Sanitätsdienst

50 Jahre Luftrettungszentrum Ulm - Notfallmedizinische Innovation

50 Jahre Luftrettungszentrum Ulm - Notfallmedizinische Innovation

Datum:
Ort:
Ulm
Lesedauer:
5 MIN

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Zum Auftakt der neuen Serie „Zur Tradition und Geschichte des Sanitätsdienstes“ geht es um ein ganz besonderes Jubiläum: Heute vor 50 Jahren wurde der erste Einsatz eines Rettungshubschraubers vom Luftrettungszentrum Ulm geflogen, welches dann am 2. November 1971 offiziell in Dienst gestellt wurde.

Rettungsdienstpersonal vor einem Rettungshubschrauber

Seit 50 Jahren unterstützt die Bundeswehr den zivilen Rettungsdienst in der Luftrettung.

Bundeswehr/Dr. Björn Hossfeld

Dies war der Auftakt einer Erfolgsgeschichte von Pionierleistungen und der Entwicklung notfallmedizinischer Innovationen in zivil-militärischer Zusammenarbeit. Die Etablierung der Luftrettung im damaligen Bundesgebiet resultierte aus der seit den 1960er Jahren immer rasanter zunehmenden negativen Entwicklung der Verkehrssicherheit. Mit zunehmendem Bestand motorisierter Fahrzeuge stieg die Anzahl der Verkehrstoten stetig an und erreichte im Jahr 1970 mit 21.332 Opfern ihren traurigen Höhepunkt.

Keine Zeit zu verlieren

Dies führte seitens der Bundesregierung zu Überlegungen, dass sich auch der Sanitätsdienst der Bundeswehr an bestimmten und auszuwählenden Schwerpunkten am zivilen Rettungsdienst beteiligen sollte. Den damaligen Chefarzt des Ulmer Bundeswehrkrankenhauses, Oberstarzt Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Ahnefeld veranlasste dies, bei Verteidigungsminister Helmut Schmidt vorzusprechen, um ihm die Wichtigkeit und die Vorzüge eines von der Bundeswehr betriebenen Luftrettungszentrums darzulegen. Ahnefeld verfolgte mit seinem Vorschlag eine doppelte Intention. Neben dem Ziel der Verringerung der Anzahl der Verkehrstoten sah er für das medizinische Personal des Sanitätsdienstes die Chance, den „Ernstfall“ zu üben und durch die tägliche Arbeit am Patienten besser auf den realen Einsatz vorbereitet zu sein.

Das Test-Rettungszentrum Ulm

Sein Ansinnen fiel auf fruchtbaren Boden; im Mai 1971 genehmigte das Bundesministerium der Verteidigung zunächst für sechs Monate den Betrieb des neuen Test-Rettungszentrums in Ulm. Und so bereiteten sich ab Juli 1971 die für das Ulmer Rettungszentrum ausgewählten Bundeswehrärzte und -sanitäter bei der Berufsfeuerwehr in München auf einem einwöchigen Lehrgang über „Technische Hilfe am Unfallort“ vor und sammelten anschließend dort erste eigene praktische Erfahrungen.

Erster Einsatz

Der erste Einsatz eines Rettungshubschraubers in Ulm erfolgte am 9. August 1971. Hierfür wurde eine vom DRKDeutsches Rotes Kreuz-Landesverband Baden-Württemberg zur Verfügung gestellte Maschine vom Typ Alouette II genutzt. Offiziell in Betrieb genommen wurde das Test-Rettungszentrum am 2. November 1971. Da der eigentlich dafür vorgesehene Hubschrauber vom Typ BO-105 nicht fristgerecht ausgeliefert werden konnte, übernahm das in Penzing bei Landsberg stationierte Hubschraubertransportgeschwader 64 (später zweite Staffel des Lufttransportgeschwaders 61 (LTG61)) mit dem gerade neu in die Bundeswehr eingeführten Hubschrauber vom Typ Bell UH-1D die Rettungsflüge.

SARSearch and Rescue Ulm 75, oder auch Mathilde

Mehre Personen die an einem verunfallten Auto arbeiten, im Hintergrund steht ein Rettungshubschrauber

Die „SARSearch and Rescue Ulm 75“ („Mathilde“) mit Besatzung im Einsatz bei einer Unfallstelle.

Bundeswehr

Die Luftwaffe stellte fortan den Hubschrauber und das fliegerische Personal, das Bundeswehrkrankenhaus Ulm die medizinische Besatzung. Neben dem „Christoph 1“ des ADAC in München gab es in Ulm nun den zweiten Rettungshubschrauber in Deutschland. Er erhielt den Funkrufnamen „SARSearch and Rescue Ulm 75“. Inoffiziell nannte man ihn liebevoll „Mathilde“. Zudem wurden ein Arztwagen und ein Rettungswagen der Bundeswehr in Ulm in Dienst gestellt. Während der Testphase kehrte der Rettungshubschrauber jeden Abend nach Dienstschluss zum Fliegerhorst Landsberg/Lech zurück, auf dem das LTGLufttransportgeschwader 61, zu dessen SARSearch and Rescue-Staffel „SARSearch and Rescue Ulm 75“ gehörte, stationiert war. Da dieses Vorgehen bald als zu kosten- und zeitintensiv erachtet wurde, erfolgte im März 1972 die dauerhafte Stationierung von Hubschrauber und Besatzung in der Ulmer Wilhelmsburg-Kaserne.

