Streitkräftebasis
Landes- und Bündnisverteidigung

Multinationaler Workshop stellt Weichen für Medizinlogistik in der NATONorth Atlantic Treaty Organization

Multinationaler Workshop stellt Weichen für Medizinlogistik in der NATONorth Atlantic Treaty Organization

Datum:
Ort:
Koblenz
Lesedauer:
4 MIN

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

In der Medizinlogistik der NATONorth Atlantic Treaty Organization fehlt es an Austauschbarkeit. Jede Nation arbeitet derzeit mit ihrem eigenen nationalen Tool. In dem sogenannten Mariani-Workshop entwickeln multinationale Logistik-Expertinnen und Spezialisten aus dem Sanitätsdienst einen gemeinsamen Sprachcode. 

Ein Übungspatient bekommt im Schockraum Blutkonserven während einer Sanitätsübung im Rahmen der Mission EUTM Mali.

Um Patienten im Einsatz zeitgerecht mit Blutkonserven versorgen zu können, muss bekannt sein, welche Nation welche Konserven hat. Hier würde eine gemeinsame Datenbank zu mehr Austauschbarkeit führen. Ein Workshop soll Möglichkeiten aufzeigen.

Bundeswehr/PAO EUTM Mali

Das Multinational Medical Coordination Centre / European Medical Command (MMCCMultinational Medical Coordination Centre/EMCEuropean Medical Command) mit Sitz in Koblenz und das an der Logistikschule der Bundeswehr beheimatete Joint Logistic Support Group Coordination and Training Centre (JCTC), holen in dem multinationalen Mariani-Workshop logistisches Fachpersonal aus dem Bereich der Sanität an den Operations-Tisch für das NATONorth Atlantic Treaty Organization Softwaremodul Logistic Functional Area Service (LogFAS).

In der Sanitätsmateriallogistik der NATONorth Atlantic Treaty Organization fehlt es an dieser Austauschbarkeit. Jede Nation arbeitet derzeit mit ihrem eigenen nationalen Tool“, erzählt Oberfeldapotheker Yvonne S. vom MMCCMultinational Medical Coordination Centre/EMCEuropean Medical Command. Hinzu kämen Unterschiede bei den gesetzlichen Vorgaben. „Medizin unterliegt immer den Genfer Konventionen und dem humanitären Völkerrecht. Hier gibt es weitaus mehr Auflagen, als für den Austausch von Wasser und Benzin“, ergänzt sie. „Logistik ist das, worauf es ankommt. Das macht der Ukraine-Krieg beinahe täglich deutlich. Logistik schafft keiner mehr allein, die schaffen wir nur in einem gemeinsamen Ansatz“, betont die 44-Jährige, die vor knapp einem Jahr am JCTC im LogFAS geschult wurde und dort die Idee für diesen Workshop hatte.

Reibungslose Zusammenarbeit fördern

Das JCTC und das MMCCMultinational Medical Coordination Centre/EMCEuropean Medical Command sind „Kinder“ des Framework Nation Concepts, ein von Deutschland initiiertes Rahmennationenkonzept zur Verteidigungskooperation europäischer NATONorth Atlantic Treaty Organization-Staaten. Ziele der Kooperation sind, militärische Fähigkeiten gemeinsam und multinational zu entwickeln und die reibungslose Zusammenarbeit der unterschiedlichen nationalen Streitkräfte zu fördern. Logistik und Medizin sind zwei dieser Fähigkeitsbereiche (Cluster Logistics und Cluster Medicals). Die konkrete Ausgestaltung des Cluster Logistics, das die multinationale Unterstützung von Truppenverlegungen zum Ziel hat, liegt bei der Streitkräftebasis. Das MMCCMultinational Medical Coordination Centre/EMCEuropean Medical Command unterstützt die Sanitätsdienste der NATONorth Atlantic Treaty Organization und der EUEuropäische Union als Koordinator sowie bei der Bereitstellung und Bewertung des sanitätsdienstlichen Lagebildes für NATONorth Atlantic Treaty Organization und EUEuropäische Union.

Sprachcode für den multinationalen Sanitätsdienst

LogFAS ist zunächst wie Excel oder Word: Eine leere Plattform mit einer Vielzahl an Möglichkeiten. Im Mariani-Workshop gehen die Teilnehmenden der Frage nach, ob sich diese leere Plattform so befüllen lässt, dass ein gegenseitiger Austausch möglich ist. Experten aus Ungarn, Norwegen, Finnland und Vertretende der NATONorth Atlantic Treaty Organization aus Kanada kamen hier zusammen. Dazu kamen deutsche Spezialisten aus dem Bereich der Materialbewirtschaftung und ein Kompaniechef, der als Leiter eines Einsatzlazaretts (ein mit einem Kreiskrankenhaus vergleichbares sogenanntes „Role 2“), tätig ist.

