Sanitätsdienst

Medizinische Unterstützung in der Krise

Medizinische Unterstützung in der Krise

Datum:
Ort:
Koblenz

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Der Sanitätsdienst der Bundeswehr ist der erste Ansprechpartner für alle medizinischen Fragen der Streitkräfte rund um das Corona-Virus. In den letzten Monaten unterstützen Soldatinnen und Soldaten des Sanitätsdienstes mit ihrer Expertise aber auch zivile Einrichtungen.

Generalarzt Dr. Backus steht vor einem Schreibtisch und unterhält sich mit einem Soldaten, der zwei Monitore vor sich hat.

Generalarzt Dr. Backus (li.) leitet das in der Koblenzer Falckenstein-Kaserne eingerichtete Einsatzführungszentrum

Bundeswehr/Michael Laymann

Als Abteilungsleiter A führt Generalarzt Dr. Johannes Backus das eigens eingerichtete Einsatzführungszentrum in der Koblenzer Falckenstein-Kaserne, in dem während der Corona-Pandemie alle Fäden zusammenlaufen. Im Interview berichtet er über die bisherigen Erfahrungen in der Corona-Krise.

von Claas Gärtner

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6 Fragen an Generalarzt Dr. Johannes Backus

Zwei Soldaten im Gespräch
Bundeswehr/Michael Laymann

Die Bundeswehr unterstützt derzeit in unterschiedlichen Bereichen das zivile Gesundheitswesen. Warum ist diese Hilfe überhaupt notwendig?

Zwei Soldaten im Gespräch

Die Corona-Pandemie stellt eine nie gekannte Bedrohungslage dar. Diese ist in Deutschland glücklicherweise nicht so ausgeprägt wie in anderen Ländern. Dennoch bedeutet sie für unser Gesundheitssystem eine große Herausforderung. Mit ihren fünf Krankenhäusern in Koblenz, Hamburg, Ulm, Berlin und Westerstede ist die Bundeswehr ja bereits Teil dieses Gesundheitssystems. Gleichzeitig haben wir als Bundeswehr und speziell wir als Sanitätsdienst Fähigkeiten, mit denen wir gerade in Krisenszenarien unterstützen können. Diese gehen weit über einzelne medizinische Geräte, wie CTs oder Beatmungsgeräte hinaus, die wir zivilen Einrichtungen zur Verfügung stellen können.

Aus meiner Sicht ist es unser medizinisches Know-how in den Bereichen Diagnostik und medizinische Beratung, mit dem wir insbesondere unterstützen können – sei es beispielsweise bei der Beratung von Gesundheitsämtern. Aber wir wirken auch in die Bundeswehr hinein. Als Sanitätsdienst sind wir die zentrale Anlaufstelle für alle medizinischen Fragestellungen der Streitkräfte rund um COVID-19Coronavirus Disease 2019.

Wie stellen Sie sicher, dass der Sanitätsdienst diesem hohen Anspruch genügen kann?

Zwei Soldaten im Gespräch

Medizinische Beratung von Entscheidungsträgern in der Bundeswehr ist und war immer elementarer Bestandteil unseres sanitätsdienstlichen Auftrags. Um diesen auch Zeiten von Corona und vor dem Hintergrund dynamischer Entwicklungen erfüllen zu können, haben wir in Koblenz ein Einsatzführungszentrum eingerichtet. Dieses ist 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche und insbesondere für sanitätsdienstliche Fragestellungen erreichbar. Dabei geht es nicht nur um ein möglichst genaues Lagebild oder um Handlungsempfehlungen oder -anweisungen für die Truppe. Es geht darum Expertinnen und Experten an einem Ort zu haben, um auch spezifische medizinische Fragen schnell beantworten können: Sind beispielsweise bestimmte Testverfahren oder medizinische Geräte für den Einsatz in der Bundeswehr geeignet?

Wie gestaltete sich der Aufbau dieses Einsatzführungszentrums?

Zwei Soldaten im Gespräch

Wir haben in unserer Grundstruktur ein ständiges Lagezentrum, in dem wir beispielsweise die MedEvacMedical Evacuation-Flüge koordinieren. Wir haben dann aber ziemlich schnell festgestellt, dass die dort vorhandenen Kapazitäten nicht ausreichten. Dies betraf zum einen die Räumlichkeiten, in denen wir den Mindestabstand zwischen den Arbeitsplätzen nicht einhalten konnten. Zum anderen aber auch hinsichtlich der Menge an Informationen, die wir verarbeiten und auswerten mussten. Diese erforderten unterschiedliche Fachexpertisen, die wir im Grundbetrieb nicht in diesem Lagezentrum vorhalten. Im jetzigen Lagezentrum sitzen in einem Zweischichtbetrieb Expertinnen und Experten von der Hygiene bis zu Reservistenangelegenheiten.

Ziel ist es, immer ein aktuelles und zuverlässiges Lagebild zu haben und, basierend darauf, Entscheidungen schnellstmöglich vorbereiten und dann auch umsetzen zu können. Der Aufwuchs des Einsatzführungszentrums geschah parallel zu den immer weiter steigenden Anforderungen und dauerte rund drei Wochen. In den letzten Wochen haben wir den Personalumfang wieder reduziert, sind aber in der Lage bei Bedarf wieder alles hochzufahren.

