Logistik-Drehkreuz für die Unterstützung der Ukraine
Logistik-Drehkreuz für die Unterstützung der Ukraine
- Datum:
- Ort:
- Polen
- Lesedauer:
- 4 MIN
Seit der Vollinvasion der gesamten Ukraine durch die Russische Föderation vor über einem Jahr unterstützt Deutschland das Land in seinem Verteidigungskampf. Ein wichtiger Bestandteil der Hilfe ist die Ausbildung von Soldatinnen und Soldaten aus der Ukraine in Deutschland. Ihr Weg auf die Truppenübungsplätze der Bundeswehr ist straff organisiert.
„Boarding completed“. Klingt ganz normal in einem Flugzeug. Doch für die Menschen an Bord dieses Airbus A330 MRTTMulti Role Tanker Transport ist seit vierzehn Monaten nichts mehr normal: Sie kämpfen für ihre Freiheit, für Demokratie, ums Überleben. Sie sind Angehörige der ukrainischen Armee. Sie sind auf dem Weg nach Deutschland. Dort werden sie von der Bundeswehr ausgebildet. Mit dieser Ausbildung sollen sie im Gefecht noch besser bestehen können. Von der Fahr- und Richtschützenausbildung auf dem Marder über infanteristische und sanitätsdienstliche Ausbildung bis zur Zugführerausbildung reicht die Palette dessen, was sie erwartet.
Wie kommen ukrainische Soldaten nach Deutschland?
Rückblende. Eine Stunde vor dem Boarding. Stickig und trist ist es im kleinen Cargo-Terminal des polnischen Flughafens. Der Blick von Stabsfeldwebel Stefan S. wechselt zwischen Reisepass, Passagierliste und Gesicht der Person vor ihm hin und her. „Ich mache hier die Identitätskontrolle. Prüfe, ob Name und Ausweisnummer auf meiner Liste mit dem Ausweisdokument übereinstimmen“, erklärt er. Seit acht Wochen ist er hier in Polen eingesetzt. Heute ist sein letzter Tag im „Pers Hub“. So wird das fünfköpfige Team von Spezialisten der Streitkräftebasis genannt, das das Personal-Drehkreuz betreibt. Zum Abschluss läuft alles glatt. Liste und Ausweise passen zueinander. Alle Ukrainerinnen und Ukrainer, die vom Special Training Command in Strausberg angekündigt waren, können die Kontrolle passieren.
„Wir arbeiten hier wie eine Ground Crew beim Urlaubsflug, aber unter besonderen Umständen“, erklärt der Leiter des Pers Hubs, Oberstleutnant Jörg K., den Auftrag seiner Truppe, die das Terminal ebenso wie andere Verbündete für die Passagierabfertigung zweckentfremdet. Das Portfolio ist umfangreich: Identitätscheck, Gepäckabfertigung, Sicherheitskontrolle, Übergabe an die Crew und zwei begleitende Sky Marshalls der Feldjäger. Auch die Be- und Entladung, die Flugzeugbetankung und das „Push-back“ der Maschinen gehören dazu. Hierum kümmern sich Hauptfeldwebel Paul H. und Stabsunteroffizier Jan K. und nutzen dabei die guten Kontakte zu anderen Alliierten aus der NATONorth Atlantic Treaty Organization und den polnischen Gastgebern. Sie sind Nachschieber und auf den Luftumschlag spezialisiert. Jan übernimmt ab morgen Pauls Aufgabenbereich. Paul kommt aus den mobilen Logistiktruppen der Streitkräftebasis. Seine Berliner Schnauze unterscheidet ihn von Jans nordischer Zurückhaltung. „Heute hab ick mir den Finger einjeklemmt, extra zum Abschied“, scherzt Paul.
Doch trotz des lockeren Umgangs und guter Stimmung im Team: Für alle ist der Auftrag besonders. „Schauen Sie den Ukrainern mal in die Augen. Letzte Woche hatten wir hier einige dabei, die direkt aus Bachmut kamen. Da ist viel Leere im Blick. Der Krieg laugt die Menschen aus“, berichtet Paul. „Ich kriege da echt Gänsehaut. Wir kommen hier mit dem scharfen Ende des Soldatseins in Berührung.“ Natürlich gibt es auch den anderen Weg, den zurück in den Krieg in der Ukraine. Generalleutnant Martin Schelleis, der Inspekteur der Streitkräftebasis, hat seine Truppe am Pers Hub im April besucht und mit Ukrainern gesprochen, die auf dem Weg zurück an die Front waren. „Unsere Frauen und Männer leisten hier sehr gute und wichtige Arbeit. Besonders beeindruckend war für mich das Gespräch mit denen, die fertig ausgebildet als Zugführer zurück in den Kampf gehen. Sie waren ganz klar und wirklich motiviert. Sie wissen worum es geht: die Freiheit ihres Landes“, schildert Schelleis seine Eindrücke. „So intensiv habe ich selten gespürt, was es heißt, „viel Soldatenglück“ zu wünschen.“
Wer kämpft für die Ukraine?
Auf dem Flug nach Deutschland nicken viele der ukrainischen Fluggäste ein. Ebenso wie beim Team des Pers Hub, setzt auch die Luftwaffe bei den Crews auf Soldatinnen und Soldaten, die Russisch sprechen, damit alle Durchsagen verständlich sind. Meist ist auch ein Ukrainer an Bord, der etwas Englisch spricht. Das ist für die Deutschen die wichtigste Person. Über sie läuft die Kommunikation.
Unter den ukrainischen Soldaten an Bord sind heute knapp ein Dutzend Frauen. Der Jüngste ist gerade achtzehn Jahre alt, der Älteste sechzig. Viele sind Freiwillige ohne militärische Vorerfahrung, ein Oberst ist auch dabei. Katerina* ist eine der Freiwilligen. Im Frieden arbeitet sie in der Heimat als Psychologin. Nun ist sie Rekrutin der ukrainischen Streitkräfte. In Deutschland erhält sie eine Ausbildung zur Zugführerin der Infanterie. Zurück an der Front wird sie den Befehl über bis zu 30 Soldatinnen und Soldaten haben, die in der direkten Auseinandersetzung mit dem russischen Aggressor kämpfen.
„Welcome to Germany“
Angekommen in Deutschland geht es schnellstmöglich weiter an die Ausbildungsstandorte. Hoch motiviert treffen dort die neuen ukrainischen Auszubildenden ein. Ihr Ziel ist klar: Die eigene Chance, im Gefecht zu gewinnen, wollen sie verbessern. Wenn sie dafür trainiert sind, wartet die Crew vom Pers Hub bereits. Seit Beginn der militärischen Unterstützungsleistungen durch die Bundeswehr sind mehr als 3.000 Soldatinnen und Soldaten aus der Ukraine nach Deutschland gekommen, um für ihren Verteidigungskampf zu trainieren. Auch auf dem Weg zurück in die Ukraine ist der Auftrag für den Pers Hub klar: Die ukrainischen Kräfte schnell und sicher ans Ziel bringen.
*Name geändert