Bäume kann man essen
Bäume kann man essen
- Datum:
- Ort:
- Köln
- Lesedauer:
- 4 MIN
Allein in der Natur – kein Netz und keine Versorgung: Wie mache ich ein Feuer? Woher bekomme ich Nahrung? Was kann ich trinken? Vor diesen Herausforderungen stehen versprengte Soldatinnen und Soldaten, bis sie wieder Verbindung zu ihrer Truppe finden oder gerettet werden. Die SERESurvival, Evasion, Resistance and Extraction-Ausbildung bereitet sie darauf vor.
Der Dienstgrad spielt keine Rolle. Das Alter auch nicht. Versprengt – also abgeschnitten von der eigenen Truppe zu sein – das kann jeder Soldatin und jedem Soldaten passieren. Aber was dann? Wie kommt man alleine und ohne Funk- oder Handyverbindung zurecht? Antworten gibt seit 2012 die einwöchige Ausbildung SERESurvival, Evasion, Resistance and Extraction (Survival, Evasion, Resistance und Extraction). Diese dient zur Einsatzvorbereitung und stellt die Teilnehmenden vor die Herausforderungen einer Isolation. Denn SERESurvival, Evasion, Resistance and Extraction bedeutet, als versprengter oder auf sich gestellter Soldat zu überleben (Survival), dabei feindlichen Kräften auszuweichen (Evasion), Taktiken und Verhaltensweisen gegen Gefangennahme oder mögliche Verhöre zu entwickeln (Resistance) und schließlich zur eigenen Truppe zurückzukehren (Extraction). Die entsprechenden Verfahren sind in der NATONorth Atlantic Treaty Organization standardisiert. Wird im ersten Teil, SERESurvival, Evasion, Resistance and Extraction „Alpha“ genannt, viel Theorie vermittelt, so steht im zweiten Teil „Bravo“ die Praxis im Vordergrund.
Essen, Trinken, Feuermachen
„Wir haben vorher eine Packliste bekommen, auf der vor allem vermerkt war, dass unsere Handys und anderen elektronischen Geräte eingesammelt werden“, erzählt Stabsunteroffizier Christiane Thul. Die Soldatin ist Feldjäger in Mainz und besuchte im März den Ausbildungsdurchgang der Streitkräftebasis in Köln-Wahn. Sie und die anderen Teilnehmenden aus Standorten in ganz Deutschland, werden in die Lage versetzt, als wären sie im Einsatz von ihrer Einheit getrennt worden und nun in der Isolation auf sich allein gestellt. Gründe dafür gibt es im Ernstfall oder im Einsatz viele, wie etwa der Ausfall des Fahrzeugs oder ein Gefecht. „Gleich am ersten Abend fand ein Orientierungsmarsch statt. In der Nacht haben wir dann nur unseren Schlafsack auf dem Boden ausgebreitet, weil wir so müde waren“ berichtet Christiane Thul von ihrem ersten Eindruck. Am nächsten Tag ging es mit der „Feuer-Challenge“ weiter. Die Herausforderung: „In 15 Minuten soll das Feuer brennen und wer es schafft, dass es für fünf Minuten brennt, bekommt einen kleinen Preis als Motivation“, fordert Ausbilder Stabsfeldwebel Matthias Wiegand die Teilnehmenden auf. Der Preis für die oder den Schnellsten ist diesmal ein Maultaschen-Fertiggericht fürs Abendessen.
Essen finden in der freien Natur
Zubereiten – aber wie? Das ist ebenfalls Bestandteil der Ausbildung. „Hierbei geht es nicht darum, wie gut euch etwas schmeckt! Es geht allein darum, die Psyche oben zuhalten und den Mund sowie den Magen zu beschäftigen“, betont Wiegand. Er gibt ein Beispiel anhand eines Stücks Baumrinde, das man einfach von einem Baum abschlagen kann. „Diesen Teil, der zwischen der Rinde und dem Holz liegt, wird Kambium genannt und kann ohne Zweifel gegessen werden. Damit beschäftigt man den Magen und den Mund und lenkt sich so gleichzeitig ab.“ Der erfahrene Ausbilder zeigt aber auch, wie man aus der mitgeführten Notration eine einigermaßen schmackhafte und sättigende Mahlzeit zubereitet. Natürlich auf dem zuvor entfachten Feuer im vorbereiteten Versteck, dessen Aufbau ebenfalls auf dem Lehrplan steht. Genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, ist die Gewinnung von sauberer, trinkbarer Flüssigkeit. Eine schnelle Art, Wasser zu gewinnen, zeigt Hauptfeldwebel Daniel Knöpfel und zapft eine Birke an: „So gewinnt man innerhalb einer Nacht bis zu einem Liter Saft, den man ohne Probleme trinken kann.“
Ab nach Hause
Nach einer Nacht im Versteck gilt es, die Verfahren und Signale zu erlernen, die sich zum Auffinden und Retten versprengter Kräfte eignen. „Dabei sollen die Teilnehmenden lernen, dass es für die sogenannten Aufnahmeverfahren verschiedene Punkte zu beachten gibt“, erklärt Oberfeldwebel Philipp Kaiser. Er zeigt, worauf es ankommt, wenn man in einer feindlichen Umgebung aus der Isolation gerettet werden will. „Vieles kann doch ein Hinterhalt sein. Darauf muss man sich vorbereiten.“ Die verschiedenen Licht- und Rauchsignale sind NATONorth Atlantic Treaty Organization-weit verabredet und werden am dritten Tag geübt, um auf sich aufmerksam zu machen. So wissen die eigenen Kräfte, wo man sich befindet, ohne den Gegner unnötig zu alarmieren.
Gut vorbereitet
Eine SERESurvival, Evasion, Resistance and Extraction-Ausbildung behält vier Jahre ihre Gültigkeit, bevor sie wiederholt werden muss. Soldatinnen und Soldaten, die in den Einsatz gehen, müssen einen aktuellen Nachweis führen. „Konkret ist derzeit noch kein Einsatz für mich geplant“, sagt Stabsunteroffizier Thul, ist sich aber ziemlich sicher, dass es bald soweit sein könnte. „Die Erfahrung aus dieser Woche und der Isolation geben mir Sicherheit und ich denke, ich bin für den ‚Ernstfall’ gerüstet.“ Am letzten Abend tauschen sich Ausbilder und Teilnehmende nochmals aus und berichten von ihren Erlebnissen. Insbesondere die Einsatz- und Lebenserfahrung der SERESurvival, Evasion, Resistance and Extraction-Trainer macht den Unterschied von der Theorie zur Praxis.
-
Facebook Regional