Blue Lightning: Ein blauer Blitz in der Altmark
Blue Lightning: Ein blauer Blitz in der Altmark
- Datum:
- Ort:
- Altmark
- Lesedauer:
- 5 MIN
Ein verlassener sowjetischer Flughafen bei Mahlwinkel in Sachsen-Anhalt ist einer der zentralen Orte der Bundeswehr-Verlegeübung Blue Lightning. Hier werden 2.800 Soldatinnen und Soldaten sowie 1.200 Fahrzeuge aufgenommen, versorgt und dann zu ihren Einsatzorten durchgeschleust. Eine logistische Herausforderung. Die Spezialisten der Streitkräftebasis müssen gewährleisten, dass alle teilnehmenden Kräfte voll ausgerüstet in die Einsatzräume gelangen.
Wenn die Bewohner der kleinen Dörfer rund um Mahlwinkel im Morgengrauen aus dem Fenster blicken, sehen sie seit Tagen Panzer, Militärlastwagen oder Bundeswehr-Geländefahrzeuge auf den Straßen. Das Ziel der Konvois: Ein längst aufgegebener sowjetischer Militärflugplatz inmitten eines riesigen Waldgebiets. Lost Place wird so etwas im Internet von Foto-Fans genannt, die Bilder verfallener Gebäude einstellen. Ein Ort ohne Infrastruktur – ohne Strom, Wasser oder Beleuchtung. Ein zugewuchertes Gelände mit zahlreichen Häuserruinen, aus deren Dächern längst Bäume wachsen. Vor allem aber, ein realistischer Ort für das Üben einer Verlegung von Kampf- und Unterstützungstruppen an die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke.
Tanken in der Blue Box
Am frühen Morgen: Ein Konvoi kommt aus einem Waldweg und biegt links auf die Start- und Landebahn des ehemaligen Flugplatzes ein. Nach einem Kilometer auf der Betonpiste biegen die Fahrzeuge nach rechts in eine zweispurige mobile Tankstation ab. Hier weist Oberstabsgefreiter Marcel die Ankömmlinge in ihre Tankposition ein. Seine Hand- und Körperbewegungen erinnern an einen Flugzeugeinweiser eines USUnited States-Flugzeugträgers. „Wir können hier alles betanken, solange es ein Dieselfahrzeug ist. Abhängig von der Länge gehen hier pro Marschband locker 800 bis 1.000 Liter raus“, erklärt Marcel. Er leitet den Verkehr, gibt die passenden Tankstutzen aus, bedient die Tankpumpe, dokumentiert die ausgegebenen Kraftstoffmengen und sorgt dafür, dass immer genügend Sprit vorrätig ist. Oberstabsgefreiter Marcel gehört zum Personal der so genannten Blue Box. Das vereinfacht gesagt eine militärische Tank- und Raststätte mit Beladerampe. Im gesamten Bereich der 2.500 Meter langen Start- und Landebahn erhalten die eintreffenden Verbände in einer Versorgungsstraße nicht nur Kraftstoff, sondern auch Munition, Wasser und etwas zu essen.
Staging Area – Rasten und Munition mitnehmen
Nächste Station ist die Staging Area. Ein Bereitstellungsraum bevor die Fahrt an die Einsatzorte weitergeht. In einem Zelt voller Laptops und Plänen blickt Hauptmann Jan sehr ernst auf einen Belegungsplan für Feldbetten in den großen Übernachtungszelten am Rande der Start- und Landebahn. „Wir sind fast ausgebucht“, erklärt er kopfschüttelnd. „Wenn jetzt der nächste Konvoi zu früh kommt wird es eng.“ Wenn ein Konvoi den Platz verlässt, fährt direkt dahinter das nächste Marschband in die Staging Area und die Soldatinnen und Soldaten können die gerade frei gewordenen Feldbetten für ein paar Stunden belegen. So ist das System. Das Timing ist wichtig. Die Soldaten sollen sich ausruhen können, bevor sie an ihre Einsatzbereiche weiterfahren. Hauptmann Jan und sein Team haben in der Staging Area zahlreiche Aufgaben. Sie nehmen die Konvois an und weisen ihnen die Warteräume zu. Besonders wichtig: Sie organisieren die rechtzeitige Versorgung mit Einsatzvorräten und die rechtzeitige Abfahrt in die Einsatzbereiche.
