„Als deutscher Soldat empfinde ich tiefe Scham …“
„Als deutscher Soldat empfinde ich tiefe Scham …“
- Datum:
- Ort:
- Berlin
- Lesedauer:
- 3 MIN
Auf Einladung des Landeskommandos Berlin fand zum Volkstrauertag 2020 eine Gedenkveranstaltung und Kranzniederlegung auf dem jüdischen Friedhof in Berlin Weißensee statt. Unter den Gästen waren u.a. der Generalinspekteur der Bundeswehr, die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages sowie der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses.
Im Ersten Weltkrieg verloren tausende deutsche Soldaten jüdischen Glaubens Ihr Leben. Trotz ihres mutigen Einsatzes wurden ihre Angehörigen später Opfer des schrecklichen deutschen Antisemitismus. Am Sonntag, 15. November 2020, kamen in Berlin zum Volkstrauertag Vertreter aus Politik, Bundeswehr und Gesellschaft zusammen, um der gefallenen jüdischen Soldaten des Ersten Weltkriegs zu gedenken.
Traditionell wird am Volkstrauertag in Deutschland aller Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht. Historisch bedingt ist dabei das Gedenken an die in den Weltkriegen gefallenen und ermordeten Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens von besonderer Bedeutung.
Gemeinsames Gedenken
Am Sonntagmorgen des diesjährigen Volkstrauertages kamen auf Einladung des Landeskommandos Berlin hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Bundeswehr, der Jüdischen Gemeinde sowie der Israelitischen Synagogen-Gemeinde zu Berlin auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee zusammen. Gemeinsam gedachten die Anwesenden – unter den einschränkenden Bedingungen von Corona – den jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkrieges. Dem Friedhof fällt eine besondere Bedeutung zu, da es sich dabei um den größten noch bestehenden jüdischen Friedhof Europas handelt. Auch wenn er bis heute von den Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde als Begräbnisstätte genutzt wird, wurde die deutliche Mehrheit der Gräber vor 1945 angelegt – damit gilt der Friedhof als Gedenkstätte für die im Holocaust ausgelöschten Leben und als Mahnmal für die Zukunft. Auf dem Friedhof befindet sich auch ein Ehrenmal für die jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Das Grabfeld mit den schlichten Gräbern wurde bereits 1914 angelegt, der monumentale Gedenkstein jedoch erst 1927 eingeweiht. Als Zeichen der Solidarität unterstützen unter anderem der Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge und die Bundeswehr seit vielen Jahren die Friedhofsverwaltung, beispielsweise durch jährliche Arbeitseinsätze zur Grabpflege.
Dem Gedenken an die jüdischen Gefallenen kommt für die Bundeswehr eine besondere Bedeutung zu. Das wurde an diesem Sonntag auch durch die Prominenz der Anwesenden deutlich. So nahmen der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhart Zorn, die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Eva Högl, der Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin, Ralf Wieland, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin, Dr. Gideon Joffe, sowie der Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, General a.D. Wolfgang Schneiderhan, an der Zeremonie teil. Der Senat der Stadt Berlin war durch den Stellvertretenden Bürgermeister, Klaus Lederer vertreten. Die Gedenkansprache hielt der Beauftragte der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit, Markus Grübel, MdBMitglied des Deutschen Bundestages.
Oberst von Blumröder, stellvertretender Kommandeur und Chef des Stabes Landeskommando Berlin, sprach die einführenden Worte: „Vor uns liegen die Gräber deutscher Soldaten jüdischen Glaubens, die in der Menschen- und Materialschlacht des Ersten Weltkrieges den Tod fanden. (…) Ich frage mich, wie entsetzlich es für die Mütter, Väter, Geschwister und Kinder dieser im Kampf für Deutschland gefallenen jüdischen Soldaten gewesen sein muss, 15 Jahre nach Kriegsende in eben diesem Deutschland Opfer von Verfolgung, Vertreibung, Folter und Vernichtung zu werden. Als deutscher Soldat empfinde ich tiefe Scham, dass Deutsche – auch Soldaten – damals wehrlose jüdische Mitbürger gezielt und grausam ermordet haben …“.
Dass den deutschen Soldaten jüdischen Glaubens eine unglaubliche Ungerechtigkeit widerfahren war, betonte auch Markus Grübel in seiner Gedenkansprache. Er stellte fest, dass sich die Hoffnung Leo Baecks, der als Feldrabbiner im Ersten Weltkrieg gedient hatte, auf eine „Vermählung des deutschen und jüdischen Geistes“ als Illusion herausstellte. Stattdessen habe der deutsche Antisemitismus erst zu Hass sowie Diskriminierung und schließlich zu Verfolgung und Ermordung geführt. Markus Grübel beendete seine Ansprache mit den Worten, dass den Verstorbenen das Gedenken gelte, und fuhr fort: „Den Lebenden gilt unsere Entschlossenheit, das jüdische Leben in Deutschland zu achten und zu stärken.“
Nicht nur die hohe Bedeutung der Gedenkveranstaltungen, sondern vor allem auch das große freiwillige Engagement der Angehörigen der Bundeswehr in den jüdischen Gemeinden zeige, wie stark die Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft inzwischen ist. Grübel wies darauf hin, dass im kommenden Jahr die ersten Militärrabbiner in der Geschichte der Bundeswehr ihren Dienst in der Militärseelsorge antreten.