verschiedenen Auslandseinsätze ihren dauerhaften Platz gefunden.
Wer zu den Besuchenden dieser Gedenkstätte gehört, wird sofort von der nachdenklichen und würdevollen Atmosphäre erfasst, die diesen Ort prägt. Ein Team aus erfahrenen Besucherführerinnen und Besucherführern gestaltet die Gedenkstätte nicht nur als Erinnerungsort, sondern auch als Plattform zur Begegnung und Weiterbildung. Oberstleutnant Bernd R. brachte es schon bei der Eröffnung des „Waldes der Erinnerung“ auf den Punkt: „Es gibt wenige Orte in Deutschland, wo die Konsequenzen politischer Entscheidungen so deutlich werden, wie an dieser Gedenkstätte.“
Der Besuch beginnt im Empfangs- und Informationsgebäude. Hier startet der „Weg der Erinnerung“. Dieser führt an den 119 Namen der im Auslandseinsatz gefallenen oder verstorbenen Soldatinnen und Soldaten vorbei und hinauf zum „Ort der Stille“. Hier haben die Besuchenden der Gedenkstätte die Möglichkeit, Kränze niederzulegen und Gedenkgottesdienste abzuhalten. Der Ort strahlt Ruhe und Respekt aus und lädt zur inneren Einkehr ein.
Hinter dem „Weg der Erinnerung“ erstreckt sich der Gedenkwald, in dem allen Bundeswehrangehörigen, die in einem dienstlichen Zusammenhang ums Leben gekommen sind, ein Baum gewidmet werden kann. Diese Bäume sind oft mit persönlichen Erinnerungsstücken geschmückt. Es finden sich dort Fotos, Handabdrücke von Kindern oder andere persönliche Erinnerungen. Hierdurch wird die Verbindung zwischen den Hinterbliebenen und den Verstorbenen lebendig gehalten. „Es sind die persönlichen Geschichten von Menschen“, betont der Besucherführer und Stabsfeldwebel Michael E., „Und diese Geschichten müssen erzählt werden. Sonst sind die Kameradinnen und Kameraden wirklich tot“.
Zudem spielt der „Wald der Erinnerung“ eine zentrale Rolle bei verschiedenen Gedenkveranstaltungen wie dem „Marsch zum Gedenken“ und der jährlichen Hinterbliebenenveranstaltung am Samstag vor dem Volkstrauertag. Diese Veranstaltungen stärken die Gemeinschaft und bieten den Angehörigen einen Raum, um gemeinsam zu trauern und sich gegenseitig zu unterstützen.
Der „Wald der Erinnerung“ ist inspiriert von der Idee eines Friedwaldes, doch es wird hier niemand bestattet. Stattdessen dient er als lebendiger Ort des Gedenkens, der die Geschichten und den persönlichen Einsatz der Verstorbenen würdigt.
Münzen zum Gedenken
Der „Weg der Erinnerung“ ist gesäumt von Stelen, auf denen die Namen der Verstorbenen und deren Todesjahr verewigt sind. Wer genau hinsieht, entdeckt neben den Namen eine Vielzahl unterschiedlicher Münzen. Sie stammen von den Kameradinnen und Kameraden der Verstorbenen und haben eine tiefere Bedeutung.
Die Tradition, Münzen an Gedenkorten zu hinterlassen, hat ihren Ursprung in den USA und fand während des Vietnamkriegs in den 1960er und 1970er Jahren ihren Anfang. Seither hat sie sich zu einer modernen Militärtradition entwickelt, die nun auch in Deutschland zunehmend Anklang findet.
Die Wahl der Münze hat eine tiefere Bedeutung und repräsentiert die Beziehung zwischen der besuchenden und der verstorbenen Person. Eine Ein-Cent-Münze zeigt beispielsweise, dass man den verstorbenen Soldaten oder die Soldatin kannte. Eine Fünf-Cent-Münze weist darauf hin, dass man gemeinsam die militärische Grundausbildung absolviert hat. Eine Zehn-Cent-Münze zeigt, dass man gemeinsam gedient hat. Diese Münzen symbolisieren nicht nur die Kameradschaft, sondern auch die Erlebnisse und Herausforderungen, die mit den Verstorbenen geteilt wurden.
