Sanitätsdienst

Das Post-COVID-Syndrom in der Bundeswehr

Das Post-COVID-Syndrom in der Bundeswehr

Datum:
Ort:
Koblenz
Lesedauer:
3 MIN

Seit Beginn des Jahres 2020 beherrscht die Coronapandemie das gesellschaftliche Leben und den Klinikalltag. Eine interdisziplinäre Post-COVID-Sprechstunde der Klinik für Innere Medizin im BundeswehrZentralkrankenhaus in Koblenz beschäftigt sich seit März mit den Spätfolgen einer COVID-19Coronavirus Disease 2019-Erkrankung.

Eine Patientin liegt mit Mundschutz in einem Pflegebett

Symbolbild: Die Langzeitfolgen nach einer COVID-19Coronavirus Disease 2019 Erkrankung betrifft nicht nur Patientinnen und Patienten, die mit schweren Krankheitsverläufen im Krankenhaus behandelt werden mussten

Bundeswehr/Markus Dittrich

Die Symptomatik von COVID-19Coronavirus Disease 2019 reicht von milden und unspezifischen Symptomen der oberen Atemwege mit Husten und Fieber bis zu septischen Verläufen und akutem Lungenversagen mit tödlichem Multiorganversagen. Das aktuelle Coronavirus SARSSchweres Akutes Respiratorisches Syndrom-CoV-2 verhält sich dabei anders als jeder bekannte Atemwegserreger zuvor. Das betrifft nicht nur die Übertragung und den Verlauf der akuten Erkrankung, sondern auch die Erholung von der Krankheit, Rekonvaleszenz genannt.

Symptome noch nach der Erkrankung

Nachuntersuchungen von COVID-19Coronavirus Disease 2019-Erkrankten zeigen, dass viele Betroffene weit über die Zeit der eigentlichen Viruserkrankung hinaus symptomatisch bleiben. Häufige Beschwerden sind dabei Luftnot und ein anhaltender Erschöpfungszustand (Fatigue-Symptomenkomplex). Es kann zu bleibenden Organschäden, vor allem an Lunge und Herz, kommen. Zudem wird eine Diabetes-auslösende Wirkung von SARSSchweres Akutes Respiratorisches Syndrom-CoV-2 diskutiert. Das Post-COVID-Syndrom tritt offenbar unabhängig von der Schwere der COVID-19Coronavirus Disease 2019-Erkrankung auf, also auch bei Patientinnen und Patienten, die nur leicht erkrankt waren.

Post-COVID-Sprechstunde

Von besonderer Bedeutung ist daher eine sorgfältige Nachbeobachtung der Patientinnen und Patienten. Alle nachweisbaren Organveränderungen nach COVID-19Coronavirus Disease 2019 sollten Anlass zu einer für die jeweilige Erkrankung empfohlene Diagnostik und eventuellen Therapie geben. Des Weiteren wurden spezifische Rehabilitationsprogramme entwickelt, die atemphysiologische, muskelstimulierende und neurokognitive Komponenten beinhalten. Dem BundeswehrZentralkrankenhaus Koblenz wurden zum Jahreswechsel immer mehr Patientinnen und Patienten mit anhaltenden Beschwerden nach COVID-19Coronavirus Disease 2019 zugewiesen. Im März wurde daher eine eigene interdisziplinäre Sprechstunde in der Inneren Ambulanz eingerichtet, die von spezialisierten Fachärzten durchgeführt wird. Hierbei werden vor allem Soldatinnen und Soldaten betreut, im Einzelfall auch zivile Patientinnen und Patienten.

