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Bundeswehr in Bremen zurück in der Amtshilfe

Bundeswehr in Bremen zurück in der Amtshilfe

Datum:
Ort:
Bremen
Lesedauer:
4 MIN

Steigende Fallzahlen, Personalnot in Behörden und Einrichtungen – die Bundeswehr ist zurück in der Amtshilfe in Bremen. Im August 2022 hatte sie ihre Unterstützungsleistung im Bundesland nach 17 Monaten eingestellt, jetzt ist sie wieder da: 24 Soldatinnen und Soldaten helfen im Gesundheitsamt und in zwei Bremer Alten- und Pflegeeinrichtungen.

Soldat liest der Bewohnerin eines Altenheims vor.

Oberfeldwebel Philipp Koch von der Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt leistet Amtshilfe der besonders schönen Art. Er liest Gertrud Alex vor – die Bewohnerin einer Bremer Alten- und Pflegeeinrichtung ist stolze 100 Jahre alt.

Bundeswehr/Thomas Krey

„Am ersten Tag hatten wir eine große Scheu.“ Oberleutnant Lars Dieckmann erinnert sich noch gut an den Moment, als er und seine Kameradinnen und Kameraden die Gebäude der Alten- und Pflegeeinrichtung Friedehorst in Bremen betraten: Hier leben Menschen, die ganz besondere Aufmerksamkeit und Zuwendung verlangen. Junge, schwerstpflegebedürftige Männer und Frauen, die beispielsweise durch Unfälle Gehirnschädigungen erlitten haben. Oder auch Seniorinnen und Senioren, die wegen einer Demenzerkrankung zu Aggressionen neigen. Ausgerechnet in diesem sensiblen Bereich war an Heiligabend 2021 ein erster Coronafall entdeckt worden, dem schnell eine ganze Lawine von Infektionen folgen sollte. „Wir haben rasch gemerkt, dass wir die Lage aus eigener Kraft nicht mehr in den Griff bekommen konnten“, sagt Thomas Schächter von der Friedehorst-Geschäftsführung. Denn neben mehreren Dutzend Bewohnenden hatten sich auch 18 Mitarbeitende mit der hoch ansteckenden Omikron-Variante infiziert – mehr als ein Drittel in der betroffenen Pflegeabteilung.

Am Anfang gab es Scheu auf beiden Seiten

Ein Soldat begleitet eine Bewohnerin der Einrichtung bei ihrer Spazierfahrt mit dem Rollstuhl.

Philipp Koch begleitet eine Bewohnerin der Einrichtung bei ihrer Spazierfahrt mit dem Rollstuhl. Schnell haben die Soldatinnen und Soldaten ihre Scheu im Umgang mit Älteren und Menschen mit Hirnschädigungen abgelegt.

Bundeswehr/Thomas Krey

Seit Beginn des Jahres helfen zehn Soldatinnen und Soldaten von der Logistikschule der Bundeswehr aus Garlstedt in der Pflegeeinrichtung. „Wie gesagt, wir hatten zunächst alle eine große Scheu und wussten nicht, wie wir mit der Situation umgehen sollten“, sagt Dieckmann. Die dementen, sehr mobilen und manchmal eben auch aggressiven Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses „Promente“ in Friedehorst können weder dauerhaft Masken tragen noch sind sie in der Lage, sich nur in ihren Zimmern aufzuhalten. Für die Soldatinnen und Soldaten wie für die zivilen Beschäftigten heißt das: sie müssen zur Eigensicherung den ganzen Tag FFP3-Masken und Schutzkleidung tragen. Das sei zwar anstrengend, sagt Lars Dieckmann, die Arbeit an sich aber sei ausgesprochen erfüllend. „Wir werden wirklich gebraucht.“  Die Bundeswehrkräfte desinfizieren Kontaktflächen, helfen, die Logistik in der Küche aufrechtzuerhalten und unterstützen das Stammpersonal während der Mahlzeiten. 

So ganz direkt etwas Gutes tun“

Ein Soldat spielt mit dem Bewohner einer Einrichtung „Mensch ärgere Dich nicht“.

Wenn die Soldaten mit den Bewohnern „Mensch ärgere Dich nicht“ spielen, wird das Pflegepersonal der Einrichtung entlastet. Außerdem genießen die Bewohner den Kontakt mit den zumeist jungen Bundeswehrkräften.

