Die Frauen sind da: Erste Kommandeurin der Logistik
Die Frauen sind da: Erste Kommandeurin der Logistik
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Frau Oberstleutnant Anja Buresch-Hamann ist die neue Kommandeurin des Logistikbataillons 172 in Beelitz. Damit ist sie die erste Bundeswehr-Logistikerin, die eine solche Stellung innehat. Aber eine Pionierin zu sein, damit kennt sie sich aus.
Schon früh wusste die gebürtige Erfurterin, dass sie Soldatin werden wollte. Aufgewachsen in einer Familie, die bereits seit drei Generationen Offiziere stellt, war für sie schnell klar, ihr Weg wird zu den Streitkräften führen.
Zu dieser Zeit bestanden jedoch für Frauen in der Bundeswehr nur die Optionen Sanitätsdienst oder Militärmusikkorps. „Leider bin ich überhaupt nicht musikalisch. Aber ich hätte den Weg in den Musikdienst gemacht, einfach um Soldat werden zu können“, sagt Buresch-Hamann lachend. Zum Glück musste die junge Frau damals kein Instrument mehr erlernen, denn im Jahr ihres Abiturs entschied der Europäische Gerichtshof über die Öffnung der deutschen Streitkräfte für Frauen. Für die damals 19-Jährige standen also alle Wege in der Bundeswehr offen.
Neue Spezies „Soldatin“
Als eine der ersten Offizieranwärterinnen überhaupt begann sie als Schütze also ihre Grundausbildung im oberpfälzischen Kümmersbruck. Das Interesse der Öffentlichkeit an der neuen Spezies „Soldatin“ war damals enorm. Die Verantwortlichen waren sich dessen bewusst. Sie entschieden sich aber dafür, dieses Geschehen von den Rekrutinnen und Rekruten fern zu halten. Die heutige Frau Oberstleutnant bewertet das im Nachhinein positiv: „Ich glaube, dass ich Glück hatte mit dem Bataillon. Wir waren relativ viele Frauen und der Kommandeur hatte die mediale Aufmerksamkeit von uns bewusst ferngehalten, um sicherzustellen, dass wir uns auf die Ausbildung konzentrieren können.“
Zwischen Souveränität und Unsicherheit
Und der Umgang innerhalb der Bundeswehr mit den neuen Soldatinnen? Buresch-Hamann erinnert sich an die problematische Infrastruktur am Standort. So gab es keine Toiletten oder Duschen für Frauen. Daher wurden die Toiletten aufgeteilt und duschen musste man in Schichten. Die direkten Vorgesetzten seien relativ souverän mit der Situation umgegangen. Aber generell schien es doch noch Unsicherheiten zu geben: Es gab extra Seminare für männliche Vorgesetzte, wie mit Frauen umzugehen sei, so Buresch-Hamann. Mit fügt einem Augenzwinkern fügt sie noch hinzu:
Wir waren ja auch Schwestern, Freundinnen und Lebensgefährtinnen. Also nicht das große unbekannte Wesen, zu dem wir manchmal gemacht worden sind.
Das Motiv, die erste Frau bei etwas zu sein, zieht sich seit dem ersten Tag durch den Dienstalltag der 38-Jährigen: Eine der ersten Frauen beim Einzelkämpferlehrgang, als Zugführerin, Kompaniechefin. Eine der ersten beim Generalstabslehrgang national und sogar international. Ist das nicht manchmal auch anstrengend? Oberstleutnant Buresch-Hamann kann das bestätigen: „In den einzelnen Dienststellen war es schon mitunter herausfordernd. Manchmal hieß es dann: ‚Da kommt ´ne Frau‘ oder ‚Die Frauen sind jetzt da.‘ Man merkte schon, dass man beäugt wurde.“ Nachgelassen habe dies erst, wenn klar wurde, dass Frauen auch nur Menschen seien.
