Sanitätsdienst
Team Respect

Mit körperlicher Beeinträchtigung den dienstlichen Alltag meistern

Mit körperlicher Beeinträchtigung den dienstlichen Alltag meistern

Datum:
Ort:
Warendorf
Lesedauer:
4 MIN

Mit ihrer Unermüdlichkeit zurück zu einem selbsterfüllten Leben nach einem schweren Unfall möchte Frau Oberfeldarzt Dr. Susanne F.* auf das Thema Rehabilitation in der Bundeswehr aufmerksam machen. Sie möchte auch anderen Betroffenen, die ebenfalls körperlich beeinträchtigt sind, Mut zusprechen.

Eine Soldatin im Portrait.

Im Sommer 2005 wurde Oberfeldarzt F. von einem abbiegenden Lkw übersehen und überrollt

Bundeswehr/Thilo Pulpanek

Die selbstsichere Stimme am Telefon lässt den Gesprächspartner nicht erahnen, welches Schicksal die Person am anderen Ende der Leitung annehmen musste. Im Sommer 2005 entschloss sie sich, frühmorgens das Fahrrad zu nehmen, um von ihrer Wohnung in Würzburg zu ihrer damaligen Dienststelle als Truppenärztin nach Veitshöchheim zu fahren. Beim Überqueren einer Kreuzung wurde sie von einem abbiegenden Lkw übersehen und überrollt.

Eine andere Welt

„Danach war die Welt eine andere“, erinnert sich die Ärztin. Nach der Erstversorgung in der Universitätsklinik in Würzburg stand bereits fest, dass sich ihr Leben verändern würde. Den größten Schaden hatte ihr linkes Bein mit ausgedehnten Muskel-, Nerven- und Weichteilschäden erlitten. 

Die umfangreichen körperlichen Schäden machten es ihr zunächst unmöglich, sich eigenständig zu bewegen. Trotz aller Herausforderungen war jedoch die Eigenständigkeit ihr oberstes Ziel. Nach dreiwöchigem Aufenthalt in der Klinik in Würzburg ging es aufgrund der Komplexität der Verletzungen zur Anschlussheilbehandlung in eine Spezialklinik nach Süddeutschland. Dies war nicht nur aufgrund der Entfernung zur Familie und zu den Freunden eine herausfordernde Zeit.

Fortschritte nur sehr langsam

Der Versuch, sich selbst pflegerisch zu versorgen, war anfangs nicht nur kräftezehrend sondern auch nur mit Hilfe von Dritten möglich, sodass sie ihre ganz eigenen Erfahrungen mit ihrem Körper machen musste. Es dauerte ein dreiviertel Jahr, bis sie mit Schmerzen und körperlichem Kampf langsam Fortschritte machen konnte. Diese sahen wie folgt aus: erst aus dem Rollstuhl raus, dann in ein Laufgestell und dann der Endstand: Krücken. Mit diesen Gehhilfen und einer sogenannten Orthese wurde sie entlassen. 

„Von meiner damaligen Dienststelle erfuhr ich während meines stationären Aufenthaltes sehr großen Rückhalt“, erzählt die Ärztin dankbar. Die Rückkehr in den Dienst und in den Alltag war dennoch eine maximale Herausforderung und zeitweise gepaart mit Unsicherheit und auch Angst.

Nach der Entlassung aus dem stationären Langzeitklinikaufenthalt erfolgte im Übergang eine ambulante erweiterte Physiotherapie und anschließend die dienstliche Eingliederung unter Fortführung regelmäßiger Therapieeinheiten. Dies bedeutete für sie: Leben mit dieser Lage. Es gab zu dieser Zeit noch kein schlüssiges Konzept. Unbenommen ihrer Tätigkeit als Truppenärztin, die Patientinnen und Patienten behandelte, musste sie zudem gleichzeitig an ihre eigene Behandlungsnotwendigkeit denken. 

Ärztin und Patientin - ein Zwiespalt

Dieser über die Jahre hinweg bestehende Zwiespalt war ein ständiger Begleiter. Selbst Ärztin, sah sie sich in ihrer eigenen medizinischen Versorgung teilweise Unsicherheit und Unverständnis gegenüber. Behandelnde Ärzte deuteten an, sie müsse doch wissen, wie sie mit derartigen körperlichen Situationen umzugehen hätte. „Ich wurde eher als Kollegin und nicht als Patientin wahrgenommen, äußert sie sich über diese Situation.

Eine Soldatin legt ihre Orthese an.

Oberfeldarzt Dr. Susanne F. legt ihre Orthese an

Bundeswehr/Thilo Pulpanek

Für den Erhalt der erlangten Mobilität ist sie seit dem Unfall neben regelmäßiger Physiotherapie mehrmals im Jahr auf stationäre Rehabilitationsmaßnahmen angewiesen. Daher war es eine Katastrophe, dass ihr mit einem Mal die jährliche Rehamaßnahme in der zivilen Klinik zunächst nicht mehr gebilligt wurde. 

Intensives Rehabilitationsprogramm

Die Enttäuschung über das fehlende Verständnis trat in den Hintergrund, als sie auf ihre Bitte hin an das Zentrum für Sportmedizin der Bundeswehr überwiesen und nach einer Begutachtung in das dortige Intensivrehabilitationsprogramm aufgenommen wurde. Dort fühlte sie sich endlich rundum gut betreut und konnte sich beruhigt in erfahrene Hände begeben, erzählt sie erleichtert. 

Die größte Unterstützung erfuhr und erfährt sie noch immer von ihrem sozialen Umfeld, das bedingungslos hinter ihr steht. Die Begegnung ist nicht immer einfach, da selbst die Freizeit therapiebedingt limitiert ist. Die längerfristigen stationären Rehabilitationsmaßnahmen gehen dabei auch auf Kosten ihres Urlaubes. 

Was sie sich für die Zukunft erhofft, ist mehr Akzeptanz der Bundeswehr für Personen, die im Dienst und nicht nur im Einsatz geschädigt wurden. Sie würde statt der bisherigen Unterscheidung der Personengruppen  – Wehrdienstgeschädigte versus Einsatzgeschädigte – die Gesamtheit aller Geschädigten unter gemeinsamer Führung sehen. Zudem wäre ihr der Austausch untereinander besonders wichtig. 

Resilienz und unbändiger Wille

Susanne F. ist sehr zielgerichtet, engagiert und sportlich. Dies hat ihr geholfen, sie durch schwere Zeiten getragen und sie in vielerlei Hinsicht resilient gemacht. Als Ärztin und Betroffene ist sie der Überzeugung, dass Menschen ohne innere Stärke und ausreichende Eigeninitiative Schwierigkeiten bekommen, sich im administrativen System Bundeswehr zurechtzufinden und den erforderlichen Rückhalt zu erfahren.

Hier sieht sie im Zentrum für Sportmedizin der Bundeswehr eine große Unterstützung. Der ganzheitliche Ansatz und die Wertschätzung, die sie dort erfahren hat, haben ihr Mut gemacht und ihre Entschlossenheit gestärkt. Oberfeldarzt Dr. Susanne F sieht in der Schilderung des Erlebten die Chance, dass Kameradinnen und Kameraden in ähnlicher Situation Optimismus und Zuversicht schöpfen können, eine adäquate dienstliche Teilhabe auch mit körperlicher Beeinträchtigung zu erfahren.

von Presse- und Informationszentrum des Sanitätsdienstes der Bundeswehr