Offiziere mit Herz und Verstand - Studieren bei der Bundeswehr
Offiziere mit Herz und Verstand - Studieren bei der Bundeswehr
- Datum:
- Ort:
- Hamburg
- Lesedauer:
- 4 MIN
Kurz vor neun an der Helmut-Schmidt Universität (HSU) in Hamburg: Auf dem „Roten Platz“ herrscht reges Treiben. Aktentaschen unter den Arm geklemmt oder den Rucksack lässig auf der Schulter, eilen die Studierenden zu ihren Hörsälen. Bei einigen vertreibt ein Kaffee „to go“ den kurzen Schlaf der letzten Nacht. Andere sitzen in der Cafeteria oder in der Bibliothek, unterhalten sich, essen oder lernen für die nächste Prüfung.
Der „Rote Platz“ ist eigentlich ein mit rotem Teppich ausgekleidetes offenes Treppenhaus im Zentrum des Hauptgebäudes der HSU. Hier laufen sternförmig die Gebäude der Fachbereiche zusammen, schlägt das Herz eines lebendigen akademischen Betriebs. Hier steht die Büste Helmut Schmidts, Stifter der Universitäten der Bundeswehr und Namensgeber für die HSU.
Und hier treffe ich Leutnant zur See Pascal Wöhler, der mich mit einem breiten Lächeln begrüßt.
Donnerstag ist „IGFIndividuelle Grundfertigkeiten-Tag“
Wie die meisten der rund 2.500 Studierenden trägt er heute den Flecktarn der Bundeswehr, Kampfstiefel und Kopfbedeckung inklusive. „Heute ist IGFIndividuelle Grundfertigkeiten-Tag“, meint er ganz selbstverständlich, bemerkt meinen ratlosen Blick, und ergänzt: „Jeden Donnerstag haben wir Gelegenheit, unsere militärischen Fähigkeiten zu trainieren, meist am Nachmittag. An diesen Tagen tragen wir Uniform, auch im Unterricht.“
IGFIndividuelle Grundfertigkeiten bedeutet individuelle Grundfertigkeiten der Soldaten – Sport, Schießen, Taktik. Auch während des Studiums halten sich die studierenden Offiziere fit und einsatzbereit: „Jedes Jahr müssen wir nachweisen, dass wir sämtliche geforderte Leistungen erbracht haben, so ähnlich wie beim Deutschen Sportabzeichen“, erklärt Wöhler.
Ihr Training organisieren sie selbst, gründen Kurse und Arbeitsgemeinschaften, treffen sich zum Sport oder bilden sich gegenseitig aus und weiter. Die Methode hat System, denn hier studieren künftige Führungskräfte, die nach ihrem Masterabschluss verantwortungsvolle Aufgaben in den Streitkräften übernehmen.
Offiziere brauchen akademisches Handwerkszeug
Ihre Zeit an der Universität bereitet sie darauf vor, dieser Verantwortung gerecht zu werden: Herz und Verstand brauche man als Offizier, meint Oberst Bjarne Krause. Für den Leiter des Studierendenbereichs sind Persönlichkeitsentwicklung und Charakterbildung ebenso ein Ziel der akademischen Ausbildung wie Fachwissen und Methodenkompetenz.
Beides sei unerlässliches Handwerkszeug für das Führungspersonal einer modernen Armee: „Die Studierenden lernen hier wissenschaftliche Methoden kennen, die sie sowohl im akademischen Betrieb, als auch in der zukünftigen militärischen Verwendung zielgerichtet nutzen können“, erläutert Krause.
Eine Besonderheit des Studiums als Offizier der Bundeswehr: Die Universitäten sind zivil strukturiert. Sie stehen auch Studierenden offen, die nicht zur Bundeswehr gehören. Für die studierenden Soldatinnen und Soldaten gibt es einen militärischen Anteil, zuständig für die militärische Ausbildung und Disziplin.
Verantwortung übernehmen und Teamwork erleben
In den ersten Jahren wohnen die Studierenden größtenteils auf dem Campus der HSU. In ihren Wohnbereichen sind sie weitgehend unabhängig. Jeder übernimmt Aufgaben für die Gemeinschaft, sie organisieren Küchen- und Ordnungsdienste, Veranstaltungen und Feiern. Sie unterstützen sich beim Lernen und lösen die alltäglichen Probleme, die das Leben in einer Wohngemeinschaft mit sich bringt.
Wöhler ist als Wohngruppenältester für die Einhaltung der Regeln zuständig und der erste Ansprechpartner für seine militärischen Vorgesetzten. Die Wohngruppenältesten sorgen dafür, dass das Zusammenleben funktioniert. Gewählt werden sie von den Gruppenmitgliedern.
Eine Gemeinschaft für´s Leben
Die Kameradschaft und Gemeinschaft, die er in der Truppe und jetzt auch im Studium erlebt, waren für Wöhler ein zentrales Motiv, sich für die Bundeswehr zu entscheiden: „Ich bin als Einzelkind aufgewachsen und die Vorstellung, in der sehr teamorientierten Bundeswehr zu arbeiten, hatte deshalb vielleicht eine besondere Faszination für mich„, reflektiert der junge Offizier.
Dass sich dieser Wunsch bisher erfüllt hat, merkt man spätestens, wenn man ihn zusammen mit seinem Kameraden Leutnant Evgeniy Schönenbach erlebt. Beim „IGFIndividuelle Grundfertigkeiten-Marsch“ wird nicht nur stramm marschiert, sondern auch viel gelacht, offensichtlich geht es hier nicht nur um strenge militärischen Ausbildung, sondern auch um einen willkommenen Ausgleich vom Studienalltag.
Straffes Studium mit Blick über den Tellerrand
Im Studium absolvieren die jungen Offiziere ein straffes Programm. Studiert wird in Trimestern, ihren Master machen sie bereits nach vier Jahren. Dazu kommen noch IGFIndividuelle Grundfertigkeiten und interdisziplinäre Studienanteile, in denen sie bewusst über den Tellerrand ihrer Fächer blicken.
So hat sich Wöhler neben seinem Studium der internationalen Politik auch für einen Kurs der Fachrichtung „Biomechanik“ eingeschrieben. Er freut sich auf neue Einblicke und Erfahrungen. „Bummeln ist uns nicht gegeben„, bestätigt Wöhler, aber dies sei durchaus gerechtfertigt, schließlich erhalte man als Studierender bei der Bundeswehr ein gutes Gehalt und habe anschließend eine sichere Berufsperspektive.
Nach dem Studium: Eintauchen in eine neue Welt
Für die Zeit nach dem Studium hat er bereits eine klare Vorstellung, will U-Boot-Fahrer bei der Marine werden. Passend zu seinem persönlichen Motiv, denn Gemeinschaft und Teamwork erlebt man auf dem begrenzten Raum eines Schiffes wohl so intensiv wie sonst selten, selbst in der Bundeswehr.
Vorher gilt es aber noch eine weitere Hürde zu nehmen, denn sein gerade erworbener Bachelorabschluss ist nur ein Zwischenschritt zum voll ausgebildeten Offizier der Bundeswehr. Erst wenn er auch den Masterabschluss erfolgreich bestanden hat, wird er als junge Führungskraft zurück in die Truppe gehen.