Ernährungsepidemiologe und Leutnant der Reserve
Ernährungsepidemiologe und Leutnant der Reserve
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Leutnant der Reserve Dr. Benedikt Merz ist in der zivilen Arbeitswelt Ernährungsepidemiologe. Der 36-jährige lebt in Karlsruhe, geht gerne Wandern und braut hin und wieder sein eigenes Bier. Was genau ein Ernährungsepidemiologe macht und wie er in Uniform den Landkreis Sonneberg im Kampf gegen das Coronavirus unterstützte, verrät der Reserveoffizier im Interview.
Herr Dr. Merz, Sie forschen in Ihrer zivilen Funktion als Ernährungsepidemiologe am Max Rubner-Institut (MRI), dem Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel in Karlsruhe. Was genau macht ein Ernährungsepidemiologe?
Epidemiologen beschäftigen sich allgemein mit Faktoren, welche die Häufigkeit und die Verteilung von Erkrankungen in der Bevölkerung untersuchen. In meinem speziellen Fall ist dieser Faktor die Ernährung, die das Erkrankungsrisiko an unter anderem Bluthochdruck, Typ 2 Diabetes mellitus oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen stark beeinflusst. Wir forschen hier also zu den Zusammenhängen zwischen Ernährung und deren gesundheitlichen Auswirkungen auf uns. Dabei wollen wir immer besser verstehen, wie diese Erkrankungen am besten gar nicht erst entstehen.
Darüber hinaus leiste ich als Mitarbeiter des Max Rubner-Instituts auch einen wichtigen Beitrag zur Politikberatung. Wir unterstützen und beraten als Ressortforschungseinrichtung das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Hierzu verfassen meine Kolleginnen, Kollegen und ich Stellungnahmen und Berichte zu tagesaktuellen ernährungswissenschaftlichen Themen und fassen die wissenschaftlichen Erkenntnisse hierzu für das Ministerium verständlich zusammen. Das kann von einer kleinen einseitigen Stellungnahme bis hin zum über einhundertseitigen Bericht reichen.
Wenn ich meine Recherche richtig deute, geht es bei der Ernährungsepidemiologie vordergründig um Gesundheitsprävention. Geben Sie Empfehlungen zu einer gesunden Lebensweise?
Ja und nein. Wir beraten, wie bereits kurz erwähnt, das BMEL. Das betrifft natürlich auch Fragestellungen rund um Gesundheitsprävention und gesunde Ernährung. Hier spielen unsere Berichte und Stellungnahmen mit anderen Aspekten eine wichtige Rolle.
Mit Ausnahme von manchen Veranstaltungen, an denen wir als MRI oder ich persönlich als Wissenschaftler im Rahmen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beteiligt bin, gebe ich selbst eigentlich keine Empfehlungen zu einer gesunden Lebensweise oder Ernährung. Bei Messen und Veranstaltungen wie beispielsweise der „Internationalen Grünen Woche“ in Berlin komme ich aber regelmäßig mit interessierten Verbraucherinnen und Verbrauchern ins Gespräch und werde zu diesen Themen befragt.
Die Nahrungsmittelindustrie und deren Werbung beeinflussen wohl maßgeblich die Ernährungsgewohnheiten unserer Gesellschaft. Gibt es aus Ihrer Sicht realistische Ansatzpunkte, um die Ernährung der Bevölkerung positiv zu beeinflussen?
Hier spielen sehr viele Faktoren eine Rolle, die alle für sich wichtig sind. Die Werbung ist hierbei einer von mehreren Faktoren. Ein anderer wichtiger Faktor hierbei ist beispielsweise auch das zu Verfügung stehende Einkommen für den Einkauf von Lebensmitteln. Ein Faktor, den ich persönlich für wichtig erachte, ist ein besseres Ernährungswissen durch eine vermehrte Bildung im Fach Ernährung. Wenn die Menschen besser verstehen, wie einfach und unkompliziert eine gesunde Ernährung sein kann, können wir in der Summe sehr viel erreichen – sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. Zum Beispiel gibt es flächendeckend an den Grundschulen in Baden-Württemberg den „Ernährungsführerschein“, welcher eine Maßnahme aus diesem Bereich darstellt.
Wie kamen Sie in Kontakt mit der Bundeswehr?
