Ein Regiment in Frauenhand
Ein Regiment in Frauenhand
- Datum:
- Ort:
- Weißenfels
- Lesedauer:
- 6 MIN
Personelle Veränderung auf unterschiedlichsten Ebenen gab es bei der Bundeswehr schon immer. Bisher einmalig ist, dass alle Führungspositionen eines Sanitätsregiments durch Frauen besetzt sind. Wir sprachen mit den drei Frauen an der Spitze des Sanitätsregimentes 1 in Weißenfels und Berlin.
Was waren Ihre Beweggründe, auf diese Führungsposition zu wechseln?
Oberstarzt Dr. Krause: Kommandeurin zu werden, war spätestens seit meiner Verwendung als Kompaniechefin immer mein Wunsch gewesen. Als es dann 2018 Wirklichkeit wurde, habe ich mich sehr gefreut, ausgewählt worden zu sein. Verantwortung für Personal ist in meinen Augen die vornehmste und schwerwiegendste Aufgabe für eine Offizierin, ob nun im Einsatz oder im Grundbetrieb. Die Menschen liegen mir sehr am Herzen und ich bin der festen Überzeugung, dass unser Personal militärische Führer und Führerinnen verdient hat, die die Verantwortung gern tragen, keine Scheu auch vor unangenehmen Entscheidungen haben und einfach gern in der Truppe sind. Und das bin ich unheimlich gern, stelle aber auch fest, dass man als Kommandeurin deutlich entfernter von den Männern und Frauen ist, als das noch als Kompaniechefin der Fall war. Das fehlt mir manchmal sehr, und es schmerzt mich manchmal durchaus, dass man häufig als Blitzableiter sowohl für den unterstellten Bereich aber auch vorgesetzte Dienststellen dient.
Oberfeldarzt Heyde: Als Sanitätsoffizier ist eine solche Verwendung als Kommandeurin für mich eine Ehre. Ich schätze die Arbeit im Team, übernehme gerne Verantwortung und habe Freude daran, selber aktiv die Zukunft im Sanitätsdienst der Bundeswehr mitzugestalten.
Oberfeldarzt Dreyer: Nach jahrelanger Tätigkeit als Oberarzt im klinischen Bereich mit vielfältigen zusätzlichen Aufgaben im Bereich der Personalplanung, Teileinheitsführung, Weiterbildungskoordination eröffnet der Wechsel auf die Führungsposition als Leiterin Ausbildungs- und Simulationszentrum Sanitätsregiment 1 (AusbSimZ SanRgtSanitätsregiment 1) neue Einblicke. Hier vor allem die militärische Komponente, welche meinen Horizonte erweitert und somit die Fertigkeiten schärft.
Was ist das Besondere an Ihrer neuen Position?
Oberstarzt Dr. Krause: Obwohl die Position nun nicht mehr neu ist, ist sie immer noch eine ganz besondere. So unmittelbaren Einfluss auf viele Bereiche im Leben und der Karriere unserer Soldatinnen und Soldaten aber auch deren Berufszufriedenheit hat man wohl nur als Kommandeurin eines Verbandes. Dessen bin ich mir bewusst und versuche seit meiner Kommandoübernahme, mit Respekt und Wertschätzung aber auch der notwendigen Konsequenz meiner Verantwortung gerecht zu werden.
Oberfeldarzt Heyde: Der Führungsbereich Berlin des Sanitätsregiments 1 ist ein traditionsreicher Verband, dessen Wurzeln bis in das erste Sanitätsbataillon der Bundeswehr in das Jahr 1956 zurückreichen. Seit dem Jahr 2003 ist die Hauptstadt die Heimat des Verbandes und mit den Jahren hat sich ein reicher Erfahrungsschatz angesammelt. Das vielfältige Aufgabenspektrum ist aktuell vor allem geprägt durch die Vorbereitungen auf die NATONorth Atlantic Treaty Organization Response Force (NRFNATO Response Force) 2022-2024 und natürlich die COVID-19Coronavirus Disease 2019 Pandemie. Zu sehen, mit welcher Professionalität und Einsatzbereitschaft unsere Soldatinnen und Soldaten hier agieren, ist beeindruckend.
Oberfeldarzt Dreyer: Das AusbSimZ SanRgtSanitätsregiment 1 ist als eine einem Bataillon äquivalente Dienststelle anzusehen und somit ist mein neuer Dienstposten, als Leiterin, mit Disziplinarstufe 2 ausgestattet. Eine weitere spannende Herausforderung ergibt sich aus dem Auftrag und der damit verbundenen Personalstruktur. Hier werden im Zuge der präklinischen Ausbildung zum Teil hochqualifizierte medizinische Lehrgänge mit Fachpersonal aus dem notfallmedizinischem Bereich durchgeführt. Der allgemeinmilitärische Zug führt dagegen anspruchsvolle einsatzvorbereitende „grüne“ Lehrgänge und Schießausbildungen bis hin zur Ausbildung von Schießausbildern durch. Hier untersteht mir ein Potpourri hochqualifizierter, dienst- und einsatzerfahrener Ausbilder aus unterschiedlichen Truppengattungen wie Fallschirmjägern, Panzergrenadieren oder Feldjägern. Zusätzlich werden im Zuge der Weiterentwicklung und Ausbaustufen des AusbSimZ SanRgtSanitätsregiment 1 Lehrgänge durchgeführt, die Anteile beider Züge miteinander kombinieren. Dieses Gefüge unterschiedlicher Professionen zu koordinieren und zu führen ist eine stetige Herausforderung.
