Sanitätsdienst

Interview: Basisimpfschema um COVID-19Coronavirus Disease 2019-Impfung erweitert

Interview: Basisimpfschema um COVID-19Coronavirus Disease 2019-Impfung erweitert

Datum:
Ort:
Koblenz
Lesedauer:
4 MIN

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Am 24. November 2021 wurde das Basisimpfschema der Bundeswehr um die COVID-19Coronavirus Disease 2019-Schutzimpfung erweitert. Im Interview erläutert Oberstarzt Prof. Dr. Kai Kehe, Unterabteilungsleiter VI im Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr, die Bedeutung des Basisimpfschemas für die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte und die Beweggründe für die Aufnahme der COVID-19Coronavirus Disease 2019-Schutzimpfung.

Zwei Hände halten eine Injektionsspritze, bei der die Kanüle in einem kleinen Gläschen steckt

Das Basisimpfschema der Bundeswehr wurde um die COVID-19Coronavirus Disease 2019-Impfung erweitert

Bundeswehr/Tom Twardy

Herr Oberstarzt, Sie tragen die fachliche Verantwortung für das Basisimpfschema. Welche Impfungen fallen darunter?

Bisher umfasste das Basisimpfschema Impfungen gegen die Infektionskrankheiten

  • Tetanus (Wundstarrkrampf)
  • Diphtherie (alte Bezeichnungen sind etwa „Halsenge“ oder „Hundswürger“)
  • Poliomyelitis (Kinderlähmung)
  • Pertussis (Keuchhusten)
  • Mumps-Masern-Röteln (MMR)
  • Hepatitis A und B (verschiedene Formen der virusbedingten Leberentzündung)
  • sowie Influenza (echte Virusgrippe).

Mit Ausnahme der Impfung gegen Hepatitis A und gegen Influenza sind diese Impfungen übrigens auch Bestandteil des durch die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKOStändige Impfkommission) öffentlich empfohlenen Impfprogramms für Kinder und Erwachsene. Bei der Impfung gegen Hepatitis A und Influenza handelt es sich um Impfungen, die aufgrund einer bestimmten Indikation empfohlen werden und bei Angehörigen der Streitkräfte aufgrund ihres Einsatzprofils oder der bundeswehreigentümlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen nicht fehlen dürfen.

Zusätzlich zum bisherigen Basisimpfschutz ist jetzt die Aufnahme der Impfung gegen COVID-19Coronavirus Disease 2019 (Auslöser ist das Virus SARSSchweres Akutes Respiratorisches Syndrom-CoV-2) – inklusive deren Auffrischungen („Booster“) – erfolgt.

Warum ist das Basisimpfschema von besonderer Bedeutung?

Die Impfungen des Basisimpfschemas schützen vor Infektionserkrankungen, die jederzeit auch in Deutschland auftreten können, da der Erreger entweder überall verbreitet ist, wie etwa bei Tetanus, oder in der Bevölkerung fortgesetzt zirkuliert, wie bei Diphtherie, MMR oder Hepatitis A oder B. Regelmäßig ist auch in Deutschland mit einem saisonalen Auftreten bestimmter Infektionskrankheiten zu rechnen (Influenza). Andererseits können aber auch in Deutschland nicht (mehr) heimische Krankheitserreger wie der der Kinderlähmung jederzeit aus Ländern, in denen der Erreger noch zirkuliert, wieder eingeschleppt werden.

Der Umstand, dass die STIKOStändige Impfkommission bestimmte Impfungen „öffentlich empfiehlt“ liegt zum einen in der individuell hohen Gefährdung durch einen schweren, mitunter tödlichen Krankheitsverlauf wie bei Tetanus, Diphtherie, Masern oder Folgeschäden (z.B. Polio), zum anderen durch die Gefährdung durch chronische Krankheitsverläufe einschließlich deren Langzeitfolgen wie bei Hepatitis B.

Ein bereits für die Öffentlichkeit empfohlener Impfschutz sollte gerade für die Bundeswehr als Einsatzarmee selbstverständlich sein. Der militärische Auftrag erlaubt häufig nicht, den Kontakt von militärischem Personal mit Infektionserregern zuverlässig zu vermeiden, weswegen Soldatinnen und Soldaten aufgrund dessen und wegen ihres Tätigkeitsprofils Krankheitserregern unter Umständen deutlich intensiver ausgesetzt sind als Zivilpersonen. Mit Impfungen stehen jedoch Maßnahmen zur Verfügung, durch die sich die Angehörigen von Streitkräften dennoch sehr zuverlässig vor zahlreichen Infektionserkrankungen schützen können.

Was waren die Argumente für die Aufnahme der Impfung gegen COVID-19Coronavirus Disease 2019 in das Basisimpfschema?

