Taktische Medizin: Die Königsdisziplin der militärischen Notfallmedizin
Taktische Medizin: Die Königsdisziplin der militärischen Notfallmedizin
- Datum:
- Ort:
- Dornstadt
- Lesedauer:
- 3 MIN
Zehn Sanitätssoldatinnen und -soldaten üben im Team beim Ausbildungs- und Simulationszentrum Sanitätsregiment 3 in Dornstadt die Taktische Verwundetenversorgung (TVV). Neben den notfallmedizinischen Maßnahmen am Verwundeten werden sie in taktischen Szenarien unter Stress gesetzt und körperlich an ihre Grenzen gebracht.
Ein Nebelschleier zieht über den Truppenübungsplatz Lerchenfeld in Dornstadt. Es sind fünf Grad und die feuchte Kälte kriecht tief bis in die Knochen. Doch bei Oberstabsarzt Martin W. läuft der Schweiß über die Stirn, sein Atem vernebelt ihm die Sicht. Ein Kamerad wurde angesprengt, die Wucht der Explosion hat dessen rechtes Bein abgerissen. Während W. mit einem Tourniquet die Blutung stoppen will, ertönt plötzlich Maschinengewehrfeuer aus dem Wald. „Ihr müsst hier weg! Abmarschbereitschaft herstellen“, brüllt der Gruppenführer, während dieser das Feuer mit den übrigen Kräften erwidert.
Fähigkeiten werden auf die Probe gestellt
Für Oberstabsarzt W. bleibt keine Zeit. Der Arzt und der Notfallsanitäter im Trupp packen den Verwundeten und bringen ihn schnellstmöglich in die 200 Meter entfernte nächste Deckung. Dort wird dem Trupp sehr schnell klar, dass der Verwundete aufgrund seiner massiven Verletzungen im Gesicht keine Luft bekommt und der Kamerad zu ersticken droht. Unverzüglich entschließt sich Martin W. zur Koniotomie, einem Luftröhrenschnitt. Selbst unter „normalen“ Umständen zählt diese Maßnahme zu den äußersten und letzten Mitteln.
In einer Situation in mittelbarer Nähe eines Feuergefechtes und unter der Gefahr, jederzeit vor feindlichem Beschuss erneut ausweichen zu müssen, werden die Fähigkeiten des Notarztes und des gesamten Trupps auf eine noch größere Probe gestellt. Dies ist eines der Szenarien, die auf dem Lehrgang „Teamtraining Taktische Verwundetenversorgung“ (TT-TVV) beim Ausbildungs- und Simulationszentrum Sanitätsregiment 3 geübt werden. „Wir wollen, dass die Teilnehmenden dazu befähigt werden, gemeinsam im Trupp in einem taktischen Szenario miteinander zu agieren und zu bestehen“, so Oberfeldarzt Martin Teufel, Leiter des Ausbildungs- und Simulationszentrums Sanitätsregiment 3.
Gemeinsam für den Einsatz
Die Teilnehmenden sollen im Team erlernen, sich im taktischen Umfeld zu bewegen, im Team zu kommunizieren und lageangepasst zu arbeiten. Bei den Teilnehmenden handelt es sich ausschließlich um Ärztinnen und Ärzte, Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter, welche im Einsatz als mobile Trupps in der Notfallmedizin eingesetzt werden. „Anzustreben ist, dass die Besatzungen eines Beweglichen Arzttrupp (BATBeweglicher Arzttrupp) schon hier auf diesem Training gemeinsam für den Einsatz üben und sich kennenlernen und die im Training erworbenen Kenntnisse in einer Kohäsionsausbildung bzw. -übung gemeinsam mit dem jeweiligen Truppensteller weiter anwenden und vertiefen. Dies ist jedoch leider aus unterschiedlichen Gründen schwer nur selten der Fall“, führt Teufel weiter aus.
Notfallmedizin unter Stress
Das medizinische Hintergrundwissen bringen die Sanitätssoldaten durch ihre Ausbildung als Notfallsanitäter oder Rettungsmediziner mit. „Bei dem Training geht es darum, die medizinischen Fähigkeiten in einem militärischen Setting anzuwenden und in einzelnen taktischen Lagen zu verbessern“, sagt Oberstabsarzt Martin W., der als Assistenzarzt in der Abteilung Anästhesiologie eines Bundeswehrkrankenhauses eingesetzt ist und sich für einen Auslandseinsatz vorbereitet. Der Sprung vom „sterilen“ Umfeld in ein Gefechtsfeld sei für ihn nicht zu unterschätzen.
Die Lagen seien sehr dynamisch. Die Infanterie sei miteingebunden und man habe Maschinengewehrfeuer um sich herum. Er arbeite in einem fahrenden Fahrzeug, wo er sich festhalten müsse, bevor es zu Verletzungen käme. „Unter solchen dynamischen Bedingungen soll ausreichend Medizin gemacht werden.“ Das sei in vielen Situationen nicht einfach. W. aber betont: „Von Tag zu Tag sind aber deutliche Fortschritte erkennbar.“
Taktische Medizin unter Corona-Bedingungen
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Das Teamtraining taktische Verwundetenversorgung (TT-TVV) ist für das Ausbildungs- und Simulationszentrum der hochwertigste und zugleich aufwendigste Lehrgang des Ausbildungsjahres. Normalerweise werden zivile Darsteller als Verwundete eingesetzt, die mit einem professionellen Schminktrupp höchst realitätsnah geschminkt werden. Aufgrund der Pandemielage ist das Arbeiten an Menschen derzeit nicht ohne weiteres möglich. Der Lehrgang muss daher ohne Darsteller auskommen, stattdessen stützt man sich derzeit auf taktische Patientensimulatoren ab. „Die Herausforderung ist der Abstand“, so Teufel. Mit Mundschutz könne man zum Beispiel eine Bombe entschärfen. „Ich kann keinen Patienten behandeln, wenn ich zwei Meter neben dem verletzten Menschen stehen muss.“