Was hat Sie bewogen, als Berufssoldat ein nebenberufliches Studium der Psychologie zu beginnen?
Die Erfahrungen aus dem ersten Einsatz und die gute Einbindung durch meinen damaligen Vorgesetzten, der mich irgendwann fragte, ob ich mir nicht vorstellen könnte, Psychologie zu studieren. Das musste erst noch etwas reifen, aber letztlich habe ich dann während meines zweiten Afghanistan-Einsatzes die Entscheidung gemeinsam mit meiner Frau getroffen. Das Masterstudium konnte ich vor Kurzem erfolgreich beenden.
Was hat Sie motiviert, ein Medizinstudium bei der Bundeswehr anzutreten?
Ich helfe gerne Menschen und wollte schon lange Medizin studieren. Ich war freiwillige Schulsanitäterin und habe gemerkt, dass mir das Freude macht. Das will ich jetzt als Offizierin bei der Bundeswehr weiterführen. Dabei reizen mich neben dem Medizinstudium vor allem die Führungsverantwortung und die körperliche Herausforderung als Soldatin. Das will ich meistern und auch daran wachsen. Dass ich über die Bundeswehr außerdem gute Studienbedingungen habe und auch finanziell auf eigenen Füßen stehe, hat mir die Entscheidung leicht gemacht.
War Ihnen mit dem Wechsel zur Truppenpsychologie bewusst, dass dies häufige Einsätze mit sich bringt, und wie sind Sie damit umgegangen?
Das war es und das wurde mir auch von Anfang an offen kommuniziert. So konnten meine Frau und ich uns frühzeitig und intensiv damit beschäftigen, wie sie den „Einsatz zu Hause“ mit zwei kleinen Kindern meistern kann. Ich habe anfangs alle Schritte mit meiner Frau, später dann im „Familienrat“ auch mit den mittlerweile älteren Kindern besprochen. Wir haben immer alles abgewogen und dann gemeinsam entschieden. Das war sehr wichtig, insbesondere bei Einsätzen mit kurzer Vorbereitungszeit, die in meinem Bereich vorkommen können. Auch versorgungsrechtliche Dinge wie ein Testament oder eine Patientenverfügung wurden im Vorfeld geklärt. Heute gibt es dafür ein gutes Standard-Tool: die sogenannte „Kaltstartakte“. Da wurde vieles optimiert, wohl auch durch unsere Nachbereitungsseminare nach jedem Einsatz, bei denen wir unter anderem über unsere Erfahrungen sprechen, aber auch Feedback geben.
Wann ist Ihnen erstmals wirklich bewusst geworden, was das heißt, dass Ihr Vater Soldat ist und in den Einsatz muss?
Den ersten Einsatz meines Vaters habe ich im Alter von fünf Jahren zwar miterlebt, jedoch war das für mich nicht wirklich greifbar. Das veränderte sich mit den Folgeeinsätzen deutlich. Je älter ich wurde, umso mehr Sorgen machte ich mir auch. Auch Freunde haben da öfter mal nachgefragt, wie es ist, wenn der Papa in so gefährlichen Ländern unterwegs ist. Meine ersten Erinnerungen sind aber schöne Erlebnisse bei der Familienbetreuung. Ich kann mich noch an einen Besuch im Zoo und an einen im Flughafen mit einer wirklich spannenden Führung erinnern.
Was waren besondere Herausforderungen für Sie und Ihre Familie?
Insbesondere im ersten Einsatz waren längere Zeiten außerhalb des „sicheren“ Camps eine hohe Belastung für meine Frau. In diesem Fall half aus meiner Sicht nur das Verständnis für die Gefühle des anderen. Ich konnte meiner Frau ihre Sorgen nicht nehmen, aber es war unser oberstes Ziel, diese nicht auf die Kinder zu projizieren. Dass die Eltern meiner Frau in der Nähe leben, hat es etwas einfacher gemacht. Das hat Freiräume ermöglicht und Sicherheit gegeben, dass jemand da ist, der notfalls helfen kann. Mein Sohn wurde während des ersten Einsatzes zwei Jahre alt, auch das war vorher Thema. Sein liebstes Geburtstaggeschenk war übrigens eine Sendung von Papa aus Afghanistan.
Wie hat Ihre Expertise aus der Truppenpsychologie Ihnen in dieser Situation geholfen?
Aufgrund meiner Berufserfahrung wusste ich, wie wichtig eine offene Kommunikation zu Hause ist, auch um die nötige Vernetzung und soziale Einbindung zielgerichtet zu aktivieren. Ich habe zu Hause viel über die verschiedenen Unterstützungsmöglichkeiten der Bundeswehr gesprochen, die ich ja gut kannte, also beispielsweise Familienbetreuung oder Sozialdienst. Aber auch unser gesamtes Umfeld war eine Stütze. Mein Vorgesetzter hat sich telefonisch nach dem Wohlbefinden der Familie erkundigt, und meine Frau wurde durch Familie, die Nachbarschaft und Freunde unterstützt. Ich habe im Vorfeld Gespräche mit den Klassenlehrerinnen und Erzieherinnen der Kinder geführt und gebeten, auf Auffälligkeiten während meiner Abwesenheit zu achten und um Unterstützung, wenn es nötig wäre. Das war es dann zum Glück nicht, hat uns allen aber Sicherheit gegeben. Da hat wirklich vieles sehr gut funktioniert und dafür sind wir dankbar.
Wie war das für Sie, im „Einsatz zu Hause“, was hat Ihnen und Ihrer Familie dabei geholfen?
Ich denke, der Austausch im Vorfeld war gut und wichtig. Papa hat uns immer gefragt, ob es für uns wirklich okay wäre, wenn er wieder in den Einsatz geht. Wenn er weg war, gab es immer ein Glas mit Süßigkeiten. Daraus durften mein Bruder und ich uns täglich ein Teil rausnehmen. Da konnten wir miterleben, wie lange Papa noch weg ist. Dass Mama das Glas manchmal wieder etwas aufgefüllt hat, haben wir als Kinder noch nicht mitbekommen. Wir haben uns auch immer über Päckchen und Postkarten aus dem Einsatz gefreut. Aber auch die Päckchen, die wir geschickt haben, haben uns beim gemeinsamen Packen Freude bereitet. In den letzten Einsätzen konnten wir dann fast täglich telefonieren oder skypen. Das Schönste waren aber natürlich unsere Familienurlaube nach dem Einsatz, wenn Papa heil zurück war.