Von Yaoundé an die Waterkant
Von Yaoundé an die Waterkant
- Ort:
- Hürth
- Lesedauer:
- 6 MIN
Sie trägt Bundeswehrflecktarn und hat ihre komplette soldatische Ausbildung in der Bundeswehr absolviert, aber ihre Dienstgradabzeichen mit brüllendem Löwen zeugen von ihrer kamerunischen Heimat. Kadett Fanne Belal (20) kommt aus dem Norden Kameruns. 2016 trat sie in der Hauptstadt Yaoundé in die Armee ihres Landes ein, um Offizier zu werden. Der Weg zu ihrem großen Ziel führte die junge Frau zunächst zur Sprachausbildung am Bundessprachenamt in Hürth.
Jedes Jahr kommen im Rahmen der militärischen Ausbildungshilfe kamerunische Offiziersanwärter nach Deutschland, um ihre Offiziersausbildung bei der Bundeswehr zu absolvieren. Belal ist groß gewachsen, offen und herzlich, sehr an anderen Menschen und Kulturen interessiert – und eine Frau: genau genommen die Erste aus ihrer Heimatregion, die Offizier der kamerunischen Armee wird. Ihre Vorgesetzten wollen sie erstklassig ausbilden und fördern, damit sie ein Vorbild für andere junge Frauen werden kann. „Ich glaube, darum hat man mich nach Deutschland geschickt“, meint sie lächelnd.
Am Anfang eines langen Weges: Sprachausbildung in Hürth
Ihre erlebnisreiche Zeit in der Bundeswehr begann am 5. Oktober 2016 am Flughafen Köln/Bonn in einem weißen Bundeswehrtransporter, der sie zum Bundessprachenamt nach Hürth bringt. Für die damals 18-Jährige ein großer Schritt, alleine in einem neuen Land und fern von der eigenen Familie sowie ihren fünf Schwestern und einem Bruder.
„Für mich war die erste Zeit nicht leicht. Ich war die einzige Frau im Lehrgang und habe gemerkt, wie anders als Kamerun Deutschland ist. Zum Beispiel gab es abends kaltes Abendbrot. Das war sehr ungewohnt für mich“, erinnert sich Belal mit einem Schmunzeln. Zunächst hat sie viel Kontakt mit anderen frankofonen Lehrgangsteilnehmern und die Angst, dass sie die anspruchsvolle Sprachausbildung nicht gut schafft.
„Aber diese Zweifel habe ich zur Seite geschoben und es geschafft, weil es nur Kopfsache ist. Ich sagte mir, es lohnt sich nicht in Deutschland französisch zu sprechen!“, beschreibt sie den Entschluss sich voll in die Sprache und Kultur zu stürzen. „Von da an bin ich in der freien Zeit viel rausgegangen, raus aus der Stube und auf die Straße, um die Welt kennenzulernen, die Leute zu sehen, mit ihnen zu sprechen.“ Ihre größte Motivation sei ihr Vater, der sie bedingungslos in ihrem Traum Offizier zu werden unterstütze: „Ich spüre eine große Verantwortung für ihn, für meine ganze Familie und die Menschen zu Hause.“
Zweite Heimat auf Zeit: Das Bundessprachenamt
Die Sprachausbildung am Bundessprachenamt bietet vielfältige Möglichkeiten, sie nutzte die Bibliothek, das Internet – und machte so rasch Fortschritte. Gemeinsam mit einem Bundespolizisten, der beim Bundessprachenamt französisch lernt, hat sie ein Sprach-Tandem gebildet. Gegenseitig unterstützten sie sich beim Lernen und der damals 23-Jährige lud Belal über Weihnachten zu seiner Familie ein. „Das war echt – wow. Als Muslimin kannte ich Weihnachten nur aus dem Fernsehen und es dann in einer Familie mit den deutschen Traditionen mitzufeiern, war ein tolles Erlebnis!“.
Ihre Lehrer erinnern sich mit Freude an die wissbegierige und fleißige Schülerin. Bei Oberstleutnant Wolfhart Rakebrandt lernte die Kamerunerin erste militärische Begriffe, gleich auf Deutsch, denn in den fünf Monaten als Soldatin in Yaoundé hatte sie noch keine Grundausbildung genossen. Rakebrandt ist Lehrstabsoffizier und damit für die militärfachlichen Aspekte der Sprachausbildung zuständig: „Kadett Belal war eine hervorragende Lehrgangsteilnehmerin! Weil sie so gut war, habe ich sie mit großer Freude im Jahr nach ihrer Sprachausbildung eingeladen, beim Kadetteninformationstag die Offizierausbildung vorzustellen“.