Besonders bewegend ist die 20-Cent und die 50-Cent-Münze, in den USA der Quarter Dollar, die denjenigen vorbehalten ist, die bei dem tragischen Ereignis dabei waren, als der Soldat oder die Soldatin ums Leben kam. Sie ist ein Zeichen des Respekts und des Gedenkens an den letzten Moment des Lebens der Gefallenen und würdigt die enge Verbindung zwischen Kameradinnen und Kameraden in den schwersten Zeiten. Jede einzelne Münze erzählt eine eigene Geschichte und lässt die Erinnerung an die Einsatztoten der Bundeswehr weiterleben.
Obwohl diese konkrete Tradition in den USA begonnen hat, lässt sich der Brauch, Münzen auf den Grabsteinen von Militärangehörigen zu hinterlassen, bis ins antike Griechenland zurückverfolgen. Ihrem Glauben folgend steckten Soldaten damals ihren gefallenen Kameraden eine Münze in den Mund, um sicherzustellen, dass diese den „Fluss Styx“ ins Jenseits überqueren konnten.
Sollten die Münzen an den Stelen einmal zu viele werden und keinen Platz mehr finden, geht dieses Geld als Spende an das Soldatenhilfswerk der Bundeswehr. Hier kommt es Soldaten und Soldatinnen sowie deren Familien zugute, die unverschuldet in Not geraten sind.
„Ein Ort der Trauer – und des Trosts“
Seitdem die Gedenkstätte vor etwa zehn Jahren angelegt wurde, wurden mehrfach Namen von Verstorbenen aus den Auslandseinsätzen ergänzt. Diese traurige Notwendigkeit spiegelt die fortwährenden Herausforderungen und Risiken wider, denen die Angehörigen der Bundeswehr in der Ausübung ihres Dienstes ausgesetzt sind. Das ist gerade in den aktuellen Zeiten und den Krisen auch in Europa wieder in den Fokus des Interesses gerückt.
Neue militärische Einsätze wurden gestartet, während andere, wie beispielsweise Resolute Support (RS) in Afghanistan, ihren Abschluss fanden. Ein bedeutendes Ereignis in der letzten Jahre war die Überführung eines 27 Tonnen schweren Gedenksteins des Ehrenhains aus Masar i-Scharif. Zusammen mit über 500 Einzelteilen des letzten zentralen Ehrenmals der Bundeswehr in Afghanistan wurde er vor zwei Jahren durch Soldatinnen und Soldaten des Logistikbataillons 172 in Beelitz vom Camp Marmal in Afghanistan nach Schwielowsee bei Potsdam gebracht. Dieser Stein steht symbolisch für das Engagement der Soldaten. Seine Ankunft im „Wald der Erinnerung“ war ein bedeutender Moment in der Geschichte der Gedenkstätte, denn wie jeder Ehrenhain, der hierhin verlegt wurde, ist der Stein mit zahlreichen Emotionen verknüpft.
Anlässlich der Überführung des Ehrenhains aus Masar-i Scharif an seinen endgültigen Standort betonte die damalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht: „Hier gedenken wir derer, die für die Sicherheit Deutschlands alles gegeben haben: sogar ihr eigenes Leben. […] Der ‚Wald der Erinnerung‘ ist ein ganz besonderer Ort. Ein Ort der Trauer – und des Trosts.“
Der „Wald der Erinnerung“ ist nicht nur ein Platz des Gedenkens, sondern auch ein Raum, der die Hinterbliebenen einlädt, ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen und Trost zu finden. Er bietet einen Rückzugsort, an dem Erinnerungen geteilt werden können und der die Geschichten der gefallenen Soldaten lebendig hält.
Mit jedem neuen Namen und jedem weiteren Ereignis wächst die Bedeutung dieses Ortes, der nicht nur an die Opfer erinnert, sondern auch die Gemeinschaft derer stärkt, die in schwierigen Zeiten zusammenstehen. So wird der „Wald der Erinnerung“ zu einem lebendigen Denkmal, an dem Vergangenheit und Gegenwart zusammenkommen.