Notfallmediziner aus Leidenschaft
Notfallmediziner aus Leidenschaft
- Datum:
- Ort:
- Ulm
- Lesedauer:
- 3 MIN
Oberstarzt Prof. Dr. Matthias Helm ist seit über 30 Jahren leidenschaftlicher Notfallmediziner. Der Klinische Direktor der Abteilung Anästhesie- und Intensivmedizin am Bundeswehrkrankenhaus Ulm steigt auch heute noch als fliegender Notarzt in den Rettungshubschrauber.
Oberstarzt Prof. Dr. Matthias Helm ist ein schlanker sportlicher Typ. Der Sanitätsoffizier hat viel erreicht. Unzählige Auszeichnungen würdigen seine Verdienste in der Notfallmedizin und für die Zusammenarbeit zwischen dem Sanitätsdienst der Bundeswehr und dem zivilen Rettungsdienst.
Alleine in den vergangenen zwei Jahren ist er mit dem Bundesverdienstkreuz, dem Deutschen Notfallmediziner-Preis und dem Bevölkerungsschutz-Ehrenzeichen des Landes Baden-Württemberg gewürdigt worden. Erfolge, die der Mediziner schätzt und dennoch zurückhaltend einzuordnen weiß: „Hinter diesen Erfolgen steht immer meine Mannschaft. Alleine schaffen Sie so etwas nicht.“
Besondere Momente
Seit 1986 ist Helm Notfallmediziner. Schon während seines Medizinstudiums absolvierte er seine ersten Rettungseinsätze. Helm schätzt die direkte Art der Medizin. Für ihn zeigen sich in der Notfallmedizin Erfolge wie Nichterfolge unmittelbar. Schließlich birgt jeder Rettungseinsatz - ob in Süddeutschland oder in Afghanistan - stets aufs Neue reichlich Stressmomente.
Trotz tausenden von Notarzt-Einsätzen bleiben dem 60-Jährigen besondere Momente in Erinnerung. Helm erzählt von einem Rennradfahrer, der eine Kollision mit einem Auto hatte. „Der Patient war dem Tode quasi schon geweiht.“ Aber das Rettungsteam mit dem Dirigenten Helm, wie er seine Funktion als Notarzt plastisch erklärt, arbeitete schnell und professionell zusammen. Schließlich bedeutet Zeit in der Notfallmedizin oft Leben. Wie durch ein Wunder überlebte der Rennradfahrer.
Tage später saß die Familie in Helms Büro und bedankte sich mit Tränen in den Augen dafür, dass die Frau noch einen Mann und die Kinder noch einen Vater haben. „Das ist einfach ein schönes Gefühl und entschädigt für die Momente, die nicht so gut gelaufen sind.“ Der Anästhesist und Notfallmediziner weiß durch seine tägliche Arbeit nur zu gut, dass der Tod zum Leben dazu gehört. Auch wenn Helm immer wieder Dankbarkeit für seine Arbeit erfährt, sieht er in den letzten Jahren auch Entwicklungen, die er kritisch betrachtet.
Einsätze in Krisenregionen
Wir haben in Deutschland eine sehr hohe Erwartungshaltung der Bevölkerung. Helm würde sich wünschen, dass der eine oder andere einmal einen Blick über die Landesgrenzen hinweg wirft. Insbesondere Helms zahlreiche Auslandseinsätze in Krisenregionen und Entwicklungsländern empfindet er als eine lehrreiche Erfahrung. „Es öffnet einem die Augen und zeigt, wie gut es uns geht und wie wichtig es ist, unsere Werte und Errungenschaften jeden Tag zu verteidigen.“
Wie unterschiedlich dabei die Wertevorstellungen sind, erfuhr er in Ostafrika bei einem Entwicklungshilfeprojekt. Die hiesigen Mediziner fanden es unverständlich, dass Deutschland so viel Geld für den Rettungsdienst ausgibt. Schließlich sei es dort selbstverständlich, dass der Patient zum Arzt kommt und nicht umgekehrt.
Mangelnde Wertschätzung
Wenn Helm auf Veranstaltungen oder Kongressen nach seinem Beruf gefragt wird, antwortet er, dass er sowohl Arzt als auch Soldat ist. Für ihn eine reizvolle, wenn auch nicht ganz spannungsfreie Rolle. In Deutschland vermisst er die Wertschätzung gegenüber den Soldatinnen und Soldaten. Ein wenig wehmütig schaut er dabei auf seine Erfahrungen in Frankreich oder den USA zurück, bei denen eine ganze Nation hinter seinen Soldatinnen und Soldaten steht. Insbesondere die Kameradinnen und Kameraden, die in den Einsatzgebieten ihren Dienst versehen, müssen die bestmögliche sanitätsdienstliche Versorgung erhalten.
„Das sind wir den Frauen und Männern schuldig.“
Insgesamt hat sich laut Helm die notfallmedizinische Versorgung in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich professionalisiert. Doch ausruhen will und kann sich der Oberstarzt nicht auf dem bisher Erreichten. Es würde seinem Selbstverständnis widersprechen, wenn Helm nicht doch noch Verbesserungspotentiale sehen würde.
3 Fragen an Matthias Helm
In den Medien liest man immer wieder von überfüllten Notaufnahmen. Melden Sie auch Land unter?
Das würde ich pauschal so nicht sagen. Wir haben in Ulm eine besondere Situation. Eine überschaubare Stadt mit zwei großen Kliniken der Maximalversorgung. Überfüllte Notfallaufnahmen, das sogenannte „crowding“, ist nur ein Symptom und die Gründe hierfür sind vielfältig. Dabei sind in erster Linie die Notfallaufnahmen der Kliniken die Leidtragenden. Ein Grund ist, dass die Patienten in Deutschland frei entscheiden können, wo sie sich behandeln lassen. Das ist in anderen Ländern anders geregelt. In Norwegen und Frankreich können sie nicht einfach ins Krankenhaus gehen und sagen: Da bin ich. Für mich ist es ein strukturelles Problem, das politisch gelöst werden muss. Da ist man aber gerade dabei.
Was treibt Sie persönlich an, die notfallmedizinische Versorgung immer weiter zu optimieren?
Das ist ein Selbstverständnis unseres Berufsbildes. Ich denke, wir haben ein sehr gutes Gesundheitssystem in Deutschland, welches außer Frage viel Geld kostet. Da dürfen die Menschen dann auch zurecht erwarten, dass wir die medizinische Versorgung auch verbessern. Das sollte immer unser Anspruch sein. Die Menschen im Land haben das verdient.