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Gamechanger Reha – wie Warendorf ein Leben verändern kann

Gamechanger Reha – wie Warendorf ein Leben verändern kann

Datum:
Ort:
Warendorf
Lesedauer:
2 MIN

Die Amputation eines Körperteils ist an sich schon ein schwerer Schlag. Wenn dann noch andere Schicksalsschläge dazu kommen, wird es schwer sich wieder in ein normales Leben zurückzukämpfen. Oberfeldarzt Martina S. hat es trotz aller Widrigkeiten geschafft.

Eine Soldatin steht vor einem Gebäude.

Kann nach dem schweren Weg zurück ins Leben heute wieder lachen: Oberfeldarzt Martina S. vor dem Sanitätsunterstützungszentrum Wilhelmshaven

Bundeswehr/Leon Rodewald

2009 änderte sich für Oberfeldarzt Martina S.* auf einen Schlag alles. Auf dem Weg nach Hamburg über die A1 fuhr sie auf der rechten Spur in einem Baustellenbereich auf ein Stauende auf. Sie bremste, doch der Lkw-Fahrer hinter ihr tat dies zu spät und erfasste das Fahrzeug von Martina S. Die Medizinerin erlitt eine komplexe Knieverletzung, bei der sowohl alle Bänder als auch die Kniearterie in Mitleidenschaft gezogen wurden. Doch durch den Unfall verlor sie auch das ungeborene Kind, das sie in sich trug. „Auch, wenn ich das Kind verloren habe, kann ich im Rückblick wirklich froh sein, dass der Unfall so glimpflich abgelaufen ist“, so Martina S.

Rechtes Knie zu schwer verletzt

Die Stabilität im Knie konnte durch mehrere Operationen wieder zurückgewonnen werden. Allerdings konnte die Durchblutung im rechten Unterschenkel nicht wiederhergestellt werden. Um den restlichen Körper vor einer Sepsis zu schützen, mussten Unterschenkel und Fuß amputiert werden. Dann begann der mühsame Weg zurück in ein normales Leben. Nach drei Monaten im Krankenhaus begann die physische Rehabilitation in einer Berufsgenossenschaftlichen Klinik. „Das kam dadurch zustande, dass ich in Elternzeit war und zum Unfallzeitpunkt einer augenärztlichen Nebentätigkeit nachging“, erklärt sie.

Zurück in die Normalität

Eine Soldatin untersucht durch ein Gerät die Augen des gegenüber sitzenden Patienten

Auch mit der Beeinträchtigung kein Problem: Oberfeldarzt Martina S. bei ihrer Arbeit als Augenärztin

Bundeswehr/Leon Rodewald

In der BG-Klinik begann die Prothesen-Anpassung. Die physische Reha lief dann auch weiter, als sie wieder daheim war. Ihr war ziemlich schnell klar, dass sie das nicht allein schaffen kann. Zu dem Zeitpunkt habe sie auch den Verlust der Schwangerschaft noch nicht verarbeitet und dringend psychotherapeutische Unterstützung benötigt.

„Vor der Traumatherapie, die mir sehr geholfen hat, wusste ich nichts mehr mit mir anzufangen.  Ich wusste nicht, wie es weitergehen soll. Ist das noch der richtige Beruf, den ich gewählt habe? Wie kann ich mein Leben fortsetzen? Solche Dinge fragt man sich dann“, erklärt Oberfeldarzt S. Nach einem Jahr anstrengender Psychotherapie war sie dann so weit, sich auch beruflich wieder einzugliedern. Glücklicherweise kann sie ihrer Tätigkeit als Augenärztin auch nach der Amputation weiter nachgehen.

von Michael Tomelzik

Gamechanger Reha

5 Fragen an Oberfeldarzt Martina S.

Eine Soldatin im Portrait.
Bundeswehr/Leon Rodewald

Was ist für Sie das Besondere an der Rehabilitation am ZSportMedBw?

Eine Soldatin im Portrait.

Das Reha-Konzept war und ist für die Einschränkungen, die ich habe, ein absoluter Gamechanger. In Warendorf hat sich so viel für mich verändert. So habe ich etwa dauerhaft Physiotherapie und Sport in meinen Alltag integriert. Das hatte ich vorher gar nicht. Ich dachte auch, dass dies nicht erforderlich wäre. Aber jetzt merke ich, dass das Älterwerden und auch die Grunderkrankung an sich Folgeschäden bedingen können. Mit diesen Schäden hat man als körperlich Beeinträchtigte nochmal mehr zu tun als normalerweise. Auch deshalb war diese Intensiv-Reha ein großer Gewinn für mich.

