Überlebenstraining: Wer hat’s erfunden? Die Marine
Überlebenstraining: Wer hat’s erfunden? Die Marine
- Datum:
- Ort:
- Bremerhaven
- Lesedauer:
- 4 MIN
Drei Mal pro Jahr nutzt die Schweizer Luftwaffe die Ausbildungseinrichtungen der Deutschen Marine. Die Eidgenossen reisten zur Marineoperationsschule in Bremerhaven, um dort das „Survival training“ der Inspektion „Überleben auf See“ zu absolvieren.
Ein paar Brocken Italienisch, etwas Französisch und dann – Schwyzerdütsch. Die Schwimmhalle der Inspektion „Überleben auf See“ an der Marineoperationsschule (MOSMarineoperationsschule) gehörte für zwei Tage voll und ganz der Schweizer Luftwaffe. Denn wer mit einem Flugzeug oder Hubschrauber über Wasser fliegt, muss sein Rettungsgerät kennen und wissen, wie er sich aus dem sinkenden Luftfahrzeug retten kann. Seit einigen Jahren auch eine Anforderung an die Piloten aus dem Alpenstaat.
Die Marineflieger der Bundeswehr sind eigentlich bei jedem Flug über dem Element Wasser unterwegs. Für andere ist das nicht selbstverständlich. Daher bildet die Marine in der Inspektion „Überleben auf See“ der MOSMarineoperationsschule in Bremerhaven nicht nur ihre eigenen Soldaten, sowie die Kameraden von Heer und Luftwaffe aus, sondern mittlerweile kommen, neben Bundespolizei und Landespolizeien, auch ausländische Gäste hierfür nach Bremerhaven.
So benötigen auch die eidgenössischen Flieger eine erweiterte Ausbildung, seit sich die Schweizer Armee stärker an internationalen Friedens- und Hilfseinsätzen beteiligt. Vor allem seit einer humanitären Mission in Sumatra, nach schweren Erdbeben in Indonesien 2005. „In der Schweiz sind nur fünf Prozent des Staatsgebiets Gewässer. Aber durch diesen völlig anderen Einsatz in der Inselwelt Indonesiens hat man realisiert, dass auch wir eine Survival-Ausbildung brauchen“, erklärte Hauptmann Tobias Müller, leitender Ausbilder der Schweizer Luftwaffe. „Durch Recherche, wie andere Nationen das machen, und persönliche Kontakte haben wir recht schnell eine gute Kooperation mit der Deutschen Marine ins Leben gerufen.“
Man kennt sich und unterstützt sich. Und hier ist es Hilfe zur Selbsthilfe, denn das eingespielte Team aus der Schweiz bildet eigenverantwortlich aus, hat auch schon die Vorausbildung in der Heimat geleitet. Was die Schweizer Armee aber nicht selbst besitzt, ist der Ausstiegstrainer an der deutschen MOSMarineoperationsschule, der „Modular Egress Training Simulator“ (METS). Er kann in der gut sechs Meter tiefen Schwimmhalle die unterschiedlichsten Notlagen und Luftfahrzeugtypen realistisch darstellen.
Für die Piloten steht nun vor allem eine Übung im Fokus: ein Absturz über See, bei dem ein Hubschrauber über Kopf im Wasser landet. „Die insgesamt etwa 300 Mitglieder unseres fliegerischen Personals machen alle zwei Jahre ein Wasserrettungstraining bei uns zuhause in einem See“, schilderte Müller die Ausbildung in der Schweiz. „Aber alle sechs Jahre ist der Simulator dran.“
Er ist die Anreise aus der Alpenrepublik wert: der Ausstiegstrainer
Das Equipment der Schweizer ist größtenteils anders als bei den deutschen Kameraden. Deswegen bringen die Schweizer für ihre Ausbildung bis auf Kälteschutzanzüge und Rettungsinseln alles selbst mit: wie zum Beispiel die Sauerstoffflaschen für den „Short term air supply“, Schwimmwesten oder Notfunkgeräte. „Solche Übungen für den Ernstfall machen ja auch nur Sinn, wenn man so trainiert hat, wie man sich real verhalten soll. Darum nehmen wir auch unsere eigenen Rettungsmittel“, erläuterte er weiter.
Die MOSMarineoperationsschule-Inspektion „Überleben auf See“ bildet in verschiedenen Modellen Personal außerhalb der Bundeswehr aus. Bundes- und Landespolizeien beispielsweise haben in jedem Überlebenslehrgang „Hubschrauber“ zwei Plätze für ihre Piloten reserviert. Einen Lehrgang an der MOSMarineoperationsschule komplett zu buchen, ist ebenso möglich. Die 37 Mann starke Inspektion bietet von Tauchern über Schwimmmeister bis hin zu Netzmachern oder Sattlern alle nötigen Experten für das harte Überlebenstraining im nassen Element. Jedes Jahr bringen sie in rund 130 Lehrgängen über 2.000 Lehrgangsteilnehmern alles Wichtige für das Überleben im Wasser bei – vom jüngsten Soldaten bis zum General oder Admiral.
Alle diese Schüler müssen am zweiten Praxistag eines jeden Lehrgangs durch das „Open sea survival training“, mal in der Nordsee vor der Insel Neuwerk, mal in der Weser direkt vor der Haustür. So auch die Hubschrauberpiloten aus der Schweiz: Frühmorgens zogen sich die neun Flieger ihre Kälteschutzanzüge an und fuhren mit Booten der MOSMarineoperationsschule über den Weser-Nebenfluss Geeste zum Übungsgebiet im Fischereihafen vor der Bredowerft.
Dort stellten sie sich der Herausforderung: Sie springen in voller Montur ins kalte Wasser. Dann folgen von einem der Beiboote die Rettungsinseln, und dann anschließend müssen alle hineinklettern.
Auch wenn sie zuhause in der Schweiz immer draußen üben, ist es doch etwas ganz Anderes in großen fließenden Gewässer oder der bewegten Nordsee als Gruppe zusammenzubleiben und in ihre Rettungsinsel zu steigen. „Das sind die Grundprinzipien bei Seenot: Raus aus dem Wasser! Und: Eine Gruppe findet und rettet man leichter“, erläuterte der deutsche Ausbilder die Übung.
Bald, nachdem alle Neun es in ihre Insel geschafft hatten, erschien die Rettung in Form eines SARSearch and Rescue-Hubschraubers „Sea King“. Er winschte die Lehrgangsteilnehmer aus der Rettungsinsel heraus und setzte sie auf den Begleitbooten wieder ab. Auch diesen Abschnitt der Ausbildung hatten die Schweizer Gäste abgeschlossen und fuhren glücklich wieder nach Hause.