Prof. Dr. Kehe steht in Luftwaffenuniform mit einem Headset ausgestattet in einem Konferenzraum

Oberstarzt Prof. Dr. Kai Kehe, Unterabteilungsleiter VI im Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr

Bundeswehr

COVID-19Coronavirus Disease 2019 hat seit seinem Erstauftritt in Deutschland vor eindreiviertel Jahren den gesamten Dienstbetrieb der Bundeswehr hinsichtlich Ausbildung, Übung, Einsatzdurchführung, kurz: die gesamte Erfüllung des militärischen Auftrags, massiv eingeschränkt und erschwert. Anders als die Influenza handelt es sich bei COVID-19Coronavirus Disease 2019 um eine ganzjährig auftretende und im Einzelfall schwer und gegebenenfalls tödlich verlaufende Infektion, gegen die nichtpharmazeutische Maßnahmen wie AHA-L (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske, Lüften) zwar eine deutliche, jedoch keineswegs zuverlässige Schutzwirkung bedingen. Insofern als auch junge und grundsätzlich gesunde Soldatinnen und Soldaten bei Infektion mit hoher Wahrscheinlichkeit erkranken, besteht daher stets das Risiko, dass Personal gerade dann krankheitsbedingt ausfällt, wenn dieses am dringendsten benötigt wird. Auch über längerfristige Folgen, etwa das Long-COVID-Syndrom, liegen bereits erste Erkenntnisse vor.

Maßnahmen wie AHA-L erschweren in großen Teilen der Truppe den Dienstbetrieb in maßgeblicher Weise. Eine Bundeswehr, die sich dauerhaft im Homeoffice befindet, wird ihrem Auftrag kaum in der geforderten Weise nachkommen können wie zuvor. Es bestehen also genügend Gründe, die COVID-19Coronavirus Disease 2019-Impfung zum Bestandteil des Basisimpfschemas zu machen, wenn es darum geht, zu einem halbwegs normalen Dienstbetrieb zurückzukehren. Inzwischen ist bekannt, dass der Impfschutz der COVID-19Coronavirus Disease 2019 Grundimmunisierung nach etwa einem halben Jahr deutlich nachlässt, weswegen auch Auffrischungsimpfungen in den durch die STIKOStändige Impfkommission empfohlenen Abständen notwendig sind. Dies entspricht exakt dem Vorgehen wie bei allen anderen in der Bundeswehr duldungspflichtig angewiesenen Impfungen auch. Im Übrigen wäre es im Rahmen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Soldatinnen und Soldaten nicht zu vertreten, wenn dieser sein Personal nicht bestmöglich vor potentiell gefährlichen, gleichwohl vermeidbaren Erkrankungen schützt.

Wie bewerten Sie den Eingriff des Dienstherrn in die Grundrechte der Soldatinnen und Soldaten?

Gemäß Paragraf 17a Soldatengesetz besteht bereits seit Anbeginn der Bundeswehr eine Duldungspflicht gegenüber Impfungen. Insoweit ist das Grundrecht des Soldaten eingeschränkt. Bei sämtlichen der Duldungspflicht unterliegenden Impfungen wird immer auf die Verhältnismäßigkeit der jeweiligen Maßnahme geachtet, insbesondere, ob alternative und gleichwirksame Methoden der Infektionsvermeidung zur Verfügung stehen. Da Impfungen in aller Regel die wirksamste Schutzmaßnahme vor Infektionen darstellen, kann die Impfung meist nicht durch adäquat wirksame alternative Maßnahmen ersetzt werden.

Personal der Streitkräfte muss zum einen verlässlich einsetzbar sein und darf nicht durch prinzipiell vermeidbare Infektionserkrankungen zu einem Zeitpunkt ausfallen, zu dem es gerade besonders dringend benötigt wird. Wie bereits ausgeführt braucht niemand eine Bundeswehr, die nur im Homeoffice vor COVID-19Coronavirus Disease 2019 halbwegs geschützt ist. Die Wiederherstellung eines geregelten Dienstbetriebs der Bundeswehr einschließlich aller hierfür notwendigen Teilelemente wie Ausbildung, Übung und Einsatzdurchführung hat – nachdem die verfügbaren Impfstoffmengen nun auch die Impfung der bisher nicht priorisierten Bundeswehrangehörigen ermöglichen – jetzt oberste Priorität.

Wie bei jeder anderen Impfmaßnahme kann es auch im Zuge einer COVID-19Coronavirus Disease 2019-Impfung selten zu Schäden im Sinne einer Impfkomplikation kommen. In einem derartigen Fall sind Soldatinnen und Soldaten durch den Dienstherrn im Sinne des WDBWehrdienstbeschädigung-Verfahrens versorgungsrechtlich abgesichert.

von Presse- und Informationszentrum des Sanitätsdienstes der Bundeswehr

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