Marine
TÜV für die Marine

Zentrum Einsatzprüfung: Stiftung Warentest der Marine

Zentrum Einsatzprüfung: Stiftung Warentest der Marine

Datum:
Ort:
Kiel
Lesedauer:
5 MIN

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Was in der Marine schwimmt oder schießt, muss getestet sein. Das Zentrum Einsatzprüfung ist Scharnier zwischen Rüstung und Flotte.

Eine teller- und eine stabförmige graue Messantenne im Vorderung, dahinter ein graues Kriegsschiff in See.

Missile Firing Exercise 2019: Bei jedem Flugkörperschießen bringen die Einsatzprüfer der Marine ihre Messanlagen mit.

Bundeswehr/Marcus Mohr

Wer im Zentrum Einsatzprüfung der Deutschen Marine in Eckernförde arbeitet, der bekommt eine Menge mit. Wenn die Seestreitkräfte ein neues Schiff in Dienst stellen, Flugkörper erneuern, ganze Führungsinformationssysteme von Fregatten modernisieren oder einen Unterwasser-Scooter für die Kampfschwimmer erwerben, da ist die „Stiftung Warentest“ der Marine nicht weit. Erst wenn die Einsatzprüfer nicken, erhält ein System das Siegel „uneingeschränkt einsatztauglich“.

Kapitän zur See Jörg Lorentzen ist seit Dezember 2019 Chef des Zentrums. Rund 70 Angestellte und Soldaten unterstehen ihm in seiner Dienststelle mitten im Marinestützpunkt an der Ostseeküste. Erfahrene Seefahrer sind darunter, Ingenieure, Mathematiker, Informatiker.

Porträtaufnahme eines Marineoffiziers in dunkelblauer Uniform mit weißer Schirmmütze.

Kapitän zur See Jörg Lorentzen, Kommandeur des Zentrum Einsatzprüfung der Marine

Bundeswehr/Marcel Kröncke

„Wir testen unter einsatznahen Bedingungen, ob neue oder verbesserte Schiffe, Waffen oder Geräte nutzbar sind“, erklärt der 53-jährige Kappelner. Denn jenseits der rein technischen Daten gehe es darum: „Eine Erprobung nur anhand von Daten oder Messwerten reicht nicht. Dass ein Waffensystem oder eine Komponente ihren taktischen Einsatzzweck erfüllen kann – dafür sind meine Männer und Frauen die personifizierte Bewertungskompetenz der Marine.“

Abnahme ist nicht unbedingt Eignung

Für die Abnahme eines Rüstungsprodukts zeichnet die Wehrtechnische Dienststelle für Schiffe und Marinewaffen verantwortlich. Auch sie steht in Eckernförde, die meisten Ortskundigen kennen die riesige Anlage am südlichen Ortseingang der Hafenstadt, „WTDWehrtechnische Dienststelle 71“ lautet die gebräuchliche Bundeswehrabkürzung. Die zivile Dienststelle untersteht dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, also der Rüstungsbehörde. Sie kontrolliert mit technischen und wissenschaftlichen Erprobungen, was zwischen Bundeswehr und Hersteller in Spezifikationen geregelt ist. Wie der Name schon sagt – bei der WTDWehrtechnische Dienststelle 71 geht es um technische Aspekte, sozusagen eine Typprüfung.

Am Ende steht die Abnahme eines Produkts. Aber das heißt eben noch nicht Eignung für die vorgesehenen Aufgaben. Dafür nämlich muss die Truppe auch verwenden können, was geliefert werden soll. „Wir testen im Zentrum Einsatzprüfung, ob das Material, die Waffe, das Schiff so funktioniert, wie die Marine das will“, erklärt Kapitän Lorentzen. „Ob bei einem Flugkörper die Funktionskette von Zielauffassung durch das Radar über die Weitergabe an das Feuerleitsystem bis zur Wirkung der Waffe im Ziel so abläuft, dass sie ihr Ziel auch trifft und die Truppe sie einsetzen kann.“

Bildlich gesprochen: Die WTDWehrtechnische Dienststelle 71 prüft, ob die Beleuchtung des Hubschrauberlandedecks auf einer Fregatte funktioniert. Das Zentrum Einsatzprüfung, kurz ZEP, testet aber, ob der Pilot des Hubschraubers nachts, aus allen Anflugrichtungen und bei jedem Wetter auch blendfrei auf dieser kleinen, schwanken Fläche landen kann. Lorentzen: „Wir probieren alles aus.“

Eine größer werdende Flotte bedeutet mehr Arbeit

Obwohl seine Dienststelle klein ist, bekommt der Kommandeur seine Leute teils nur sporadisch zu Gesicht. Der Grund sind Erprobungen und Manöver an allen Ecken und Enden. Die Marine wächst nach zweieinhalb Dekaden des Schrumpfens wieder. Also müssen auch die Leute des ZEP mehr testen und checken. „Alles, was die Marine an neuen Waffensystemen oder Geräten zu bieten hat – ich brauche hier Experten dafür“, sagt Lorentzen.

Ein graues Kriegsschiff in See, aus seinem Vorschiff ist eine Rakete gestartet, die eine Rauchspur hinter sich her zieht.

Praktisch jeden Flugkörper-Schuss der Marine in Friedenszeiten begleiten die Prüfer aus Eckernförde. Hier feuert die Fregatte „Hamburg“ eine Flugabwehrrakete.

