Sprachkompetenz im digitalen Zeitalter
Sprachkompetenz im digitalen Zeitalter
- Datum:
- Ort:
- Hürth
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Bei seinem Besuch des Bundessprachenamtes informierte sich Generalleutnant Klaus von Heimendahl, Abteilungsleiter Personal im Bundesministerium der Verteidigung, auch über die Möglichkeiten neuer Technologien in den Bereichen Sprachmittlung und Sprachausbildung.
Das Bundessprachenamt ist beim Übersetzen an der Spitze der Bewegung
Beate Kuhl, Referentin aus der Abteilung Sprachmittlerdienst, berichtete von Heimendahl, wie der Einsatz Künstlicher Intelligenz das Übersetzen von Texten verändern wird. Bisher verwendeten die Experten mit dem Programm „Trados“ eine Software, die bereits übersetzte Texte durchsucht und Übereinstimmungen vorschlägt, die dann übernommen, bearbeitet oder abgelehnt werden können. Seit Mitte Juli 2020 testet das Bundessprachenamt das neuronale maschinelle Übersetzen. Dabei lernen Algorithmen aus den vorhandenen Daten und versuchen, passgenaue Übersetzungen zu liefern. „Wir müssen die Maschine mit bereits vorhandenen Übersetzungen trainieren, damit sie mit unseren Texten funktioniert“, erklärte Kuhl. Dabei greifen die Spezialisten auf den Datenschatz des Bundessprachenamtes zurück, dem größten Datenbestand an Übersetzungen in Europa nach der Europäischen Kommission.
„Sie werden sich fragen, warum wir nicht vorhandene, internet-basierte Software nutzen“, nimmt Kuhl eine mögliche Frage des Generals vorweg und beantwortet diese sogleich: „Aus Sicherheitsgründen. Wir übersetzen hier vertrauliche Texte, die z.B. die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr, die Rüstungskontrolle oder Verteidigungskooperationen betreffen.“ Deshalb wird ein eigenes System im eigenen Netz mit eigenen Servern benötigt.
Noch ist es Zukunftsmusik, aber perspektivisch könnte das neuronale maschinelle Übersetzen in allen Sprachen möglich sein, die das Bundessprachenamt anbietet. Zurzeit übersetzen die Experten in und aus mehr als 25 Sprachen - von Arabisch bis Ungarisch - rund 116.000 Seiten im Jahr. Überflüssig werden die Menschen durch die Maschine nicht. „Es wird immer Zwischentöne geben, die nur Menschen verstehen und übersetzen können“, weiß Maria-Anna Wessel, Vizepräsidentin des Bundessprachenamtes. Generalleutnant von Heimendahl zeigte sich beeindruckt.
Attraktives Sprachenlernen mit neuen Technologien
Auch in der Sprachausbildung setzt das Bundessprachenamt auf die Begleitung des Unterrichts mit modernen Technologien. Davon konnte sich von Heimendahl bei seinem Besuch überzeugen. Carsten Brückner, Wissenschaftliche Fachkraft in der Abteilung Sprachausbildung, präsentierte eine Handy-App für Französisch, mit der Soldaten und Soldatinnen alltägliche Sprachwendungen, aber auch militärische Fachbegriffe nachschlagen können. Der elektronische Kurzsprachführer wurde im Bundessprachenamt inhaltlich konzipiert und verfügt sowohl über eine Aussprachehilfe als auch über Vokabelübungen. Ähnliche elektronische Kurzsprachführer bietet das Bundessprachenamt auch in weiteren Sprachen an.
Als zentraler Sprachendienstleister für die Bundeswehr und den öffentlichen Dienst ist das Bundessprachenamt an mehr als 60 Standorten in ganz Deutschland vertreten; an über 30 Standorten - von der Zentrale in Hürth bei Köln bis Dresden und von Flensburg bis Oberammergau - werden jährlich über 15000 Angehörige der Bundeswehr sowie der Bundes- und Landesressorts in mehr als 50 Sprachen ausgebildet. Lehrgangsbegleitend kommen dabei auch Übungsangebote auf der internetbasierten Lernplattform „Moodle“ des Bundessprachenamtes sowie Tablets für verschiedene Formen der Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb des Klassenraums zum Einsatz. Während der Hochzeit der Corona-Pandemie im März/April 2020 konnten Sprachkurse nicht im Präsenzunterricht stattfinden. Zur Abfederung der Einschränkungen setzten die Lehrer und Lehrerinnen des Bundessprachenamtes verstärkt die Lernplattform ein und betreuten die Teilnehmenden online beim Selbststudium mit Hilfe von digitalen Medien. Dazu Vizepräsidentin Wessel: „Wir haben alle Formen der Digitalisierung genutzt, um den Unterricht auch über Distanz aufrecht zu erhalten.“ Seit kurzem fährt das Bundessprachenamt die Präsenzausbildung wieder hoch – wenn auch corona-bedingt in reduzierter Form. Beschäftigte der Bundeswehr und des öffentlichen Dienstes werden wieder vor Ort an nahezu allen 32 Standorten in ganz Deutschland in Fremdsprachen unterrichtet.
