Bundeswehr: Die Krisen von morgen erkennen

Bundeswehr: Die Krisen von morgen erkennen

Datum:
Ort:
München
Lesedauer:
3 MIN

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Vor jedem Anschlag gab es einen Chat, in jeder Krise einen Hashtag. Wer heute erkennen will, wo auf der Welt es sich zuspitzt, muss vor allem eines tun: Das Internet im Auge behalten. Im Kompetenzzentrum Krisenfrüherkennung der Universität der Bundeswehr in München forscht ein Team von Programmierern und Analystinnen an softwarebasierten Vorhersagemodellen für eventuelle Krisen und Konflikte.

Symbolbild: Animation von einem Bildschirmarbeitsplatz. Im Hintergrund eine große Stadt bei Nacht mit binärem Zahlensystem

Um Krisen und Konflikte auf der Welt früh erkennen zu können, muss das Internet im Auge behalten werden

Pixabay

Das politische Interesse an Konfliktvorhersagen nimmt immer weiter zu. Vor allem, um rechtzeitig auf sich entwickelnde Krisen in verschiedenen Regionen der Welt reagieren zu können. Die Bundeswehr forscht mit dem „Kompetenzzentrum Krisenfrüherkennung“ der Universität der Bundeswehr in München, kurz UniBwUniversität der Bundeswehr, um beispielsweise Ressourcen-Engpässe, Unruhen und gewaltsame Auseinandersetzungen frühzeitig erkennen zu können. Zukünftig sollen 15 erfahrene ITInformationstechnik-Expertinnen und ITInformationstechnik-Experten öffentlich verfügbare Daten mit Hilfe eigens dafür entwickelter Programme auswerten und analysieren. Diese Programme, auch Modelle genannt, sollen künftig politische Krisen, bewaffnete Konflikte und Kriege vorhersagen. Lernfähige Software soll dabei riesige Datenbestände analysieren und in den Datenbergen Muster und Zusammenhänge erkennen.

Nur frei zugängliche Daten werden analysiert

Ein Experte bei der quantitativen Vorhersage von Krisen und Konflikten mit Hilfe von Software ist Professor Dr. Carlo Masala. Er ist Politikwissenschaftler und mit dem Aufbau des „Kompetenzzentrums Krisenfrüherkennung“ an der UniBwUniversität der Bundeswehr betraut. „Wir forschen an Software bzw. an Modellen, die auf Künstlicher Intelligenz, kurz KIkünstliche Intelligenz, basieren. Diese Modelle stehen dann den Analysten des militärischen Nachrichtenwesens im Verteidigungsministerium zur Verfügung. Wir bespielen und trainieren diese Modelle. Das heißt, wir füttern sie mit den für uns relevanten und frei zugänglichen Daten von Statistiken bis Zeitungsmeldungen und aktualisieren diese ständig. Der Mitarbeiter kann dann anhand von Prognosen dieser Modelle sehen, wie sich die Situation in einem bestimmten Land entwickelt“, erklärt er.

Portraitfoto von Prof. Dr. Carlo Masala, Professor für internationale Politik an der UniBw München

Prof. Dr. Carlo Masala, Professor für internationale Politik an der UniBwUniversität der Bundeswehr München

Universität der Bundeswehr München

Diese Modelle, oder auch digitalen Werkzeuge, unterstützen die Analystin im militärischen Nachrichtenwesen. Diese ist, aufgrund der Menge von Daten, nicht in der Lage, die enorme Datenflut alleine zu bewältigen. Die Daten werden verknüpft mit logischen Annahmen, die aus der Konfliktforschung bekannt sind. Dabei wird hinterfragt, welche Zusammenhänge es zwischen bestimmten Entwicklungen und der Eskalation von Konflikten gibt. Die Entscheidung, ob die Prognose eines Modells eine belastbar ist oder nicht, trifft letztlich die Analystin. Sie muss urteilen, ob die prognostizierte Entwicklung relevant ist und der politischen Ebene präsentiert wird. „Wenn wir gut sind, können wir zukünftig eine Genauigkeit von 86 bis 87 Prozent erreichen“, so der Professor weiter.

Gute Daten produzieren gute Prognosen

Man unterscheide sich aber von anderen kommerziellen Softwareunternehmen, die auch an solchen Dingen arbeiteten. „Unsere Datenanalysten sind Wissenschaftler, die alle einen Hintergrund in der Friedens- und Konfliktforschung haben“, ergänzt der 52-jährige. „Das große Prinzip von KIkünstliche Intelligenz-basierten Modellen ist es, dass nur gute Daten gute Prognosen produzieren. Wir verfügen über Experten, die sich die Datenqualität anschauen und sich folgende Fragen beantworten: Kann man diese Daten nutzen? Sind diese Daten belastbar? Sind die Daten aussagekräftig? Reichen die Daten weit genug in die Vergangenheit zurück, damit Modelle trainiert werden können? Das können nur Experten, die sich mit quantitativer Konfliktforschung auskennen“.

Foto von einem leistungsfähigen Server in einem Rechenzentrum. Dieser ist in der Lage die unzähligen Daten zu verarbeiten

Um die enorme Flut an Daten zu verarbeiten, braucht es ein leistungsfähiges Rechenzentrum

Pixabay

Für das Planungsamt der Bundeswehr hat Professor Masala in der Vergangenheit bereits an kleineren Modellen geforscht. Diese hatten sogar die ein oder andere Situation vorhergesagt: „2015 haben wir eine Prognose zur Flüchtlingskrise im Mittelmeer abgegeben, die sich bewahrheitet hatte. Fast zeitgleich wiesen wir darauf hin, dass sich die Gewalt in Nigeria in den Norden des Landes verlagern wird. Da haben wir relativ gut belastbare Vorhersagen getroffen“, erinnert er sich. An ebenso guten Prognosen arbeiten die Mitarbeitenden nun mit den neuen Möglichkeiten des Kompetenzzentrums und leisten so einen Beitrag zur Sicherheitspolitik in Deutschland.

von Jörg Dilthey  E-Mail schreiben

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