Eine Übung ist keine Könnung
In einem Gefechtsstand in einer Halle nahe der Start- und Landebahn ist Oberstleutnant Ronny die sprichwörtliche Spinne im Netz. Ein Jahr lang hat er mit seinem Team die bundesweite Übung entwickelt und ausgeplant. Jetzt ist er der Leiter der Übung und müsste sich eigentlich zweiteilen. Pausenlos beantwortet er Fragen seiner Mitarbeitenden oder gerade angekommener Unterstützungskräfte – in einer Hand ein klingelndes Telefon, in der anderen ein piepsendes Funkgerät. Oberstleutnant Ronny und sein Team vom Logistikregiment 1 lenken 1.200 Fahrzeuge und 2.800 Einsatzkräfte, die gerade in ganz Deutschland unterwegs sind.
Kommunikation ist da extrem wichtig, um an Truppensammelplätzen und in der Staging Area in Mahlwinkel Chaos zu vermeiden und die Versorgung mit Einsatzvorräten sicherzustellen. „Im Großen und Ganzen läuft alles gut. Aber auch dieser Übung mit 2.800 Menschen passieren Dinge, wo man nachsteuern muss“, berichtet Oberstleutnant Ronny. „Das gelingt uns nicht immer auf Anhieb, denn auch wir üben. Eine Übung ist keine Könnung und wir tun das hier, um unseren Auftrag besser zu verstehen und so für einen echten Einsatz in der Landes- und Bündnisverteidigung besser gerüstet zu sein.“
Schweizer Taschenmesser in Mahlwinkel
Oberstleutnant Ronny zeigt auf deckenhohe Pläne voll mit Zeichen und Erklärungen. Alles, was an Planungen in Computern abgelegt ist, gibt es auch auf Zetteln und Karten. Denn zeitweise könnte der von mobilen dieselbetriebenen Generatoren erzeugte Strom ausfallen und dann sind analoge Pläne unverzichtbar. Auch das wird hier geübt. Oberstleutnant Ronny und sein Team stemmen Blue Lightning nicht nur mit Logistikverbänden. „Wir haben Grenadiere, die uns beschützen, ITInformationstechnik-Experten, die für Computeranbindung sorgen, wir haben die Feldjäger, die für Bewegungsfreiheit im Straßenverkehr sorgen und und und“, zählt Oberstleutnant Ronny auf. „Insgesamt ist das wie ein großes Schweizer Taschenmesser.“
Die Möglichmacher hinter den Kulissen
Nach einem langen Übungstag steht Hauptfeldwebel Cindy in der Dämmerung an einem Container und hebt Kraftstoffkanister auf ein Laufband, die dann im Container verschwinden. „In diesem Container werden leere angelieferte Kanister automatisch gereinigt und anschließend wieder befüllt“, erklärt Betriebstofffeldwebel Cindy. „Alles hier auf dem Platz braucht Diesel für die Stromgeneratoren, die für Licht, Wärme und Strom für Computer sorgen.“
Ein paar hundert Meter vor der Kraftstoffstation sorgt - trotz des nass-kalten Wetters – der Diesel von Hauptfeldwebel Cindy für Kälte. Nämlich in den Kühlcontainern der mobilen Feldküche. „Ohne Diesel und Generatoren würde es hier schwierig werden. Lebensmittel müssen gekühlt werden und die Köche brauchen Licht für ihre Arbeit“, erläutert Küchenchef Stabsunteroffizier Manuel. „Die Kochgeräte laufen mit Petroleum. Das ist bei Stromausfall kein Problem, sondern fehlendes Licht. Dann müssen die 22 Köche mit Stirnlampen kochen. Alles schon passiert.“ 2.000 Brötchen, 700 Liter Heißgetränke, zahllose Lunchpakete und warme Mahlzeiten für 1.500 Soldatinnen verlassen hier jeden Tag die Feldküche.
Wenn es dunkel ist, wird es auf dem Flugplatz bei Mahlwinkel ruhiger. Die Köche reinigen die Küche, LKW fahren für diesen Tag noch die letzten Dieselkanister aus, in den Übernachtungszelten ruhen sich Soldatinnen und Soldaten für die Weiterfahrt in ihr Einsatzgebiet am kommenden Morgen aus. Heute Nacht soll noch ein Transport mit Kampfpanzern die Staging Area erreichen. Ansonsten sehen die Anwohner auf den Straßen in den Dörfern rund um Mahlwinkel nur noch selten Militärfahrzeuge. Bis morgen früh, wenn die die nächsten Marschbänder durchrollen.