Ballistische Schutzwesten in der Feldjägertruppe
Ballistische Schutzwesten in der Feldjägertruppe
- Datum:
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- Hannover
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In den 1990ern erhielt die Feldjägertruppe Schutzwesten vorrangig für den Personenschutz, weil damals mehr Bedrohungslagen in den Auslandseinsätzen entstanden waren. Auslandsmissionen in weltweiten Konfliktregionen haben den Stellenwert von ballistischem Schutz und Stichschutz für die Unversehrtheit der Einsatzkräfte gezeigt.
Bereits im Mittelalter schützen stählerne Harnische vor Hieben, Stichen und auch eingeschränkt vor Geschossen. Heutzutage sind die Anforderungen an eine effiziente und moderne Schutzweste natürlich weitaus komplexer und anspruchsvoller. Denn, in Einsätzen werden Ordnungshüter mit Angriffen aus der Bevölkerung konfrontiert und dies häufig ohne Vorwarnung. Auch im Inland hat die Gewaltbereitschaft gegenüber Repräsentanten des Staates als Uniformträger mit hoheitlichen Aufgaben rapide zugenommen. Um dieser latenten Bedrohungslage gerecht zu werden, musste eine funktionale, gut tragbare und dennoch höchsten Schutz bietende Schutzweste für die Feldjägereinsatzkräfte gefunden werden.
„High-Tech-Körperpanzer“
Waren die ersten Schutzwesten noch schweißtreibend, starr und bewegungseinschränkend – und so als Ausrüstungsgegenstände anfänglich wenig beliebt – wurden sie jedoch respektvoll im Einsatz getragen. Spätestens seit dem Beginn des Ukraine-Krieges dürften auch die Skeptiker von den lebensrettenden Eigenschaften der Schutzwesten überzeugt sein. Eine moderne Schutzweste ist eine ballistische Schutzausrüstung, die den Tragenden bei Anschlägen, Überfällen und Angriffen vor letalen Verletzungen schützt. Man kann sie durchaus als „High-Tech Körperpanzer“ definieren, der darüber hinaus weitere Eigenschaften neben der Schutzfunktion inkludiert. Zusätzlich zur effektiven letalen Schutzfunktion gegen meistverwendete ballistische Geschosse, kann auch eine weitere Schutzkomponente gegen Hieb- und Stichwaffen integriert werden. Des Weiteren sollte eine moderne Schutzweste leicht, möglichst nicht bewegungseinschränkend und unter verschiedenen klimatischen Bedingungen für die Einsatzkräfte angenehmen Tragekomfort ausweisen.
Prüfkriterien für ballistischen Schutz
Stahl ist zwar ein Werkstoff, der sehr gute Eigenschaften gegen ballistische Geschosse aufweist, aber vergleichsweise schwer ist und die Einsatzkräfte in ihrer Bewegungsfähigkeit behindert. Moderne Fasern wie Aramid oder sogar Dyneema sind nicht nur leichter, strapazierfähiger, pflegeleichter, sondern haben auch einen besseren ballistischen Schutz. Diese modernen High-Tech-Fasern weisen extreme und nützliche Eigenschaften auf, die für die Herstellung und für das Tragen der Ausrüstung optimal geeignet sind. Der Schnitt- und Stichschutz sowie der ballistische Schutz verleihen neben der Reißfestigkeit und guter Abriebeigenschaften der Schutzweste aus den High-Tech-Fasern ihren positiven Ruf.
Ausstattung der Feldjägerkräfte
Heute sind circa 80 Prozent aller Feldjägerkräfte der Streitkräftebasis mit einer Schutzweste ausgestattet. Sie finden vornehmlich in den Feldjägereinsatzkompanien der Feldjägerregimenter, bei Eskortefahrenden, Personenschützenden und Zugriff-Teams ihre Verwendung. Die Ausrüstung „Demonstration Feldjäger“ ist ein weiteres modulares Schutzwestenkonzept für spezielle Einsatzkräfte. Die Überwurfweste wurde in der Schutzklasse „VPAM 9“ ausgeführt und bietet umfangreichen ballistischen Schutz gegen Projektile des Kalibers 308 Winchester oder 7,62 x 51 Millimeter. Sie hält auch Beschuss mit Munition russischer Bauart stand. Baukastenähnliche Körperschutzsysteme können für unterschiedliche Missionen auf- und abgerüstet werden und somit zu einem Körperpanzerungssystem aufwachsen. Die einzelnen Komponenten bestehen aus flammenhemmendem Material. Die Überwurfweste VPAM 9 ist kompatibel mit der modularen ballistischen Schutzausstattung (MOBASTModulare Ballistische Schutz- und Trageausstattung Soldat). Über diese Schutzausstattung verfügen künftig jede Soldatin und jeder Soldat einer Feldjägereinheit. Bei den Spezialisierungskräften der Feldjägertruppe wird für Zugriffs- und Durchsuchungskräfte sowie Präzisionsschützen die Schutzweste Spezialkräfte modular eingesetzt. Das aus schwer entflammbarem Material gefertigte Körperpanzerungssystem kann je nach Eskalationsstufe von VPAM 1 bis VPAM 9 aufgerüstet werden und ermöglicht auch das Tragen umfangreicher Peripheriegeräte. Hierzu zählen unter anderen eine Trinkblase, ein adaptierbarer Rucksack oder ein umfangreicher Taschensatz für weitere Utensilien. Über dieses System verfügt künftig in der Feldjägertruppe jeder aktive Zugriffsfeldwebel und jede aktive Präzisionsschützin.
Um die vielen Eigenschaften einer Schutzweste besser bewerten und vergleichen zu können, hat man für Schutzwesten verschiedene Normen aufgestellt. Neben der DINDeutsches Institut für Normung ENEuropäische Norm 16448 1-3, in welcher die Prüfkriterien für ballistischen Schutz festlegt sind, werden auch der Widerstand gegen Messer, Dorne, Ahlen, Schraubendreher, Injektionsnadeln und andere Stichwerkzeuge definiert. Im militärischen Bereich kommen häufig die Richtlinien der Vereinigung der Prüfstellen für angriffshemmende Materialien und Konstruktionen (VPAM) zur Anwendung.
„Bullet proof“ heißt nicht „kugelsicher“
Neben der ausgezeichneten Schutzausrüstung ist für die Einsatzkräfte nach wie vor Vorsicht, Umsicht und Beobachtung des Umfeldes der beste Schutz. Die in der Feldjägertruppe für unterschiedlichste Missionen genutzten Schutzwestenvarianten bilden eine solide Basis für kommende Einsatzlagen inklusive des Auftrags der Landes- und Bündnisverteidigung. Die Körperschutzfunktionen sind aufgrund der Vielfältigkeit der Aufgabenstellung in der Feldjägertruppe der jeweiligen Mission anzupassen und sind deshalb immer ein Kompromiss zwischen Beweglichkeit, Flexibilität, Schutz und Tragekomfort. Ballistische Schutzwesten sind keine Garanten der Unverwundbarkeit - helfen jedoch mögliche folgenschwere Verletzungen zu vermeiden oder zumindest abzumildern.