Risiko- und Krisenmanagement

Prävention und Reaktion: Die Nationale Krisenvorsorge

Es ist ein Kernauftrag der Bundeswehr: Das nationale Risiko- und Krisenmanagement dient dem Schutz deutscher Staatsangehöriger im Ausland – durch Vorsorge und Bewältigung, wenn erforderlich, auch mit militärischen Mitteln.

Soldaten heben eine Trage mit einem Verwundeten in einen Helikopter

Wenn ein Konflikt eskaliert, ein Krieg ausbricht oder eine Naturkatastrophe Reiserouten unterbricht, unterstützt die Bundeswehr das Auswärtige Amt dabei, deutsche Staatsangehörige zurück nach Deutschland oder in sichere Drittländer zu bringen. Die Federführung für die Nationale Krisenvorsorge liegt dabei beim Auswärtigen Amt, die Durchführungsverantwortung für militärische Evakuierungsoperationen jedoch bei der Bundeswehr. Das nationale Risiko- und Krisenmanagement ist daher als Daueraufgabe im Operativen Führungskommando der Bundeswehr verankert.

Vor dem Konflikt: Ressortübergreifende Planung

Die Nationale Krisenvorsorge umfasst Krisenprävention und Krisenreaktion. Maßnahmen zur Prävention erfolgen hauptsächlich außerhalb akuter Konfliktphasen. Unter Führung des Auswärtigen Amts werden regelmäßig ressortübergreifende Krisenvorsorgeteams in die deutschen Auslandsvertretungen entsendet, um dort Informationen für mögliche Evakuierungen zu sammeln: Wie ist die Auslandsvertretung personell aufgestellt? Welche Krisenpläne gibt es? Wo befinden sich Krankenhäuser und kritische Infrastruktur? Wie kommt man am schnellsten zum Flugplatz? Dazu zählen auch Transportwege und Alternativrouten, falls Straßen, Häfen oder Flughäfen in einem Konflikt zerstört werden. Wie viele Menschen müssen im Ernstfall überhaupt evakuiert werden und wo befinden sie sich?

Die gesammelten Daten bilden die Grundlage für länderbezogene Eventualfallplanungen. Darin werden die für eine Evakuierung erforderlichen zivilen und militärischen Fähigkeiten je nach Eskalationsstufe und Evakuierungsart festgelegt. Alle Informationen werden in einer Datenbank erfasst und regelmäßig aktualisiert. Evakuierungsoperationen werden grundsätzlich ressortübergreifend vorbereitet. Neben dem Auswärtigen Amt sind immer auch Bundespolizei und Bundeswehr in die Planungen eingebunden. Auch multinationale Absprachen werden getroffen.

Die Beratung und Schulung des örtlichen Personals zählt ebenfalls zu den Aufgaben der Krisenvorsorgeteams. So sollen Resilienz und Handlungsfähigkeit der deutschen Auslandsvertretungen bei krisenhaften Entwicklungen gestärkt werden. 

Ein bewaffneter Soldat geleitet mehrere Personen mit Schwimmwesten im Hafen.

Die Mitarbeitenden des Krisenunterstützungsteams registrieren deutsche Staatsangehörige und andere Schutzbedürftige an einem Sammelpunkt, hier bei der Evakuierungsübung Schneller Adler.

Bundeswehr/Jana Neumann
Militärische Evakuierungsübung Schneller Adler 2022

Evakuierungen erfolgen auch über See, wenn ein Hafen in erreichbarer Nähe liegt. Im Seegebiet eingesetzte Schiffe der deutschen Marine oder multinationaler Partner können dann Schutzbedürftige mehrerer Nationen in Sicherheit bringen (Symbolfoto).

Bundeswehr/Mario Bähr

Im Konfliktfall: Militärische Mittel möglich

Bricht ein Konflikt in einer Krisenregion aus oder eskaliert eine Lage, entscheidet der Krisenstab der Bundesregierung über eine mögliche Evakuierung deutscher Staatsangehöriger. Evakuierungen umfassen alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um deutsche Bürgerinnen oder Bürger zu retten und in ein sicheres Drittland oder nach Deutschland zu bringen. Die Bandbreite reicht von einfachen Rückführungen mit zivilen oder militärischen Transportmitteln bis hin zur Geiselbefreiung durch Spezialkräfte der Bundeswehr. Der Einsatz militärischer Gewalt zur Evakuierung beziehungsweise Rettung Schutzbedürftiger muss dabei immer durch den Bundestag genehmigt werden, kann bei besonderen Gefahrensituationen jedoch auch nachträglich erfolgen.

Ist militärische Unterstützung erforderlich, entsendet die Bundeswehr Krisenunterstützungsteams an die deutschen Auslandsvertretungen im Krisenland und gegebenenfalls in Nachbarstaaten. Sie bereiten die militärische Evakuierungsoperation vor Ort vor. Stärke und Zusammensetzung der Krisenunterstützungsteams variieren je nach Intensität und Ausprägung einer Krise und der erforderlichen Maßnahmen.

Wichtig: Geraten die eigenen Staatsangehörigen in Not, ist grundsätzlich jedes Land selbst für deren Evakuierung verantwortlich. Multinationale Absprachen sind jedoch oftmals erforderlich. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Häfen oder Flughäfen zerstört oder anderweitig nicht nutzbar sind. In diesen Fällen stimmen die beteiligten Nationen ab, wer wann welche Infrastruktur nutzt. Auch ist es üblich, dass Bürgerinnen und Bürger mehrerer Länder gemeinsam ausgeflogen werden, um Rettungsmöglichkeiten nicht ungenutzt zu lassen.