Nach dem Abitur trat ich als Grundwehrdienstleistender im Oktober 2004 in die Bundeswehr ein. Meine Grundausbildung inklusive des Sanitätslehrgangs absolvierte ich beim Lazarettregiment 21 in Rennerod im Westerwald. Im Anschluss wurde ich nach Koblenz zum Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, dem heutigen Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr, versetzt. Dort verbrachte ich nicht nur die restlichen sechs Monate meines Grundwehrdienstes, sondern auch eine Vielzahl von Reservedienstleistungen, welche ich vorrangig in meinen Semesterferien ableistete. In dieser Zeit trat ich in die Laufbahn der Reserveoffiziere im Truppendienst des Sanitätsdienstes ein. Nach erfolgreichen Lehrgängen an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München und Truppenpraktika in Rennerod wurde ich dann vor einigen Jahren zum Leutnant der Reserve befördert.
Sie haben im Juni den Hygieneinspektor im Gesundheitsamt des thüringischen Sonneberg während Ihrer Reservistendienstleistung unterstützt. Was waren dort Ihre Aufgaben?
Von den ursprünglich drei am Gesundheitsamt Sonneberg beschäftigten Hygieneinspektoren war zum Zeitpunkt meiner Reservedienstleistung krankheitsbedingt nur noch ein Hygieneinspektor im Dienst. Dieser musste entsprechend viele Aufgaben übernehmen und leitete ebenfalls das „COVID-Team“.
Ich war unter anderem als Bindeglied zwischen Gesundheitsamt und Krisenstab des Landkreises eingesetzt. In dieser Funktion nahm ich an den Sitzungen des Krisenstabes teil, um dort erste Einschätzungen zu tagesaktuellen Lageänderungen geben zu können.
Aus dem Sanitätsunterstützungszentrum Erfurt unterstützten auch eine Ärztin und eine Koordinatorin für Betriebliches Gesundheitsmanagement den Landkreis. Beide waren einmal wöchentlich in Sonneberg für Begehungen und die Beratung verschiedener Pflegeeinrichtungen vorgesehen. Die Termine dafür wurden von mir im Vorlauf organisiert und die Ergebnisse im Anschluss dokumentiert.
Freiwillige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landratsamtes Sonneberg aus verschiedensten Fachbereichen, wie auch die zur Kontaktpersonennachverfolgung (KPN) eingesetzten Kameradinnen und Kameraden wurden von mir geschult und in die KPN eingewiesen.
Eine weitere Aufgabe bestand im Herausarbeiten und Darstellen der epidemiologischen Zusammenhänge von Infektionen mit SARSSchweres Akutes Respiratorisches Syndrom-CoV-2 im Landkreis Sonneberg. Daher optimierte ich zuerst die Dokumentation der Fallermittlung und das zugehörige Monitoring der SARSSchweres Akutes Respiratorisches Syndrom-CoV-2-Infizierten. Diese Daten kombinierte ich anschließend in einer vereinheitlichten Dokumentationstabelle.
Was waren aus Ihrer Sicht prägende Eindrücke während der Hilfsleistung?
Die unproblematische und immer konstruktive Zivil-Militärische Zusammenarbeit war wirklich klasse. Es war ein sehr angenehmer und kollegialer Umgang trotz schwieriger und fordernder Umstände. Darüber hinaus gab es eine enorm positive Resonanz im Landkreis. Das bekam man unter anderem dadurch mit, dass Soldatinnen und Soldaten auf der Straße darauf angesprochen wurden, wie toll es sei, dass die Bundeswehr vor Ort ist und mithilft. Ein paar Kameraden sind sogar von einem dankbaren Imbissbudenbesitzer auf eine Thüringer Bratwurst eingeladen worden.
Was hat Sie dazu gebracht, diese Hilfe zu leisten?
Ich habe die Pandemie, wie jeder andere auch, über die tagesaktuelle Berichterstattung verfolgt. Als die Lage insbesondere in den europäischen Ländern rund um Italien, Spanien und dem Vereinigten Königreich drastisch schlimmer wurde, kam nahezu zeitgleich der Aufruf an die Reservistinnen und Reservisten des Sanitätsdienstes mit entsprechender fachlicher Eignung, sich für mögliche Unterstützungsleistungen zu melden. Dann stand für mich eigentlich schon fest, dass ich meinen Beitrag leisten werde, sofern es für mich eine geeignete Aufgabe gibt. Da die Infektionszahlen in Deutschland ebenfalls anstiegen, hat sich der Fachbereich für Reservistenangelegenheiten im Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr relativ schnell bei mir gemeldet.
Wie hat Ihr Arbeitgeber reagiert?
Sehr konstruktiv und entgegenkommend. Ich habe frühzeitig mit meinem Arbeitgeber abgesprochen, ob eine solche Reservedienstleistung für mich möglich wäre. Hier hatte ich von Beginn an die volle Unterstützung aller Vorgesetzten und Kollegen. Besser hätte das von dieser Seite gar nicht laufen können, da kann ich das Max Rubner-Institut nur loben.
Vielen Dank für das Gespräch Dr. Merz!