Was liegt Ihnen hier am Herzen?
Oberstarzt Dr. Krause: Unsere Soldatinnen und Soldaten, deren „Waffenstolz“ auf unsere Fähigkeiten im klinischen und präklinischen Bereich vor allem außerhalb der geschützten Umgebung der Bundeswehrkrankenhäuser, unser Selbstverständnis als Enabler der Kampftruppe im Gefecht und der damit einhergehende Anspruch an unsere persönliche Einsatzbereitschaft!
Oberfeldarzt Heyde: Die Verantwortung für die wertvollste Ressource, die wir in unseren Streitkräften haben: unser Personal.
Oberfeldarzt Dreyer: Die Möglichkeit eigene Ideen in die Entwicklung von Lehrgängen und deren Ausgestaltung einbringen zu können und damit eine stetige Verbesserung der Qualität des Ausbildungsstandes unserer Truppe zu erreichen, ist eines meiner Ziele.
Wo sehen Sie Ihren Bereich in den nächsten zwei Jahren?
Oberstarzt Dr. Krause: NRFNATO Response Force 22+ wird eine riesige Herausforderung, doch zunächst müssen wir hier viel nachholen, um die Hausaufgaben zu erledigen, die durch den massiven Einsatz im Rahmen der COVID19-Pandemie etwas vernachlässigt wurden. Ich werde dies leider nicht mehr persönlich führen dürfen, da ich ab März 2021 in eine neue Verwendung wechseln werde, und ich wünsche meiner Nachfolgerin oder meinem Nachfolger bereits an dieser Stelle viel Soldatenglück, er oder sie wird es brauchen!
Oberfeldarzt Heyde: Gut aufgestellt, unseren Auftrag im Rahmen NRFNATO Response Force wahrnehmen zu können und die damit verbundenen Herausforderungen zu meistern.
Oberfeldarzt Dreyer: Wünschenswert wäre die Möglichkeit, eine moderne, hochqualifizierte Ausbildung mit entsprechend guter personeller und materieller Ausstattung anbieten zu können.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft und den Sanitätsdienst?
Oberstarzt Dr. Krause: In erster Linie wünsche ich mir mehr Mut für klare Entscheidungen oberhalb der Ebene des Regimentes mit eindeutigen Priorisierungen und weniger „Durchreichen“ an die nachgeordneten Bereiche. Die personelle und materielle Ausstattung hoffe ich ebenfalls im Portfolio der Priorisierung weiter oben, denn ein Verband kann nur erfolgreich sein, wenn er neben modernem Material auch adäquates Personal eingesteuert bekommt und nicht immer dasselbe Schlüsselpersonal belasten muss.
Oberfeldarzt Heyde: Für den Sanitätsdienst wünsche ich mir, was sich vermutlich alle Soldatinnen und Soldaten wünschen: Die personelle und materielle Ausstattung, die uns befähigt unseren Auftrag bestmöglich zu erfüllen und eine Beschleunigung von Verfahren, damit wir flexibler und zukunftsorientierter auf den stetigen Wandel reagieren können. Unser Personal ist gut ausgebildet und motiviert. Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, die es unseren Soldatinnen und Soldaten ermöglichen, ihre Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten optimal einzubringen.
Oberfeldarzt Dreyer: Um mit der Zeit zu gehen, ist es wichtig, das gleiche Tempo anzunehmen und uns nicht durch überbordende Bürokratie ständig selbst ein Bein zu stellen. Somit sind die Entschlackung der Bürokratie und die Verschlankung des Bürokratieapparates wichtig. Berücksichtigung von Fachexpertisen aus dem aktiven Anwenderbereich bei Beschaffungsmaßnahmen. Zeitnahe, unkompliziertere Beschaffung von Material und ITInformationstechnik, damit dieses auch den aktuellen Anforderungen entspricht.
Frauen in Führungsposition, was ist das Besondere daran?
Oberstarzt Dr. Krause: Selbstverständlichkeit. Ich verweise hier auf die Utopie der Sci-Fi Star Wars Serie „The Mandalorian“, in der diverse Charaktere – egal welchen Geschlechts, Hautfarbe oder oder oder – ganz selbstverständlich Schlüsselrollen auf beiden „Seiten der Macht“ übernehmen. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, auch im Zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr.
Oberfeldarzt Heyde: Ich würde mir wünschen, dass daran bald nichts Besonderes mehr ist.
Oberfeldarzt Dreyer: Durch die bewusste Entscheidung für die Übernahme einer Führungsposition gibt es hierdurch Konsequenzen für das Privatleben. Nach meiner Erfahrung ergibt sich hier aber eine andere Herangehensweise an die Herausforderungen der Führungsposition, insbesondere eine eher von Empathie geprägte Personalführung, Teamfähigkeit und Teambildung.