Internationalität und Sprachenvielfalt
Eine Besonderheit der Sprachausbildung ist die Schulung von jährlich bis zu 600 Lehrgangsteilnehmenden aus aller Welt in Deutsch als Fremdsprache. Diese findet vor allem im Rahmen der militärischen Ausbildungshilfe und -unterstützung statt. Sie soll Angehörige ausländischer Armeen befähigen, sich während der folgenden Ausbildung in der Bundeswehr verständigen zu können. Darüber hinaus dienen die Kurse dazu, Netzwerke mit Staaten außerhalb der NATONorth Atlantic Treaty Organization zu knüpfen. Der Generalleutnant besuchte bei seiner Visite auch Teilnehmer an einem solchen Sprachlehrgang und nutzte die Gelegenheit zum Gespräch mit den internationalen Gästen. Das Herzstück der Sprachausbildung ist der Lehrgang General-/ Admiralstabsdienst international (LGAI). Hier lernen zurzeit 55 Stabsoffiziere aus über 30 Ländern Deutsch, um später die Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg zu besuchen.
Umfassende Unterstützung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr
Über 2.700 deutsche Soldatinnen und Soldaten sind zurzeit im Auslandseinsatz. Damit sie sich in den jeweiligen Einsatzgebieten mit Soldatinnen und Soldaten anderer Nationen und mit der einheimischen Bevölkerung verständigen können, haben sie die Möglichkeit, im Rahmen der Einsatzvorbereitung an einer Sprachausbildung teilzunehmen. Diese absolvieren sie an einem der Ausbildungsorte des Bundessprachenamtes.
Weltweit werden deutsche Soldaten und Soldatinnen im Auslandseinsatz vom Bundessprachenamt zuverlässig unterstützt. Dies geschieht durch die Entsendung von Stammpersonal und von Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern, die vom Bundessprachenamt einen mandatsgebundenen Arbeitsvertrag erhalten haben, sowie durch Reservedienst Leistende und aktive Soldatinnen und Soldaten mit fachspezifischen Sprachkenntnissen. Einer von ihnen ist Soumaila Konaté. Der gebürtige Nigrer mit deutscher Staatsbürgerschaft spricht viele westafrikanische Sprachen und begleitete bereits mehrfach als Oberleutnant der Reserve die Bundeswehr in Mali. „Es ist wichtig, die kulturellen Gepflogenheiten zu kennen“, weiß der studierte Bauingenieur, „und auf Augenhöhe mit der Bevölkerung zu reden, um einsatzrelevante Informationen zu gewinnen.“ Mit großem Engagement berichtete Herr Konaté Generalleutnant von Heimendahl von seinen persönlichen Erfahrungen – vor allem von der gelebten Kameradschaft sowie von der hohen Wertschätzung der Arbeit des Sprachendienstpersonals, das vor Ort eingesetzt wird.
EUTMEuropean Union Training Mission Mali ist eine von sieben Missionen, zu denen das Bundessprachenamt insgesamt 130 Beschäftigte entsendet, die im Wechsel auf rund 40 Sprachmittlerstellen in 11 Sprachen eingesetzt werden. Neben der fremdsprachlichen Ausbildung und der Entsendung von Personal in die Einsatzgebiete unterstützt das Bundessprachenamt auch durch Übersetzungen und Dolmetscheinsätze im Inland. Das würdigte von Heimendahl ausdrücklich: „Der Einsatz von Sprachmittlern des Bundessprachenamtes ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für das internationale Krisenmanagement. Sie unterstützen mit Ihrer Arbeit die Soldaten und Soldatinnen im Einsatz und schaffen im wahrsten Sinne des Wortes internationale Verständigung.“
Generalleutnant von Heimendahl dankte allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundessprachenamtes für ihren Einsatz zu Corona-Zeiten und den Einblick in ihre Arbeit: „Für eine erfolgreiche Einbindung in internationale Bündnisse und Organisationen ist ein professioneller Sprachendienstleister wie das Bundessprachenamt von zentraler Bedeutung.“