Bundeswehr/Marcus Mohr

Hinzu komme, dass das Zentrum die Waffenübungen der Marine plant, begleitet und auswertet, wenn zum Beispiel die Korvetten das erste Mal einen neuen Flugkörper im Truppenschießen einsetzen, ergänzt er. „Und wir unterstützen die Ausbildung der Marineschiffe im unsichtbaren elektronischen Kampf. Dafür nutzen wir in der Nähe von Eckernförde eine Testanlage der WTDWehrtechnische Dienststelle 71, die mit unseren Schiffen auf See vernetzt ist und ihnen ‚virtuelle‘ Probleme bereitet.“

Wenn man sich überlegt, dass zu den Erprobungen von neuem Material auch die von modernisierter Ausrüstung hinzukommt, wird klar, dass die Dienststelle dauernd ausgebucht ist. Hintergrundrauschen ist deshalb immer da. Kleinere Projekte, von denen man außerhalb der Marine kaum etwas mitbekommt. Wenn zum Beispiel ein Minenjagdboot eine neue optronische Kameraanlage erhält oder die Schiffstaucher ein neues Helmtauchgerät.

Aber gerade die Projekte, die es über die Erwähnung in der Fachliteratur hinaus schaffen, stehen in Eckernförde oben auf dem Dienstplan: Der Umbau von Minenjagdbooten, so dass sie Unterwasserdrohnen und ferngelenkte Räumboote einsetzen können. Die Vorbereitung auf die Einsatzprüfung der fünf neuen Korvetten der Braunschweig-Klasse; die weitere Erprobung der Fregatte „Baden-Württemberg“ ihrer drei Schwesterschiffe, die bald in Dienst gestellt werden. Die Prüfung der neuen Buster-Einsatzboote, mit denen die Boardingteams des Seebataillons operieren sollen.

Für die nahe Zukunft kündigen sich ähnlich umfassende Projekte an: Die Nachfolge der Flottentanker oder der Nachweis der Landzielfähigkeit des schweren Korvetten-Flugkörpers RBS15 Mk3. Wer sich dieses Aufgabenpaket vor Augen führt, dem ist klar: Der Auftrag lässt sich nicht am Schreibtisch erledigen. Und es braucht ein besonderes Team.

Es riecht nach Schiffsdiesel und Meer

Ein Mann in blauer Arbeitsuniform sitzt vor drei Regalen mit kastenförmigen elektronischen Geräten, Kabel und LEDs sind zu sehen

Enno Zantopp ist einer der zivilen Mitarbeiter des ZEP. Sein Einsatzgebiet: überall, wo die Marine fährt. Während des großen Flugkörperschießens 2019 vor der schwedischen Küste war er vor allem für die Messanlagen verantwortlich.

Bundeswehr/Marcus Mohr

Nämlich das Zusammenspiel von Ingenieuren, Technikern und erfahrenen Marinesoldaten. Die werden beim Betreten des Zentrums jeden Morgen mit einem Schild am Haupteingang daran erinnert: „Wir sind der Einsatzfähigkeit der Marine verpflichtet“, lautet das Motto des ZEP. Das bedeutet auch: Seefahrt und Dienstreisen. „Da, wo wir prüfen“, sagt Kommandeur Lorentzen, „riecht es meistens nach Schiffsdiesel und Meer.“

Obwohl prinzipiell die WTDWehrtechnische Dienststelle 71 der Bundeswehr-Ausrüstungsbehörde organisatorisch getrennt ist vom ZEP der Marine, arbeiten Wehrtechniker und Einsatzprüfer inzwischen immer gleich von Anfang an zusammen. „Die Grundlage ist eine Kooperationsvereinbarung aus dem vergangenen Jahr zwischen unseren beiden Dienststellen“, erklärt Lorentzen. „Wir wollen möglichst früh auf Produktänderungen hinwirken oder auf Gewährleistungsansprüche hinweisen können.“

Die beiden Einrichtungen stellen integrierte Teams auf, die die Funktionsfähigkeit und Nutzbarkeit von Komponenten oder Systemen gemeinsam bewerten, teilen ihre Test- und Prüfergebnisse. „Wir arbeiten sozusagen mit einem Fernglas anstatt mit zwei Fernrohren“, sagt Lorentzen. Gemeinsam nähmen ZEP und WTDWehrtechnische Dienststelle 71 auch an der Abnahmekommission für einen neuen Ausrüstungsgegenstand oder ein neues Waffensystem teil. „Und darin repräsentieren wir den Nutzer, die Marine. Das tun wir mit einer Eigenschaft, die man dafür braucht: schöpferische Unzufriedenheit.“

von Bastian Fischborn  E-Mail schreiben

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Mehr übers ZEP

  1. Einsatzprüfung der Fregatten der Klasse 125
  2. Einsatzprüfung der Minenjagd-/Lenkboote vom Typ 332CL
  3. Vorbereitung der Einsatzprüfung für fünf neue Korvetten der Klasse 130
  4. Planung, Vorbereitung und Auswertung der Flugkörper-Waffenübungen Mjölner und Andoya 2020
  5. Planung, Vorbereitung und Auswertung von Torpedoschießabschnitten für das 1. Ubootgeschwader

Nach Gründung der Bundeswehr stellte die Marine 1956 in Kiel das sogenannte Schiffserprobungskommando auf, 1962 umbenannt in Schiffsübernahmekommando. 1968 zog es nach Eckernförde um, wurde mit weiteren Versuchsstellen zum Kommando für Truppenversuche der Marine zusammengeführt.

Nach Ende des Kalten Krieges schrumpfte dieses Kommando auf eine Abteilung im großen Marineunterstützungskommando und erhielt die Bezeichnung Zentrum Einsatzprüfung. Seit April 2018 ist das ZEP wieder eine selbständige Dienststelle.

Das ZEP im Einsatz