Nicht nur nach schweren Verläufen

Überraschenderweise handelt es sich bei den Betroffenen mit Post- oder Long-COVID nicht nur um Patientinnen und Patienten mit schweren Krankheitsverläufen im Krankenhaus, sondern häufig auch um ursprünglich nur leicht Erkrankte. Gerade die Post-COVID-Müdigkeit oder -Fatigue kann offenbar auch nach milden Verläufen auftreten. Eine einheitliche Definition für Langzeitfolgen liegt bislang noch nicht vor. Die Begriffe Post-COVID und Long-COVID werden häufig synonym verwendet und nicht eindeutig gegeneinander abgegrenzt. Die häufigsten Definitionen fassen Symptome, die später als zwölf Wochen nach durchlaufener Corona-Erkrankung auftauchen oder anhalten, als Post-COVID-Syndrom zusammen. Nach zwölf Wochen sind etwa zehn Prozent der leichter Erkrankten betroffen. Von Patientinnen und Patienten, die sich in stationärer Behandlung befanden, weisen etwa 30 bis 50 Prozent nach zwölf Wochen Symptome eines Post-COVID-Syndroms auf.

Symptome und Risikofaktoren

Die häufigsten Symptome in der Post-COVID-Sprechstunde sind Abgeschlagenheit, Ängste, Depressionen, Wortfindungsstörungen, Gedächtnisprobleme, Kurzatmigkeit, Husten, Auswurf, Geruchs- und Geschmacksstörungen, Muskelschwäche, Schlafstörungen und innere Unruhe.

Als Risikofaktoren für die Entwicklung eines Post-COVID-Syndroms können genannt werden:

  • Alter (insbesondere über 50 Jahre)
  • Geschlecht (weibliches Geschlecht in der jüngeren Altersgruppe)
  • Übergewicht
  • Asthma
  • Mehr als fünf Symptome in der ersten Woche der COVID-19Coronavirus Disease 2019-Infektion (beispielsweise Husten, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Durchfall, Geruchs- oder Geschmacksverlust)

Behandlung des Post-COVID-Syndroms

Die Behandlung von Coronafolgen am BundeswehrZentralkrankenhaus beinhaltet medikamentöse Therapieoptionen, Physiotherapie, Atemgymnastik, Konzentrationstraining und, jedoch seltener, auch eine Sauerstofftherapie. Die Zusammenarbeit erfolgt interdisziplinär im Verbund mit anderen Kliniken, insbesondere mit den neurologischen Kolleginnen und Kollegen des Hauses, aber auch mit der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde sowie mit der Radiologischen Klinik. In vielen Fällen ist aber auch Geduld ein ganz wichtiger Faktor. Es ist wichtig für die Patientinnen und Patienten zu wissen, dass es  teilweise Wochen oder Monate braucht, um wieder fit zu werden.

Erfahrungen bündeln

Betroffene des Post-COVID-Syndroms werden natürlich auch in anderen Bundeswehrkrankenhäusern und in den Facharztzentren behandelt. Es soll jetzt eine Initiative gestartet werden, um die Bemühungen der Bundeswehrkrankenhäuser und Facharztzentren zu bündeln und um Erfahrungen mit der Behandlung von Post-COVID-Patientinnen und -patienten, speziell im Kontext der Militärmedizin, auszutauschen. Auch wissenschaftliche Aspekte sollen dabei berücksichtigt werden. Das Interesse an einer bundeswehrinternen Studie zum Thema Post-COVID-Syndrom ist sehr groß. Im Herbst wird das Post-COVID-Syndrom auch auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie in Koblenz einen besonderen Stellenwert bekommen.

Niemand wird allein gelassen

Auch nach einer Corona-Erkrankung finden Soldatinnen und Soldaten bei Beschwerden immer einen Ansprechpartner. Die erste Anlaufstelle ist der Truppenarzt/die Truppenärztin, die die Erkrankten dann an die entsprechenden Fachleute in den Bundeswehrkrankenhäusern oder Facharztzentren weiterleiten.

von Dr. Frank Müller, Dr. Dominic Rauschning, Dr. Gwendolyn Scheumann, Prof. Dr. Christoph Bickel 

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