Konnten Sie auch in der Corona-Krise auf Ihre Erfahrungen aus den Auslandseinsätzen zurückgreifen?

Zwei Soldaten im Gespräch

Beim strategischen Patientenlufttransport haben wir umfangreiche Erfahrungen in den letzten Jahren gesammelt, sodass wir in Zusammenarbeit mit der Luftwaffe die Evakuierung der Deutschen aus Wuhan problemlos organisieren und umsetzen konnten. Erfahrungen mit einem Virus konnten wir beim Ebola-Ausbruch in Liberia 2014 sammeln. Dort waren wir mit einem Team vor Ort und richteten spezifische Diagnose- und Behandlungseinrichtungen ein. Viele der Kameradinnen und Kameraden aus dieser Mission sind auch heute wieder an Bord.

Welche konkreten Herausforderungen gab es in der Zusammenarbeit mit den anderen Organisationsbereichen?

Zwei Soldaten im Gespräch

Corona zwang die Bundeswehr, sich mit einer Situation auseinanderzusetzen, in der es nicht um Kampf oder Kampfunterstützung ging. Vielmehr ging es um eine medizinisch-gesundheitliche Lage, in der primär sanitätsdienstliche Fähigkeiten gefordert waren. Im Verlauf der Krise kamen dann aber auch wieder Fragen aus der Truppe auf. Wie kann beispielsweise unter den gegebenen Bedingungen Ausbildung stattfinden, um die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu gewährleisten. Oder wie soll Grundausbildung durchgeführt werden. Aus medizinischer Sicht ist die Verhinderung von Neuinfektionen das oberste Ziel. Stellen Sie sich vor, während einer Ausbildung infiziert ein einzelner Soldat einen ganzen Panzergrenadierzug. Die infizierten Soldatinnen und Soldaten stecken dann am Wochenende ihre Familien und Freunde an. Eine solche Situation mussten wir verhindern.

Unsere medizinischen Anweisungen, in denen wir Maßnahmen zur Verhinderung von Infektionen definierten, stellten dabei die Truppe vor teils enorme Herausforderungen und führten auch zu Diskussionen. Sie sind aber aus medizinischer Sicht der einzig gangbare Weg, auch wenn das dazu führt, dass Ausbildung nicht wie immer durchgeführt werden konnte. Ein einem Fall führte das sogar dazu, dass sich Soldatinnen und Soldaten nach einer Übung in eine 14-tägige Absonderung begeben mussten. Wir stehen aber nach wie vor in engem Austausch mit der Truppe, um situationsspezifische Lösungen zu finden. Ich denke, dass wir hier Zukunft aber noch viel mehr erklären müssen.

Die Diskussion führte aber zu einer Frage, die wir in Zukunft klären müssen: Welchen rechtlichen Stellenwert haben unsere Anweisungen? Nach unserer Lesart sind in einer Pandemie unsere medizinischen Vorgaben einer Anweisung eines zivilen Amtsarztes gleichzusetzen. Dieser kann beispielsweise im Einklang mit dem Infektionsschutzgesetz Quarantänen anordnen. Und wenn es sein muss, kann er diese auch polizeilich durchsetzen lassen. Aus unserer Sicht haben unsere Überwachungsstellen für Öffentlich-Rechtliche Aufgaben die gleichen Rechte inne und könnten somit gegen Vorgesetzte, die gegen unsere Anweisungen verstoßen, vorgehen. Das wollen wir natürlich nicht, aber wir haben eine Verantwortung gegenüber unseren Soldatinnen und Soldaten und der Gesellschaft.

Können Sie nach nun rund vier Monaten Corona schon ein erstes Fazit für den Sanitätsdienst ziehen?

Zwei Soldaten im Gespräch

Corona hat uns gezeigt, dass wir als Bundeswehr in der Lage sein sollten, Deutschland mit sanitätsdienstlichen Fähigkeiten unterstützen zu können. Dazu gehört auch eine Diskussion, ob wir als Bundeswehr zukünftig wieder selbst Medikamente herstellen können sollten. Diese werden heutzutage meist in Indien oder China produziert, was in den letzten Monaten zu Lieferengpässen führte. Gleiches gilt auch für Schutzausstattungen, die wir nur mit großem Aufwand auf dem Weltmarkt einkaufen konnten. Diese Fragen sind nicht nur für die aktuelle Krise relevant, sondern auch hinsichtlich der Ausgestaltung einer sanitätsdienstlichen Versorgung in der Landes- und Bündnisverteidigung, mit der wir uns seit zwei Jahren konzeptionell intensiv beschäftigen.

Unser Konzept des Einsatzführungszentrums hat sich grundsätzlich bewährt, aber wir werden es weiterentwickeln. Ich stelle mir vor, dass wir zukünftig Standardbausteine wie Steuerung, Führung, Leitung und Planung haben, die wir je nach Lage um fachspezifische Bausteine und Expertisen ergänzen.

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