Wie haben Sie die erste Reha beim ZSportMedBw empfunden?

Eine Soldatin im Portrait.

Die Reha am ZSportMedBw ist mit der Rehabilitierung im zivilen Bereich überhaupt nicht zu vergleichen. Das war für mich persönlich eine totale Bereicherung. In Warendorf gibt es eine persönliche physiotherapeutische Betreuung. Und die Therapeutinnen und Therapeuten sind im Umgang mit amputierten Patientinnen und Patienten geschult. Jeder wird individuell betrachtet, um herauszufinden, wo die persönlichen Defizite liegen, woran gearbeitet werden muss. Das kannte ich aus der zivilen Reha nicht, wo unheimlich viel im Gruppenrahmen gemacht wird. Was mir auch sehr gutgetan hat, war die intensive sportliche Betätigung in Warendorf. In meinem Alltag kommt das leider etwas zu kurz. Auch im kognitiven Bereich, wie etwa bei der Achtsamkeit, der Zeit für Selbstreflexion und der Änderung von Gewohnheiten, konnte ich von der Reha in Warendorf sehr profitieren.

Wie kam der Kontakt zum Zentrum für Sportmedizin der Bundeswehr zustande?

Eine Soldatin im Portrait.

Dadurch, dass die Verletzung 2009 medizinisch durch die Berufsgenossenschaft versichert war, hatte ich erst relativ spät Kontakt zum Zentrum für Sportmedizin der Bundeswehr (ZSportMedBw). 2018 war ich erstmals auf dem Lehrgang „Soldat und Behinderung“, wo durch diverse Institutionen wie Sozialdienst, Rechtsberater und Schwerbehindertenvertretung die Rechte, Pflichten und auch Möglichkeiten zur Rehabilitation von schwerbehinderten Soldatinnen und Soldaten aufgezeigt wurden. Dort wurden auch das ZSportMedBw und die Sporttherapie vorgestellt. Da ich ja schon wieder voll im Leben stand, konnte ich mir eine Reha in Warendorf zu diesem Zeitpunkt nicht richtig vorstellen. Dennoch entschied ich mich für diesen Schritt und ließ mich dorthin überweisen.

Welche Unterstützung haben Sie auf Ihrem Weg erfahren?

Eine Soldatin im Portrait.

Zuallererst durch meine Familie! Mein Mann hat mir von Anfang an gesagt, dass es wieder ein normales Leben geben und möglich sein wird. Er ist selbst Unfallchirurg und Orthopäde. Was das für uns alle bedeutet, das hat er, glaube ich, auch nicht gewusst, aber er hat mir immer versichert, dass es wieder gut werden wird. Auch meine Mutter hat uns unterstützt, obwohl sie ziemlich weit weg wohnt. Ganz oft, wenn wir sie brauchten, ist sie gekommen und hat uns geholfen.

Empfinden Sie sich mit Ihrer Einschränkung familiär oder beruflich manchmal als das schwache Glied in der Kette?

Eine Soldatin im Portrait.

Ja, so habe ich mich gefühlt und im Prinzip ist das auch immer noch so. Ich weiß ganz genau, dass ich gewisse Dinge nicht mehr kann und nie wieder machen werde. Das ist aber ein Prozess, den man durchleben muss, ein Gedanke, auf den man irgendwann kommt: Es kann nicht das Ziel sein, wieder so zu werden wie vorher. Diese Tür ist geschlossen. Man muss die neue Tür durchschreiten und das auch wirklich wollen. Natürlich bin ich, wenn ich mich mit anderen Menschen vergleiche, körperlich nicht mehr so fähig wie vor dem Unfall.

Die wichtigen Dinge aber, wie das Kümmern um meine Kinder, waren körperlich kein Problem. Ich kann halt andere Dinge und dabei hilft mir auch mein Beruf. Schon früh war glücklicherweise klar, dass ich auch nach der Amputation meiner beruflichen Tätigkeit weiter nachgehen kann. Als Augenärztin muss ich viele spezielle Dinge können, für die aber meine körperlichen Defizite keine Rolle spielen. Das ist enorm wichtig für meine persönliche Wahrnehmung. So erfahre ich auch, dass ich eine gewisse Selbstwirksamkeit habe. Es gibt eben auch einige Dinge, die nur ich kann.

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