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Federführendes Ressort in der Nationalen Krisenvorsorge ist das Auswärtige Amt. Es entsendet in Abstimmung mit dem Bundesministerium der Verteidigung, dem Bundesministerium des Innern und für Heimat sowie dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung jährlich mehrfach Krisenvorsorgeteams in die deutschen Auslandsvertretungen in Ländern mit aktuellen oder sich möglicherweise entwickelnden Krisenlagen.

Die Teams sind ressortübergreifend zusammengesetzt aus Mitarbeitenden des Auswärtigen Amts, der Bundespolizei und der Bundeswehr. Vor Ort überprüfen die Teams Krisenpläne und Handlungsoptionen. Sie beraten die Auslandsvertretungen zu möglichen Krisenlagen und schulen Mitarbeitende vor Ort. Als Grundlage für mögliche Evakuierungsoperationen sammeln die Krisenvorsorgeteams zudem Daten und werten diese aus. Dazu zählen beispielsweise die Anzahl und mögliche Aufenthaltsorte zu evakuierender Staatsangehöriger, Sammelpunkte, Transportmittel und -routen. Aber auch Optionen zur nationenübergreifenden Zusammenarbeit werden von den Teams erfasst.

Eventualfallplanungen werden für Länder erstellt, in denen eine krisenhafte Entwicklung möglich erscheint. Sie dienen dazu, eine eventuell erforderliche Evakuierung so detailliert wie möglich vorzubereiten und auch verschiedene Handlungsoptionen aufzuzeigen, falls beispielsweise eine Abholung per Flugzeug wegen zerstörter Flughäfen nicht mehr möglich ist und daher auf den Land- oder Seeweg ausgewichen werden muss.  

Um möglichst aktuelle Daten als Grundlage zu erhalten, besuchen die Krisenvorsorgeteams des Auswärtigen Amts, der Bundeswehr und der Bundespolizei alle fünf bis acht Jahre fast jedes Land außerhalb Europas, in dem eine Evakuierungsoperationen notwendig werden könnte. So können die Planenden im Ernstfall auf Daten zugreifen, die maximal acht Jahre alt sind. Im besten Fall handelt es sich um Daten, die erst im Vorjahr erhoben wurden – so wie bei der Evakuierungsoperation aus dem Sudan 2023. Hier war kurz vor der Evakuierung ein Krisenvorsorgeteam im Land.

Geraten deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger durch Konflikte oder Krisen im Ausland in Not, entscheidet der Krisenstab der Bundesregierung über eine mögliche Evakuierung. Die Federführung liegt immer beim Auswärtigen Amt. Es verantwortet und koordiniert alle Maßnahmen des zivilen Krisenmanagements. Wird aufgrund einer eskalierenden Lage in einem Krisengebiet – beispielsweise nach Ausbruch eines Bürgerkriegs – eine militärische Evakuierungsoperation erforderlich, fällt die Durchführungsverantwortung dem Verteidigungsministerium zu. Alle Evakuierungsoperationen werden grundsätzlich ressortübergreifend vorbereitet, in nationaler Verantwortung durchgeführt und lageabhängig multinational koordiniert.

Grundsätzlich können Evakuierungen deutscher Staatsangehöriger nur freiwillig erfolgen. Wer keinen Evakuierungswillen hat, kann in der Krisenregion verbleiben. Dies kann beispielsweise auf Mitarbeitende von Hilfsorganisationen zutreffen. Eine Sonderregelung betrifft Beamtinnen und Beamte sowie weiteres von staatlichen Einrichtungen ins Ausland entsendetes Personal: Ihre Evakuierung ist nicht freiwillig. Sie sind zur Ausreise verpflichtet, wenn diese vom Krisenstab der Bundesregierung veranlasst ist.

Die Kosten einer vom Krisenstab der Bundesregierung veranlassten Evakuierung werden von der Bundesrepublik Deutschland verauslagt. Das bedeutet, aus einer Krisenregion werden alle Menschen gerettet, die das Land verlassen wollen. Niemand muss vor Ort für seine Evakuierung zahlen. Allerdings sind die evakuierten Personen nach Paragraph 6 Absatz 2 Konsulargesetz grundsätzlich dazu verpflichtet, die Kosten anteilig zu erstatten.

Evakuierungsoperationen umfassen alle Maßnahmen, mit denen deutsche Staatsangehörige aus einem Krisenland in ein sicheres Umfeld gebracht werden. Die Federführung liegt immer beim Auswärtigen Amt.

Man unterscheidet zwischen diplomatischen und robusten Evakuierungen. Diplomatische Evakuierungen werden auch als unterstützte Abholung bezeichnet. Dabei werden deutsche Staatsangehörige durch zivile Fluggesellschaften, aber auch mit Flugzeugen der Bundeswehr aus der Krisenregion ausgeflogen. Der Einsatz der Bundeswehr erfolgt in diesem Fall über die Amtshilfe nach Artikel 35 des Grundgesetzes. Ein Beispiel für eine diplomatische Evakuierung aus jüngerer Zeit stammt aus der Corona-Pandemie: Zu Beginn der Pandemie wurden deutsche Staatsangehörige aus Wuhan in China ausgeflogen.

Robuste Evakuierungen sind militärische Evakuierungsoperationen. Sie sind erforderlich, wenn aufgrund einer Eskalation eine unterstützte Abholung aus einer Krisenregion zu gefährlich ist und den Einsatz bewaffneter Streitkräfte erfordert. Nach Artikel 87a des Grundgesetzes muss der Bundestag dem Einsatz bewaffneter Kräfte zustimmen, sofern nicht Gefahr im Verzug vorliegt. Gegebenenfalls erfolgt die Zustimmung nachträglich.

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