Wie funktioniert ein Amtshilfekontingent?
Wie funktioniert ein Amtshilfekontingent?
- Datum:
- Ort:
- Bundesweit
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Mitte Dezember 2021 wurde das sogenannte „Corona-Kontingent“ auf 17.500 Kräfte erhöht. Doch was steckt hinter einem solchem Kontingent?
Als Ende Februar 2020 der erste Amtshilfeantrag im Zusammenhang mit der Pandemiebekämpfung bei der Bundeswehr gestellt wurde, war das Ausmaß der anstehenden Unterstützungsleistung kaum absehbar. Für das schlimmste anzunehmende Szenario – eine bundesweite hohe Infektion mit Ausfall von staatlichen und privatwirtschaftlichen Strukturen – bereitete sich die Bundeswehr mit der Aufstellung eines Einsatzkontingents vor. Es sah vor allem sogenannte „Helfende Hände“, also Kräfte ohne spezielle Fähigkeiten, vor und wurde durch spezielle Befähigungen wie beispielsweise Logistik, ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr und Feldjäger ergänzt.
Tausendfach Amtshilfe durchgeführt
Aktuell umfasst das Kräftekontingent 17.500 Soldatinnen und Soldaten sowie zivile Angehörige der Bundeswehr. Weiterhin liegt der Schwerpunkt der Unterstützung bei den „Helfenden Händen“ in der Kontaktnachverfolgung, den Impfzentren und bei nicht-pflegerischen Tätigkeiten in Krankenhäusern sowie Alten- und Pflegeheimen. Dabei wird das Kontingent an den prognostizierbaren Bedarf angepasst: In der Hochphase der 3. Welle im ersten Quartal 2021, waren es 25.000 Kräfte – der Spitzenwert. In den Sommermonaten konnte deutlich reduziert werden, im Zuge der 4. Welle musste allerdings wieder aufgestockt werden. Bis Mitte Januar 2022 sind über 10.000 Amtshilfeanträge an die Bundeswehr gestellt worden, wovon weit über 90 Prozent gebilligt und durchgeführt werden konnten.
Wie kommen die „Helfenden Hände“ zur Amtshilfe?
Der Nationale Territoriale Befehlshaber – Generalleutnant Martin Schelleis, Inspekteur der Streitkräftebasis – ist für den Einsatz militärischer Kräfte im Inland zur Erfüllung der Territorialen Aufgaben verantwortlich. Neben Strukturen in seinem eigenen Stab verfügt der Nationale Territoriale Befehlshaber insbesondere über das Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr in Berlin. Dieses verfolgt mit einer rund um die Uhr betriebenen Operationszentrale die Lageentwicklungen und erarbeitet alle Maßnahmen – inklusive zum Einsatz von Kräften im Zusammenhang mit der Amtshilfe. Maßgabe jeder Amtshilfe bleibt: Die Bundeswehr kann nur unterstützend und auf Antrag von Behörden in deren jeweiligem Aufgabenbereich helfen. Die Unterstützung erfolgt nach dem Subsidiaritätsprinzip: Bevor Streitkräfte unterstützen, sollen zivile Unterstützungsmöglichkeiten ausgeschöpft sein.
Im direkten Verantwortungsbereich des Kommandos Territoriale Aufgaben befinden sich unter anderem das territoriale Netzwerk mit den 16 Landeskommandos sowie die zugehörigen Bezirks- oder Kreisverbindungskommandos. Diese beraten bis auf die Bezirks- oder Kreisebene zu militärischen Aspekten – zum Beispiel, wenn es um mögliche Unterstützungsleistungen durch die Bundeswehr geht. Regelmäßig werden sie in die kommunalen Krisenstäbe, Krisenmanagementstrukturen der Länder oder der zuständigen Ministerien einbezogen. Denn insbesondere die Verbindungskommandos in den Landkreisen und kreisfreien Städten kennen die Fähigkeiten der Bundeswehr, sind ortskundig, sind mit zuständigen Ansprechstellen vernetzt und wissen um die territorialen Strukturen der Amtshilfe.
