Sechs Monate bei der NATONorth Atlantic Treaty Organization Mission Iraq
Sechs Monate bei der NATONorth Atlantic Treaty Organization Mission Iraq
- Datum:
- Ort:
- Bagdad
- Lesedauer:
- 4 MIN
Als ehemalige Gymnasiallehrerin und promovierte Biologin kam Dr. Nina T. 2015 zur Bundeswehr. Mit 32 Jahren tauschte sie Abiturienten gegen Uniform. Seither stellt sie sich den Herausforderungen des Soldatenberufs. Dazu gehören Einsätze. Der erste führte sie in den vorderen Orient – eine wertvolle Erfahrung.
Die gebürtige Mosbacherin ist seit 2020 bei der Schule ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr und Gesetzliche Schutzaufgaben in Sonthofen eingesetzt. Sie war von Oktober 2022 bis März 2023 bei der NATONorth Atlantic Treaty Organization Mission Iraq (NMI NATO Mission Iraq). In Bagdad war sie als Beraterin bei der Training Development Division tätig. Hier hat Oberstleutnant Dr. Nina T. die sogenannte Chemical Branch School, die irakische Truppenschule für den Bereich ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr, auf Schulebene strukturell und fachlich beraten. Das bedeutet, sie hat die Lehrenden dabei unterstützt, die Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten zielorientierter zu gestalten. „Im arabischen Raum ist sehr theorielastiger Frontalunterricht üblich. Wir haben ausschließlich NATONorth Atlantic Treaty Organization-Standards vermittelt“, berichtet die deutsche Soldatin. „Meine Aufgabe bestand darin, Inhalte, Methodik und Didaktik zu überarbeiten und damit die Qualität der irakischen Ausbildung zu verbessern.“ Dazu hat sie die bestehenden Inhalte gesichtet und mit den einheimischen Kollegen eine praxisorientiertere Vermittlung des Unterrichtsstoffs gestaltet. „In den meisten Fällen werden Sachverhalte schneller und nachhaltiger verstanden, wenn sie direkt am Objekt erklärt wurden.“ Selbst unterrichtet hat die Biologin allerdings in Bagdad nicht und das Militär vor Ort wurde nicht materiell unterstützt. „Die NATONorth Atlantic Treaty Organization investiert im Irak in Sicherheit durch die fachliche Unterstützung der Streitkräfte“, erläutert Dr. Nina T. „Meine Kollegen und ich waren nur beratend tätig. Wir überzeugen rein durch Kompetenz und haben Angebote gemacht.“
„Cultural awareness“
Diese wurden interessiert und motiviert angenommen. „Bildung ist im Irak sehr hoch angesehen“, weiß Dr. Nina T. zu berichten. „Dementsprechend gut ist der Großteil der Soldatinnen und Soldaten vorgebildet. Es war bereits viel Fachwissen vorhanden. Das hat uns positiv überrascht und die Arbeit machte direkt noch mehr Spaß. Denn die Ausbildenden an der Chemical Branch School waren sehr wissbegierig.“ Auch die Mitarbeitenden des Labors waren gut geschult. Viele Angehörige des irakischen Militärs besuchen internationale Lehrgänge oder wurden im Ausland ausgebildet.
Deshalb wurde die Expertise der promovierten Soldatin gesehen und sie als Wissenschaftlerin anerkannt. „Man würde es vielleicht anders vermuten, aber ich erfuhr eine große Wertschätzung – angefangen vom Kommandeur der Schule bis hin zu jedem einzelnen Ausbildenden, mit dem ich zusammengearbeitet habe.“ Dr. Nina T. wurde überall mit einem „Fühlen Sie sich wie zuhause“ sehr höflich und freundlich aufgenommen. Beidseitig war „cultural awareness“ (Kulturbewusstsein) vorhanden, was die Zusammenarbeit erheblich erleichterte. Zu den Übersetzern bestand schnell ein Vertrauensverhältnis. „Die Linguisten waren allesamt NATONorth Atlantic Treaty Organization-Angestellte und haben uns sehr geholfen, im arabischen Kulturkreis angemessen zu reagieren. Dazu gehörte natürlich auch ein Hinweis, wenn man sich mal nicht richtig verhalten hatte.“ Nachdem das sprichwörtliche Eis gebrochen war, wurde Dr. Nina T. auch von niedrigeren Dienstgraden der irakischen Armee in Englisch angesprochen. „Das ist hier als Vertrauensbeweis zu werten, denn Iraker melden sich während der Ausbildung eigentlich nur, wenn sie die Antwort kennen. In einer Sprache zu kommunizieren, die sie nicht perfekt beherrschen, ist ein wichtiges Zeichen der bereits erreichten Interoperabilität.“ Das ist das Ziel der NMI NATO Mission Iraq: Gemeinsame Standards und eine regelmäßige, dauerhafte Kooperation schaffen.
Kriegserfahrung versus Prävention
Dazu ist ein wechselseitiger Austausch notwendig. Dieser wurde den deutschen Beratern in Bagdad zuteil. „In den sechs Monaten meines Einsatzes, habe ich Vieles gelernt, was mir vorher so nicht bewusst war“, erörtert Dr. Nina T. „Wir haben gegenseitig voneinander profitiert.“ Zwar schulen die Iraker die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Streitkräfte nicht, aber sie teilten wichtige Erfahrungen aus der Praxis. So gut wie jede Familie im Irak hat jemanden im Krieg verloren. Die große Mehrheit der irakischen Soldaten ist kriegserfahren. Im Gegensatz dazu wurden die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Kräfte größtenteils präventiv ausgebildet. Die irakischen Soldatinnen und Soldaten brauchen praktische, schnelle Lösungen, damit sie mitten im Gefecht geschützt sind und weiterkämpfen können: „Das hörten wir während unserer Gespräche immer wieder – einfache, handfeste, zweckmäßige Mittel.“
Ein unerfreuliches, aber leider weiterhin aktuelles Thema im Irak ist die vorherrschende Korruption. Im Bereich von Dr. Nina T. sorgte die Vetternwirtschaft dafür, dass bei der Vergabe von Lehrgängen im Ausland das Wissen nicht da ankommt, wo es gebraucht wird. „Doch hier hat die NATONorth Atlantic Treaty Organization Flagge gezeigt und auch auf Zwei-Sterne-Ebene entsprechende Gespräche geführt“, verdeutlicht die Biologin. „So waren wir in viele Vorgänge eingebunden, was die Zusammenarbeit konstruktiver machte.“ Auch hier ist die NMI NATO Mission Iraq dem Ziel, den Irak zu befähigen, das Land selbst zu stabilisieren wieder einen Schritt nähergekommen: Die irakische Armee von morgen gestalten, damit der Terrorismus bekämpft und ein Wiedererstarken des sogenannten IS„Islamischer Staat“ verhindert werden kann.