Auch Belal zieht ein positives Fazit ihrer ersten zehn Monate in Deutschland: „Nicht nur der Unterricht zu militärfachlichen Begriffen bei Herrn Rakebrandt war lehr- und abwechslungsreich und hat großen Spaß gemacht – alle meine Lehrer am Bundessprachenamt waren toll!“ Doch dies ist erst der Anfang, denn ihre Sprachausbildung war nur der erste Schritt auf einer langen Reise, die sie nach militärischen Ausbildungen in Hammelburg und Dresden bis an die Waterkant führt – zum Feldjägerdienstkommando Wilhelmshaven.
Nach der Sprachausbildung am Bundessprachenamt ging es für Belal zunächst nach Hammelburg. Die grüne Ausbildung hält einige Entbehrungen für die Soldatin bereit: „Mein Motto war immer – Sport ist Mord,“ scherzt sie. Weiter ging es für Belal dann nach Dresden zur Offizierausbildung. „In meinem Hörsaal habe ich echte Kameradschaft kennengelernt. Wir haben nicht nur Hörsaalabende gemacht, sondern sind auch zusammen in den Klettergarten gegangen“, berichtet die junge Frau von den anspruchsvollen sechs Monaten mit Fächern wie Wehrrecht, Taktik und Geschichte.
Nur die Leistung zählt – und der Chef ist eine Frau
Besonders habe sie fasziniert, dass in der Gruppe kein Unterschied zwischen Frauen und Männern spürbar gewesen sei. „Selbst manche Verwandte von mir gönnen mir nicht, Offizier zu werden, weil sie glauben, dass sei nichts für Frauen. Das motiviert mich zusätzlich und ich finde es sehr gut, dass Geschlecht in der Bundeswehr keine Rolle spielt.“
Seit August ist nun die Feldjägerkompanie am Marinestützpunkt in Wilhelmshaven die neue Heimat für die Kamerunerin. Schon nach wenigen Wochen sagt sie voller Überzeugung: „Ich fühle mich als Teil der Feldjägereinheit!“ Diese Einschätzung unterstreicht ihre Chefin, Hauptmann Claudia Brettschneider: „Als Kompaniechefin kann ich mich voll auf Kadett Belal verlassen. Sie ist äußerst motiviert und ich habe überhaupt keine Bedenken, sie rauszuschicken.“ Brettschneider setzt Belal tagesaktuell so ein, dass sie verschiedene Aspekte des Feldjägerwesens kennenlernt. Belal berichtet, sie habe am Anfang sehr viel Neues gelernt: „Zum Beispiel dachte ich, Feldjäger sind wie Polizisten, aber ich habe schnell verstanden, dass sich die Aufgaben sehr stark unterscheiden“. Bis dato hat sie in ihren Einsätzen bei vier Aufgabenbereichen mitgewirkt: Verkehrskontrolle, Streife, Absicherung und Nachforschung. „All diese Aufgaben machen mir Spaß, weil sie so abwechslungsreich sind. Das motiviert und macht Lust weiter zu machen“, beschreibt die Offiziersanwärterin ihren Dienst.
Voller Einsatz dank guter Ausbildung
„Ich war absolut positiv überrascht, wie gut Frau Belal deutsch kann. Das spricht für eine tolle Ausbildung beim Bundessprachenamt und ist sehr hilfreich, um sie in unseren Aufgaben voll einsetzen zu können. Denn für uns Feldjäger ist Kommunikation sehr wichtig, ob im Kontakt mit Polizeibehörden oder zum Beispiel bei der Nachforschung“, fasst Brettschneider ihre Eindrücke zusammen. Bald wird Belal in Kamerun zum Leutnant befördert, dann wird ihr bei den Wilhelmshavener Feldjägern mehr Verantwortung übertragen. Für die erste Kompaniechefin der Feldjäger kein Problem – „Das traue ich ihr absolut zu“, betont Brettschneider. Und für Belal das Schönste, was sie sich aktuell vorstellen kann: „Wilhelmshaven ist so schön! Erst wusste ich gar nicht, wo es liegt, aber als ich die Schiffe im Hafen gesehen habe, wollte ich sofort hierbleiben. Ich habe auch schon eine Führung auf einer Fregatte bekommen, so etwas kann ich nur hier in Deutschland erleben!“
Die Kamerunerin ist überzeugt, dass ihre Erfahrungen ohne den Spracherwerb nicht möglich gewesen wären. „Dass das Bundessprachenamt einen Preis für die Ausbildung in Deutsch als Fremdsprache bekommen hat, freut mich total – meine Lehrerinnen und Lehrer haben das auf jeden Fall verdient!“, spricht‘s und eilt in ihrer Bundeswehruniform durch den Wilhelmshavener Regen auf die nächste Streife.