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Hintergrundwissen

Open Spirit

Das Manöver dient nicht nur dem Training der Teilnehmer, sondern auch der „Historic Ordnance Disposal“, der Beseitigung von historischen Altlasten, vor der Küste des Baltikums. Dort wie in der ganzen Ostsee liegen noch unzählige alte Seeminen und andere versenkte Munition aus den beiden Weltkriegen.

Ein kleines graues Kriegsschiff in See, davor eine weiße Flagge mit einem roten Kreuz mit doppelten Linien.

Warum ist Open Spirit entstanden?

Luftaufnahme mehrerer kleiner, grauer Kriegsschiffe, die in einem Hafen liegen; im Hintergrund Kirchtürme einer Stadt.

Open Spirit 2016: Der NATO-Minenabwehrverband SNMCMGStanding NATO Mine Countermeasures Group 1 im Hafen der lettischen Hauptstadt Riga. Als Führungs- und Versorgungsschiff dabei: der Tender „Donau“ der Deutschen Marine

NATO/Cedric Artigues

Nach ihrer Unabhängigkeit 1990 von der ehemaligen Sowjetunion war es für die drei baltischen Staaten von enormer Bedeutung, sich direkt am Welthandel beteiligen zu können. Der Umschlag ihrer Häfen ist mittlerweile gut dreimal so groß wie der der deutschen Ostseehäfen. Die Sicherheit der Seewege zu ihren drei größten Häfen – Klaipeda in Litauen, Riga in Lettland, Tallinn in Estland – gehört deshalb zu den wichtigsten Aufgaben der neuen, kleinen Marinen.

1996 hatten Deutschland und Lettland erstmals Altlasten vor Riga beim gemeinsamen Manöver Baltic Sweep geräumt. Ein Jahr später begann die Manöver-Serie Open Spirit, in deren Leitung sich die drei baltischen Staaten ablösen. In der Regel findet die Übung jedes Jahr für zwei Wochen im Mai statt.

Weshalb ist Open Spirit mehr als nur Training?

Das Besondere am Manöver Open Spirit: Es ist nicht nur gemeinsame Ausbildung, sondern es bedeutet zugleich den scharfen Einsatz gegen echte Minen, Torpedos oder Bomben. Das Risiko ist für die ausführlich trainierten Marinesoldatinnen und -soldaten aber ein kalkulierbares. Die gut ausgebildeten und erfahrenen Minenjäger besitzen die notwendige Sicherheit im Umgang mit den gefährlichen Sprengkörpern.

Auf dem Achterschiff eines kleinen grauen Kriegsschiffs steht ein Marinesoldat in dunkelblauer Arbeituniform.

Open Spirit 2015: Die Crew des belgischen Minenjägers „Lobelia“ bringt eine Drohne zu Wasser.

NATO/Cedric Artigues

Das Risiko einzugehen ist notwendig, denn die Bedrohung ist noch sehr real. Allein über 300.000 Tonnen alter Munition liegen noch auf dem Ostseeboden in deutschen Gewässern, schätzt die Arbeitsgruppe „Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer“ des Bundes und der Küstenländer. Für die gesamte Ostsee kann man von einer mehrfachen Menge ausgehen. Seit dem Zweiten Weltkrieg kommt es denn auch bis heute immer wieder zu Unfällen mit Altlasten in See oder an den Stränden: Meeresbewohner lösen inzwischen sehr fragile Sprengkörper aus, Fischer bergen unabsichtlich Seeminen, Strandgänger sammeln aus Versehen angespülten Phosphor.

In Deutschland und seinen Gewässern wird die Marine auf Anfrage der Behörden tätig, wenn die Fähigkeiten der zivilen Räumdienste der Bundesländer für die Behandlung militärischer Altlasten im Meer nicht mehr ausreichen. Im internationalen Vergleich sind Marinen oder Küstenwachen bereits früher verantwortlich. Ihnen hilft die Deutsche Marine mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung.

Wie hängen NATO und Open Spirit zusammen?

Schon der Beginn von Open Spirit 1997 war ein Projekt des Programms „Partnerschaft für den Frieden“ der NATO. Neben Deutschland und den baltischen Staaten beteiligen sich inzwischen weitere Bündnispartner an dem Manöver: Seit 2013 ist regelmäßig der Minenabwehrverband SNMCMGStanding NATO Mine Countermeasures Group 1 des Bündnisses an Open Spirit einbezogen.

Drei kleine graue Kriegsschiffe von vorne in rauher See.

Open Spirit 2014: die estnische „Admiral Cowan“, die niederländische „Makkum“ und die norwegische „Otra“ der SNMCMGStanding NATO Mine Countermeasures Group 1 in Formation. Die Ostsee zeigt sich von ihrer rauhen Seite.

NATO/Cedric Artigues

Dadurch ist Open Spirit auch größer geworden: Zwischen 15 und 20 Minenabwehrboote und Hilfsschiffe mit über 1.000 Soldatinnen und Soldaten haben durchschnittlich in den letzten fünf Jahren teilgenommen. Im gleichen Zeitraum haben die Open-Spirit-Teilnehmer über 120 Altlasten vor den Küsten von Litauen, Lettland und Estland beseitigt.

Für alle Beteiligten gilt Open Spirit als ideale Möglichkeit, ihre Fähigkeiten unter realen Bedingungen zu trainieren und gleichzeitig die Seewege ein Stück sicherer zu machen. Die beiden ständigen Minenabwehrverbände der NATO SNMCMGStanding NATO Mine Countermeasures Group 1 und SNMCMGStanding NATO Mine Countermeasures Group 2 suchen bei ihren vergleichbaren verschiedenen Übungen und Manövern ebenfalls historische Altlasten – in ihren größeren Operationsgebieten Nord- und Ostsee beziehungsweise Mittelmeer.

Wie haben Open Spirit und das Geschwader BALTRON miteinander zu tun?

Ein kleines graues Kriegsschiff in See, davor eine weiße Flagge mit einem roten Kreuz mit doppelten Linien.

Open Spirit 2017: das Minenjagdboot „Kuršis“ der litauischen Marine. Im Vordergrund die Seekriegsflagge Lettlands

Lettische Streitkräfte/Gatis Diezins

Eng verknüpft mit der Entstehung von Open Spirit ist auch der gemeinsame Minenabwehrverband der baltischen Staaten: das Baltic Naval Squadron, kurz BALTRON. 1998 erstmals aufgestellt umfasst diese Gruppe Minenabwehrboote und Hilfsschiffe, die jedes der beteiligten Länder für mehrere Monate pro Jahr beisteuert. Im gleichen Jahr nahm das Geschwader auch erstmals an Open Spirit teil. Auftrag von BALTRON ist die Minenjagd in den nationalen Gewässern sowie der Ausschließlichen Wirtschaftszone Estlands, Lettlands und Litauens.

Die estnische Marine, mit nur vier Kriegsschiffen die kleinste der drei Flotten, hat sich allerdings 2015 aus dem gemeinsamen Verband zurückgezogen, um seine Beteiligung am Minenabwehrverband SNMCMGStanding NATO Mine Countermeasures Group 1 der NATO sicherzustellen. An Open Spirit bleibt Estland also beteiligt.

Veröffentlicht am: 14.05.2020, zuletzt aktualisiert am: 18.06.2021    
Ort: Rostock    
Lesedauer: 4 Minuten

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