Chefin von fast 1.000 Frauen und Männern
Heute ist sie wieder die Erste. Die erste Bataillonskommandeurin der Bundeswehr, die als Frau in die Bundeswehr eintrat. Oberstleutnant Anastasia Biefang war von 2017-2020 die erste weibliche Bataillonskommandeurin, trat aber 1994 noch als Mann in die Bundeswehr ein. Als Kommandeurin des Logistikbataillons in Beelitz ist Buresch-Hamann die Chefin von fast 1.000 Männern und Frauen. Der Weg dorthin dauerte 20 Jahre. Durch die vielen Stationen ihres Werdegangs bei der Bundeswehr ist Oberstleutnant Buresch-Hamann gut auf ihre neue Aufgabe vorbereitet. Nicht nur durch das akademische Studium, die Ausbildungen auf nationaler und internationaler Ebene oder aufgrund der unterschiedlichen Aufgaben, die sie schon in den Streitkräften wahrgenommen hat.
Profitiert habe sie vor allem durch Vorgesetzte, die ihr einen Einblick in die nächsthöhere Ebene boten. So durfte die junge Offizierin als Staffelführerin den Kompaniechef vertreten, als Kompaniechefin hin und wieder beim Kommandeur hospitieren. Auf diese Weise habe sie gesehen, wie Entscheidungen getroffen würden, aber auch erkannt, unter welchen Zwängen Vorgesetzte stünden: „So lernt man auf einer jeweils höheren Ebene mitzudenken. Das hilft mir bis heute enorm, Dinge einzuordnen und auch Probleme zu erkennen.“
Stets ein offenes Ohr
Die frisch gebackene Kommandeurin freut sich sichtlich auf ihre neue Aufgabe: „Hier kann man Dinge nach vorne bringen. Man hat selber die Werkzeuge in der Hand, um gute Ausbildungen zu gestalten, gute Übungsplatzaufenthalte, gute Weiterbildungen. Herrin des eigenen Verfahrens zu sein, ist super!“
So wie Buresch-Hamann auf ihrem Weg von der Unterstützung ihrer Vorgesetzten profitiert hat, möchte sie auch an ihre Soldatinnen und Soldaten etwas zurückgeben: „Ganz wichtig als Vorgesetzte ist für mich immer gewesen: Die Tür nicht verschließen. Wenn ein Untergebener ein Problem oder eine Herausforderung hat, nicht abtun, sondern versuchen, eine Lösung zu finden.“ Ihr sei es ein Anliegen, den Männern und Frauen das Gefühl zu geben, dass sie wichtig seien. Colin Powell, ein ehemaliger General der USUnited States-Army, der seinen Führungsanspruch in Anlehnung an den Philosophen Karl Popper ähnlich formulierte, diene ihr dabei als Vorbild, so die Offizierin.
„Führen bedeutet, Probleme zu lösen. Der Tag, an dem Soldaten dir keine Probleme mehr anvertrauen, ist der Tag, an dem du aufgehört hast, sie zu führen. Sie haben entweder das Vertrauen in dich verloren oder sie denken, es sei dir egal. Beides ist das Scheitern von Führung.“
Mutter und Kommandeurin mit Leidenschaft
Privat stellt sich die 38-Jährige der Herausforderung, neben einer 50-Stunden-Woche im Bataillon, auch noch eine Ehefrau und Mutter zu sein. Dies sei eine Frage der Organisation und der Unterstützung: „Das funktioniert bei uns nur, weil ich einen Partner habe, der voll und ganz dahintersteht. Dazu wohnen wir in einem Mehrgenerationenhaus mit meinen Schwiegereltern und sie fangen viel ab.“ Sie gibt zu, dass viele Dinge ohne diese gute Konstellation nicht funktionieren würden.
Auch nach zwei Dekaden steht Buresch-Hamann immer noch leidenschaftlich hinter ihrer Entscheidung zur Bundeswehr zu gehen. Soldatin sein bedeute für sie außerdem, sich immer wieder flexibel neuen Herausforderungen zu stellen: „Die Vielfältigkeit in unserem Tätigkeitsfeld finde ich extrem spannend.“