Das von der NATONorth Atlantic Treaty Organization zur Verfügung gestellte System LogFAS, benötigt keinen dauerhaften Zugang zu einem Netzwerk. „In den Missionen und Einsätzen der Bundeswehr war es einfacher, die Truppe in einem Netzwerk an SAP oder andere Software anzubinden. Diesen Vorteil gibt es bei der Landes- und Bündnisverteidigung nicht mehr“, betont S. Jetzt gelte es, im LogFAS eine Art Sprachcode für den multinationalen Sanitätsdienst zu kreieren, mit dem sich die Nationen austauschen können. Die Oberfeldapothekerin macht das an folgendem Beispiel deutlich: „In Afghanistan sind deutsche Soldatinnen und Soldaten mit dem Blut ihrer niederländischen Kameradinnen und Kameraden versorgt worden. Dazu muss natürlich bekannt sein, welche Blutkonserven die Niederländer haben.“ Hier reiche es nicht, diese Informationen am Telefon zu erfragen.

  • Ein Soldat sitzt in einem Computerhörsaal vor zwei Monitoren.

    „LogFAS“ ist ein System, das nicht 24/7 eine Netzwerkanbindung braucht, sondern beispielsweise nur, wenn eine Meldung abgesetzt werden muss. Das bietet in der Landes- und Bündnisverteidigung klare Vorteile und mehr Flexibilität.

    Bundeswehr/Kathleen Boungard
  • Screenshot eines Kartenausschnittes auf dem System LogFAS.

    Ein Kartenausschnitt aus LogFAS zeigt medizinische Infrastruktur und sanitätsdienstliche Einheiten. Diese wurden, wie es das Szenario vorgibt, erstellt, positioniert und darauf basierend Transporte und weitere Versorgung der Verwundeten geplant.

    Bundeswehr/LogFAS
  • Eine Soldatin steht vor einem Strauch im Portrait.

    Oberfeldapotheker Yvonne S. kam, nachdem sie fünf Jahre logistische Einrichtungen des zentralen Sanitätsdienstes gerüstet hat, als Quereinsteigerin zur Bundeswehr. Jetzt bringt sie auf multinationaler Ebene die Nationen an einen Tisch.

    Bundeswehr/Kathleen Boungard

Nutzbarkeit im Bereich der Medizin

„Defekte Autos können vor einer überfüllten Werkstatt abgestellt werden, bis genügend Technikerinnen und Techniker zur Verfügung stehen. Ist dagegen eine Einrichtung zur medizinischen Behandlung (in Englisch: medical treatment faciliy) voll belegt, müssen Patientinnen und Patienten an andere Einrichtungen mit Kapazität verlegt werden. Ansonsten besteht nur die Möglichkeit einer sogenannten Triage. „Dabei entscheidet sich dann, wer überlebt und wer nicht“, unterstreicht die ehemalige Apothekenleiterin die Dringlichkeit einer gemeinsamen Lösung. Bisher gibt es keine einheitlichen Tools, die diesen Austausch ermöglichen oder ein durchgängiges Tracking der Patientinnen und Patienten ermöglichen.

Erfüllt LogFAS die Notwendigkeiten, die der Sanitätsdienst an das System stellt? Nachdem die Workshopteilnehmenden durch LogFAS-Trainer Hauptmann Thomas K. vom JCTC im System ausgebildet wurden, testeten sie die ITInformationstechnik auf die Nutzbarkeit im Bereich der Medizin. „Viele Funktionalitäten für die Logistik des Sanitätsdienstes sind im System bereits programmiert, müssen nur genutzt werden“, klärt K. auf. Krankenhäuser seien ebenso im System angelegt, wie See- und Flughäfen.

„Ob nun 500 Passagiere oder 500 Patientinnen und Patienten transportiert werden müssen, spielt für die Planungs- und Analysefunktion des Programmes keine Rolle“, erklärt der LogFAS-Experte.

Kaltstartfähigkeit der Streitkräfte unterstützen

Oberstleutnant Thomas B. von der Training and Exercise Section im JCTC ergänzte, dass die Anpassungsbedarfe, die im Workshop identifiziert wurden, mit wenig Aufwand programmiert werden könnten. So fehle beispielsweise das für die Medizin typische Transportmittel Ambulanz. „LogFAS wird schon lange in der NATONorth Atlantic Treaty Organization genutzt. Bis ein bereits geplantes Nachfolgemodell mit unterstützenden Funktionalitäten für den Sanitätsdienst dieses System ablösen wird, werden Jahre vergehen“, erzählt B. „LogFAS können wir jetzt mit wenig Aufwand für die Medizinlogistik nutzen, um die Herausforderungen der Landes- und Bündnisverteidigung zu bewältigen. Es ist verfügbar und es unterstützt die Kaltstartfähigkeit der Streitkräfte“, ergänzt er. Durch das offene Verhältnis und den steten Austausch beider Einheiten werden Dopplungen vermieden, Ressourcen gespart. 

Deutschland hat unter anderem die Führung in der Mangelressource Logistik und Medizin für die NATONorth Atlantic Treaty Organization übernommen. Diesen Auftrag führt nicht jeder in seinem abgegrenzten Bereich durch, sondern gemeinsam: Stronger together.

von Kathleen Boungard  E-Mail schreiben

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

Mehr zum Thema