Die Bundeswehr hält keine Soldatinnen und Soldaten oder spezielle Fähigkeiten wie Hubschrauber oder Bergepanzer für die Amtshilfe bereit. Diese Fähigkeiten können entweder, falls es zeitlich realisierbar ist, durch eine ministerielle Weisung dem Kommando unterstellt werden oder – wie in kurzfristigen Katastropheneinsätzen üblich – per Militärischem Katastrophenalarm für den Einsatz unterstellt werden. Über das Kommando Territoriale Aufgaben hat der Nationale Territoriale Befehlshaber damit Zugriff auf fast alle Dienststellen der Bundeswehr. Er kann diese in verschiedene Bereitschaftsstufen versetzen. Also bestimmen, wie schnell sie einsatzbereit vor Ort sein müssen, und mittels Vollalarm zum Ort der Hilfeleistung schicken. Selbstverständlich sind alle eingesetzten Bundeswehr-Angehörigen vollständig gegen Covid-19 geimpft, denn wie beim Auslandseinsatz können sie nur mit einer Immunisierung in der Amtshilfe eingesetzt werden.
Derzeit sind mehr als 8.500 Soldatinnen und Soldaten in der Amtshilfe gebunden. Eine gleiche Anzahl kann kurzfristig in neue Amtshilfe-Einsätze gebracht werden. Diese Soldatinnen und Soldaten leisten bis dahin in den Einheiten ihren normalen Dienst. Binnen 72 Stunden können diese eingeteilten Kräfte einen zugewiesenen Amtshilfeeinsatz antreten- die Bundeswehr nennt das „notice-to-move“ (etwa einsatzbereit binnen 72 Stunden).
Soldaten aus allen Bereichen der Bundeswehr
Die Unterstützung der Bundeswehr im Kampf gegen die Pandemie ist deutlich geprägt von den „Helfenden Händen“. Für deren querschnittliche Hilfe kommen grundsätzlich alle Bundeswehr-Angehörigen in Betracht. Aus allen Organisationsbereichen helfen sie den zivilen Behörden. Zusätzlich wurden auch spezielle Fähigkeiten zur Verfügung gestellt. Beispielsweise stellte die ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrtruppe der Streitkräftebasis Desinfektionsmittel her, als der Bedarf im Land zu Pandemiebeginn nicht allein durch die Produktion der Wirtschaft gedeckt werden konnte. Persönliche Schutzausstattung für medizinisches Personal wurde per Unterstützungsflügen der Luftwaffe aus China ins Land gebracht und weitertransportiert, sodass ein flächendeckender Engpass verhindert werden konnte. Ein Amtshilfeauftrag, der besondere Fähigkeiten benötigt, ist beispielsweise der Umschlag von Impfstoffen. Ob Biontech, Moderna, Johnson & Johnson oder in der ersten Jahreshälfte 2021 auch Astra Zeneca – alle Impfstoffe gegen Covid-19, die in Deutschland verimpft werden, stammen aus einem einzigen Umschlagzentrum, dem Versorgungs- und Instandsetzungszentrum für Sanitätsmaterial der Bundeswehr in Quakenbrück.
Kernauftrag erfüllen und Hilfe leisten
Der Amtshilfeeinsatz bindet also Spezialistinnen und Spezialisten ebenso wie „normale“ Soldatinnen und Soldaten. Das muss gut geplant werden. Denn die Soldatinnen und Soldaten können während der Amtshilfe ihre eigentliche Aufgabe nicht auch noch erfüllen. Die abstellenden Einheiten haben aber möglicherweise wichtige Übungen geplant oder sind für eine einsatzgleiche Verpflichtung wie die NATONorth Atlantic Treaty Organization Response Force geplant. Andere befinden sich möglicherweise schon in einer Mission von UNUnited Nations, NATONorth Atlantic Treaty Organization oder EUEuropäische Union. Wichtig ist der Bundeswehr, dass die Bundesrepublik Deutschland als verlässlicher Partner ihre Bündnisverpflichtungen auch während der Pandemie erfüllt.