Notfallmedizinische Innovationen aus Ulm

Das Luftrettungszentrum Ulm leistete wichtige Pionierarbeit und half, ein damals bestehendes gravierendes Manko zu reduzieren. Denn es war den Feuerwehren und dem strukturell recht schwach aufgestellten Rettungsdienst oft nicht möglich, die Unfallorte innerhalb einer aus medizinischer Sicht akzeptablen Zeitspanne zu erreichen. Hinzu kamen Schwächen in der damaligen Organisation der präklinischen Notfallmedizin. Den Rettungsdiensten kam in erster Linie eine Transportfunktion zu, während vor Ort kaum medizinische Maßnahmen ergriffen wurden. Eine nicht unerhebliche Sterblichkeit der Patienten war die Folge.

Ulmer Koffer

Die Ulmer Crew hingegen arbeitete im Rahmen ihrer Einsätze ständig daran, die Versorgung der Notfallpatienten zu optimieren. So kreisten ihre Gedanken schon früh um die Frage, welche Minimalausrüstung erforderlich war, um Unfallpatientinnen und -patienten außerhalb der Klinik zu stabilisieren. Die Idee entstand, statt der damals üblichen, zu kleinen und nicht ausreichend robusten ledernen Taschen der Hausärzte, einen stabilen und gleichzeitig leichten Koffer aus Aluminium zu entwickeln, der das nötige Equipment fasst und ein zügiges Arbeiten an der Einsatzstelle gewährleistet. Der so benannte „Ulmer Koffer“ ist heute noch ein feststehender Begriff im Rettungsdienst, auch wenn inzwischen mehr auf Rucksäcke zum Transport der Ausrüstung gesetzt wird.

Enge Zusammenarbeit mit der Feuerwehr

Weitere Innovationen entsprangen der engen Zusammenarbeit mit der Ulmer Feuerwehr. Beide Partner entwickelten ein transportables feuerwehrspezifisches Notfallpaket. So wurde bereits in den ersten Jahren, als modernes technisches Rettungsgerät noch nicht bei allen Feuerwehren verbreitet war, ein mobiler Hydraulik-Kompressor mit Schere und Spreizer, der erste in Europa, samt zwei Feuerwehrkameraden zu Verkehrsunfällen mit eingeklemmtem Patientinnen und Patienten geflogen. Bis zum Eintreffen weiterer Rettungskräfte am Einsatzort war man also schon in der Lage, umfangreiche Rettungsmaßnahmen durchzuführen.

Nach 32 Jahren übernimmt der ADAC

In den 1990er Jahren übernahmen zivile Luftrettungsbetreiber wie die Deutsche Rettungsflugwacht und die ADAC Luftrettung immer mehr Standorte. So konnte auch in Anbetracht des zunehmenden Engagements der Bundeswehr in internationalen Auslandseinsätzen, in denen Hubschrauber und fliegerische Besatzungen gebunden waren, der Beitrag der Bundeswehr zur zivilen Rettung ab 1992 schrittweise reduziert werden. Nachdem bereits am BundeswehrZentralkrankenhaus in Koblenz eine Kooperation mit der ADAC Luftrettung gGmbH eingegangen worden war, verabschiedete sich am 31. März 2003 auch „SARSearch and Rescue Ulm 75“ nach 32 Jahren vom Ulmer Bundeswehrkrankenhaus. Seitdem stellt der ADAC einen BK-117-Hubschrauber (heute Airbus Helicopters H145) und die Piloten.

Christoph 22

Die medizinische Crew des Rettungshubschraubers stellt weiterhin die Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie des Ulmer Bundeswehrkrankenhauses. Derzeit sind es 18 Notärztinnen und -ärzte sowie sieben Notfallsanitäterinnen und -sanitäter. Heute hebt der Ulmer Rettungshubschrauber, der mittlerweile „Christoph 22“ gerufen wird, im Durchschnitt zu vier Einsätzen pro Tag ab. Im Jahr 2020 war der Helikopter bei 1.478 Einsätzen unterwegs.

Win-win Situation

Ein Mann im Anzug der in ein Mikrofonspricht

Luftrettungspionier Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Ahnefeld (1924-2012) bei einer Veranstaltung anlässlich des Jubiläums "40 Jahre Luftrettung" im Jahre 2011".

Bundeswehr/Dr. Björn Hossfeld

Oberstarzt Prof. Dr. Ahnefeld hatte Bundesverteidigungsminister Schmidt im Jahre 1970 nicht zu viel versprochen. Das Luftrettungszentrum Ulm war und ist in der Lage, einen signifikanten notfallmedizinischen Beitrag im Südwesten der Republik zu leisten. Sowohl bei Verkehrsunfällen als auch anderen medizinischen Notfällen wie beispielsweise Herzinfarkten und Schlaganfällen. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr kann hierdurch wertvolle praktische Erfahrungen in den Techniken und Methoden der mo­dernen Notfallmedizin sammeln und diese in die Ausbildung und die personelle und materielle Planung des militärischen Sanitätsdienstes übertragen.

Paradebeispiel für zivil-militärische Zusammenarbeit

Umgekehrt kommen Unfallopfern durch die Bundeswehr in militärischen Auslandseinsätzen erworbene Kompetenzen wie z.B. neueste Techniken zur Blutungsstillung zugute. Mit Fug und Recht kann man daher konstatieren, dass das Luftrettungszentrum Ulm, welches noch heute für Innovationen im Rettungsdienst steht, ein Paradebeispiel für eine erfolgreiche zivil-militärische Zusammenarbeit ist, die zudem das Bild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit in äußerst positiver Weise prägt.

von Andreas Biebricher

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