Das Seebataillon an der kältesten Flanke
Das Seebataillon an der kältesten Flanke
- Datum:
- Ort:
- Norwegen
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- 6 MIN
Deutsche Marineinfanteristen waren im Frühjahr am NATONorth Atlantic Treaty Organization-Großmanöver Cold Response beteiligt. Amphibische Operationen lassen sich in Norwegen unter schwierigsten Bedingungen trainieren.
Der eiskalte „Downwash“ mit Schnee und Eis schlägt ihnen bei jedem Landeanflug der Helikopter ins Gesicht. Nur mit einer wärmenden Sturmhaube und einer Skibrille können die Marinesoldaten die vielen Landungen überhaupt aushalten. In Schneetarnanzügen mit der Umgebung verschmolzen, sichern sie mit ihren Gewehren den Drop-Off-Point. Hier landen laufend Transporthubschrauber, die vom Landungsschiff „Rotterdam“ weit draußen vor der Küste kommen.
„Es ist so verdammt kalt. Wir nehmen die Rucksäcke, um den kalten Boden nicht direkt berühren zu müssen. Das halten wir sonst keine fünf Minuten aus“, so einer der Soldaten. Währenddessen schaut er von der weißen, lichten Anhöhe in die Ferne. Kreisrund verteilt und zu zweit sichern die Soldaten den Landeplatz. Irgendwo könnten die Gegner schon sein.
Auftrag: Landen, finden, stören
Für die 33 Soldaten des deutschen Seebataillons hat soeben ihre Mission im NATONorth Atlantic Treaty Organization-Großmanöver Cold Response in Norwegen begonnen: im Einsatzgebiet landen, den Gegner finden und ihn beeinträchtigen. Es ist ihre neunte und letzte Woche nördlich des Polarkreises, an der äußersten Nordflanke der Nato. Die deutschen Marineinfanteristen hatten vor der großen Truppenübung bereits Mitte Februar zusammen mit niederländischen Kameraden im Joint Artic Training den Winterkampf geübt.
Für die Soldaten des Korps Mariniers der Königlich-Niederländischen Marine gehört dieses Training seit langem zum festen Jahresablauf. Seit vier Jahren nehmen daran auch deutsche Soldaten aus Eckernförde teil, genauer die Küsteneinsatz-, die Unterstützungskompanie und die Sanitätseinsatzgruppe des Seebataillons.
Nach und nach vervollständigen die niederländischen Hubschrauber die multinationale Kampfgruppe. Jeder vom Schiff eingeflogene Soldat schleppt zusätzlich zu einer Grundausstattung einen gut 40 Kilo schweren Rucksack, Schneeschuhe, Skistöcke und, in der Regel, ein Sturmgewehr mit mehreren vollen Magazinen. Mit so viel Gewicht kann ein Cougar-Helikopter nur acht Marinesoldaten auf einmal transportieren.
Oberbootsmann Hinrik ist mit 15 Kameraden als erstes ins Missionsgebiet eingeflogen. Sie haben umgehend die 360-Grad-Sicherung für die nächsten Anflüge aufgebaut. Die zwei Cougars können so gut geschützt die übrigen Soldaten vom Schiff an Land bringen.
„Als wir dann komplett waren und die Sonne untergegangen ist, marschierten wir los“, so Hinrik. Nach ungefähr fünf Kilometern quer durchs schwere Gelände erreichen sie im Dunkeln ihr Lager. Sie bauen Zelte auf und bereiten sich für die Nacht vor. „Wir gehen in kleinen Spähtrupps los, um Aktivitäten des Gegners aufzuklären. Tagsüber stellen wir Posten auf, die unser Lager bewachen. Wir wollen ja nicht vom Feind überrascht werden, weil er sich unaufgeklärt annähern könnte.“
Das Ziel der Kampfgruppe war vor allem, die Nachversorgung des Gegners zu stören und sein Hauptlager zu lokalisieren. „Über vier Tage war das unser Alltagsgeschäft“, so der Oberbootsmann. „Es endete mit dem Erfolg, dass wir den feindlichen Bataillonsgefechtsstand aufgeklärt haben.“
Joint Fire Support von See
In einem echten Kampf hätten die Soldaten jetzt beispielsweise Feuerunterstützung aus der Luft anfordern können, die dann auf den Gefechtsstand niedergegangen wäre. Oder von einem Schiff. Für eine solche Unterstützung stand die Korvette „Erfurt“ nur wenige Meilen entfernt im Fjord. Sie half während der Übung mehrmals mit ihrem Hauptgeschütz den Soldaten an Land. Erstmals waren für diese Anforderungen zum Fire Support amerikanische Soldaten, vier Artilleriebeobachter, der deutsch-niederländischen Kampfgruppe zugeordnet.