Bundeswehr/Thomas Krey

In einem der vielen Nachbargebäude von „Promente“ nehmen Stabsfeldwebel Karsten Aland, Oberfeldwebel Philipp Koch und Hauptfeldwebel Rafael Scott die Aufträge für den Nachmittag entgegen. Die Aufgaben der Soldaten hier: sich um Seniorinnen oder um jüngere Bewohner kümmern, die wegen einer Hirnschädigung unter Einschränkungen leiden. Die Kameraden lesen vor, begleiten Rollstuhlfahrer auf dem parkähnlichen Gelände von Friedehorst oder tragen Wäsche aus. „Es ist schön zu spüren, wie gern wir hier gesehen sind“, sagen die Männer. „Wir können ganz direkt etwas Gutes für andere Menschen tun und haben eine echte Abwechslung zu unserem Dienst in der Kaserne.“ Die Instandsetzungs-Profis aus Garlstedt haben sich schnell in ihre neue Rolle gefunden – was auch das Personal in Friedehorst immer wieder anerkennend lobt.

Sie packen an, wo es Not tut

Zwei Soldaten desinfizieren die Handläufe in einer Einrichtung für Menschen mit Demenzerkrankungen.

Wo Menschen mit Demenzerkrankungen leben, ist regelmäßige Desinfektion unverzichtbar. Bewohner hier haben oft nicht mehr die Fähigkeit, sich an Corona-Vorgaben zu halten.

Bundeswehr/Thomas Krey

Geschäftsführer Thomas Schächter gibt zu, dass er zu Beginn des Amtshilfeeinsatzes selbst unsicher war. „Niemand wusste, wie schnell sich die Unterstützungskräfte eingliedern können und ob unser Personal die neuen Helfer akzeptiert.“ Doch auch hier haben sich anfängliche Berührungsängste schnell in Luft aufgelöst. „Es ist toll“, sagt eine Mitarbeiterin lächelnd. „Die Soldatinnen und Soldaten packen einfach an, ohne erst lange zu diskutieren.“ Auch die Tatsache, dass die Unterstützungskräfte klaglos eine Siebentage-Woche akzeptieren, ringt dem Personal Bewunderung ab.
Und was sagen die Bewohnerinnen und Bewohner? „Die sind begeistert“, erzählt Sabine Wölfl von der Pflegedienstleitung. „Niemand stört sich an der Uniform der Soldaten. Ganz im Gegenteil.“ Besonders die Bewohnerinnen würden sich über die Gesellschaft der jungen Männer freuen, die mit ihrer Arbeit die Belegschaft entlasten.

Vom guten Gefühl, wirklich helfen zu können

Eine Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes spricht mit einem Soldaten über die Corona-Entwicklung.

Im Bremer Gesundheitsamt arbeiten Soldatinnen und Soldaten und zivile Kräfte Hand in Hand. Für beide Seiten eine positive Erfahrung.

Bundeswehr/Pascal Pottmeier

Szenenwechsel: „Entlastung“ ist ein Wort, das im Bremer Gesundheitsamt derzeit besonders großgeschrieben wird. Bei einer Inzidenz von über 1.400 (Stand 13. Januar) gehört es zu den Schwerpunkten der Behörde, Corona-Ausbrüche in besonders sensiblen Bereichen nachzuverfolgen. Es geht um die Ermittlung von Übertragungswegen, die Abfrage von Symptomatik und Impfstatus sowie um die Erfassung der ergriffenen Maßnahmen etwa in Pflegeheimen. Stabsunteroffizier Tim Eckloff vom Logistikbataillon 161 in Delmenhorst ist zum ersten Mal in der Amtshilfe eingesetzt. Eigentlich schraubt der 24-Jährige an Lkw in der Kaserne, jetzt sind Akten, Computer und das Telefon sein Handwerkszeug. Im Nebenzimmer arbeitet Stabsgefreiter Savas Civelek, auch er aus Delmenhorst. Civelek ist bereits zum dritten Mal in der Amtshilfe aktiv. „Es ist ein schönes Gefühl, etwas Gutes zu tun“, sagt er. Und Tim Eckloff ergänzt: „Menschen zu helfen, die Hilfe brauchen, das motiviert.“

von Andrea Hilscher  E-Mail schreiben

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