„Die besonderen Herausforderungen bei Cold Response an die Soldaten des Seebataillons sind die arktischen Bedingungen vor Ort“, erklärt Korvettenkapitän Clemens Staffelt, Leiter der Gruppe Amphibischer Einsatz des Seebataillons. „In der Ausbildung hier in der Arktis lernen die Soldaten, bei Temperaturen bis zu minus 30 Grad im Schnee zu überleben. Sie lernen, sich Übernachtungsmöglichkeiten in den Schnee zu graben, mit dem Schnee zu kochen, vor allem aber dabei noch zu kämpfen und ihren Auftrag zu erfüllen.“
Der Feind war also nicht nur der Übungsgegner, sondern auch die klimatischen Bedingungen, die Kälte und die Schneemassen. Zum Beispiel durften die Soldaten während langer Märsche die Gefahr einer Überhitzung nie unterschätzen. Das kalte Winterwetter hält sich in Nordnorwegen oft bis zum Aprilende.
Schweres Gerät der Marineinfanterie
Neben Oberbootsmann Hinrik und seiner Kampfgruppe waren auch andere Marineinfanteristen ins angenommene Gefecht geworfen. Zum Beispiel die gut 40 Soldaten in einem Zug für schwere Waffen. Zu dieser mit Maschinengewehren und Panzerabwehrraketen bewaffneten Gruppe gehörten acht Transportkettenfahrzeuge BV 206. Einer dieser „Huskies“ mit dem bekannten „Y“ auf dem Nummernschild. An Bord: fünf Soldaten der deutschen Küsteneinsatzkompanie.
Angeführt von einem Major des Korps Mariniers kämpfte der Zug unter anderem mitten in der Kleinstadt Sørreisa. Der „Feind“, größtenteils dargestellt von norwegischen, schwedischen und finnischen Soldaten: eine verstärkte Kompanie mit gleich 20 Kampf- und Schützenpanzern.
Die Niederländer und die Deutschen bauten sich mit schweren Maschinengewehren und panzerbrechenden Waffen wie dem niederländischen System Spike Stellungen auf Parkplätzen, an Kreuzungen oder an Waldkanten. Gut getarnt und unauffällig bewegten sich die „Huskies“ auf den verwinkelten und kleinen Straßen der Stadt, die Soldaten stiegen nur an den fixen Stellungen aus den Fahrzeugen. Ihren Gegner konnten sie noch nicht entdecken.
„Wenn sie uns nicht weit östlich umgehen, kommen sie wahrscheinlich hier rüber“, sagt Oberstabsgefreiter Mark. Er zeigt auf die 400 Meter entfernte Brücke über den hier schmalen Reisafjord. Der Marinesoldat steht gerade in einer Stellung vor einem kleinen Fachhandel. „Die Gegnerpanzer und unsere Waffen sind mit einem Lasersystem ausgestattet“, sagt er. „Die Treffer werden so nur simuliert und es knallt nicht wirklich hier in der Stadt. Das wäre wohl etwas zu doll, während die Einwohner hier normal einkaufen oder mit ihrem Hund spazieren gehen.“
„Cold Response war für das Seebataillon ein Erfolg“
Während des gesamten Manövers war es üblich, dass die Einwohnerinnen und Einwohner auch mal das Gespräch mit einzelnen Soldaten suchten. Sie fragten, woher sie denn kämen, welchen Auftrag sie gerade in der Großübung hätten, oder sie interessierten sich für ihre Fahrzeuge und Ausrüstung. Generell hatten die Soldatinnen und Soldaten auf den Straßen und in den Städten nie das Gefühl, dass sie stören würden.
Der Schwere-Waffen-Zug veränderte mehrmals täglich seinen Standort. Mit ihren acht Fahrzeugen waren sie viel unauffälliger als der große Panzerkonvoi, den sie bekämpfen sollten. Kaum zu sehen waren sie hinter aufgepflügten Schneehügeln, zwischen kleinen Häusern oder geparkten Lkws. Bis zum Ende von Cold Response konnten sie mehrere gegnerischen Panzer simuliert zerstören.
„Cold Response war für das Seebataillon ein Erfolg“, so Korvettenkapitän Staffelt am Ende des Manövers. Die Soldaten aus Eckernförde erlebten vor allem das „Wie funktioniert das?“. Dazu gehören für Staffelt auch die Details der Verfahren: „Die Männer lernten die Abläufe auf den großen Landungsschiffen wie auf den kleinen Landungsbooten.“
Das Wichtigste für Staffelt war aber, dass seine Soldaten ein Grundverständnis für amphibische Operationen bekommen. Sie trainierten die dafür notwendige militärische Zusammenarbeit, also die richtige Kombination aus Kampfschiffen, Transporthubschraubern und Landungsbooten. „Dieses große Spektrum an Ausbildung und Erfahrung nehmen die Soldaten von hier mit“, sagt Staffelt.
Impressionen