Marine
Landesverteidigung

Objekt- und Heimatschutz: Resolute Guard 21

Vom 31. August bis zum 2. September lief im Marinestützpunkt Kiel eine Übung. Das Besondere daran: Es trainierten ausschließlich Reservistinnen und Reservisten.

Überprüfung von verdächtgen Fahrzeugen im Checkpoint

Die Landes- und Bündnisverteidigung hat in jüngster Vergangenheit immer mehr an Bedeutung gewonnen. Grund sind militärische Konflikte in unmittelbarer Nähe zu Deutschland. Die Marine hat mit Blick auf diese Gefahr beschlossen, Objektschutzkräfte neu auszubilden. Deren Personal besteht im Wesentlichen aus Reservistinnen und Reservisten – eine Premiere bei der Bundeswehr.

Ein Pilotprojekt für den Heimatschutz

Hafenschutzübungen gab es in der Vergangenheit bei der Einsatzflottille 1 schon öfters. Aber der Aspekt, dass freiwillige Reservisten, also nicht aktive Soldaten, die Gefahrenabwehr übernehmen, ist etwas Neues. Auf Erfahrungen diesbezüglich können sich die Ausbilder und Organisatoren nicht stützen. Die Beteiligten müssen deshalb vieles neu lernen. Korvettenkapitän Patrick Voß, der Projektleiter von Resolute Guard, beschreibt die Besonderheit der Ausbildung: „Wir haben viele Dinge, die wir in der Lage erst lernen, an denen wir uns versuchen müssen. Manches läuft auch ad hoc nicht ganz sauber – aber genau das sind die Erfahrungen, die wir sammeln wollen.“

Tatsächlich beginnt der Lernprozess für die Ausbildungsleitung bereits bei Finden der Freiwilligen. Per Anschreiben und in den Sozialen Medien hat die Marine geworben. Am Ende kamen 78 Reservistinnen und Reservisten zur Ausbildung. Dann folgte die nächste Hürde: „Das regelmäßige Zusammenführen der Reservisten in das bestehende Team ist ein riesiger administrativer Aufwand,“ so Voß. Denn der Großteil der Truppe hat einen festen Job und muss die Ausbildung damit unter einen Hut bringen. Geplant sind zwei weitere Ausbildungsdurchgänge bis ins Jahr 2023 hinein.

Force protection für eine Marinebasis

Seit April 2021 läuft dieses Pilotprojekt der Einsatzflottille 1. Die frisch ausgebildeten Reservesoldaten sollen zukünftig den Schutz der Marinestützpunkte, des Marinefliegerhorstes, der Marinefunkstellen und der Operationszentrale des Marinekommandos übernehmen. Die Übung Resolute Guard 21 war der Höhepunkt ihrer Ausbildung.

Seit dem 23. August versammelten sich alle Freiwilligen in einem Feldlager im Marinestützpunkt Kiel und bereiteten sich auf dieses Finale vor: einen simulierten Angriff auf den Hafenbereich der Kieler Bundeswehrliegenschaft. Die Übung beinhaltete unter anderen den Schutz gegen Bedrohungen aus der Luft, von Land und vom Wasser aus.

Finale an der Kieler Förde

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  • Mehrere Soldaten marschieren in Uniform nebeneinander.
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    Das Camp

    Das Feldlager der Reservisten

    Bundeswehr/Marcel Kröncke

    Wie es sich für richtige Infanteristen gehört, schlafen alle in einem selbsterrichteten Camp. Innerhalb einer Woche errichteten die 78 Reservisten, mit der Unterstützung des Seebataillons aus Alt Duvenstedt, ein Lager. Hier leben die Teilnehmer der Übung zusammen - natürlich außerhalb ihres Wachdienstes.

    Bootsmann der Reserve Tim Hoffmeister ist Trainingsteilnehmer seit Tag Eins. Außerhalb arbeitet er bei der Fluggesellschaft Eurowings. Er hat die volle Unterstützung seines Arbeitgebers. „Es ist überhaupt kein Problem gewesen, dass ich mich für das Pilotprojekt eingeschrieben habe,“ sagt Bootsmann Hoffmeister. „Ich muss meinem Chef nur immer berichten, was wir die Woche über gemacht haben,“ fügte er mit einem Lächeln hinzu. Dieser interessiert sich auch für die Ausbildung. Mit seinen Kameraden versteht er sich auch bestens. „Alle sind hoch motiviert. Es gibt niemanden der nicht mit Freude bei der Sache ist. Wir sind ja auch alle freiwillig hier.“

    Bootsmann der Reserve Tim Hoffmeister

    Bootsmann der Reserve Tim Hoffmeister

    Bundeswehr/Marcel Kröncke


  • Das Innere eines großen Zeltes
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    Die Unterkünfte

    Eine Wachschicht dauert sechs Stunden, dann wird gewechselt. Ein straffer Plan, der durchaus so im Ernstfall eintreten könnte. In der wachfreien Zeit schlafen und essen die Ausbildungsteilnehmer in den selbsterrichteten Unterkünften. Privatsphäre existiert hier wenig bis gar nicht. Alle müssen sich deshalb untereinander arrangieren, auch wenn es durchaus Tendenzen für kleine Reibereien geben könnte. Denn die Altersspanne reicht bei den Reservisten von Anfang 20 bis über 50, doch die Soldatinnen und Soldaten halten alle zusammen.

    Unterkunft der Reservisten

    Bundeswehr/Marcel Kröncke


    Oberstabsbootsmann der Reserve Martin Liedtke-Bentlage ist als Kompaniefeldwebel der Marineobjektschutzkompanie des Seebataillons in Duvenstedt eingesetzt. Als Spieß ist er immer nah an seinen Schützlingen dran. Er sieht den Altersunterschied nicht als Problem, sondern als Gewinn: „Wir haben es hier mit recht jungen Leuten zu tun, die in ihren Zwanzigern sind. Wir haben aber hier auch die alten Hasen, die teilweise über 50 sind. Und das ist eine gute Mischung, wo sich beide in ihren unterschiedlichen Funktionen befruchten und entsprechend auch weiterhelfen können. Alt hilft Jung – Jung hilft Alt, da sehe ich eher viel Positives als dass man das vielleicht in irgendeiner Form negieren würde.“

  • Zwei Köche bereiten Essen zu.
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    Die Feldküche

    Ohne Mampf kein Kampf – diesen Leitspruch hören die Soldatinnen und Soldaten oft bei der Bundeswehr. 180 bis 200 Gramm Fleisch pro Person bereiten die Köche für jede Mahlzeit zu. Auch das Gemüse darf hier nicht fehlen, was ungefähr in der Menge dem Fleisch entspricht. Für die Objektschutzübung haben die Ausbildungsteilnehmer eine Feldküche, welche für ihr leibliches Wohl sorgt.

    Sieben Köche arbeiten von 4 Uhr morgens bis 23 Uhr daran, rund 120 Soldaten mit mindestens drei ausgewogenen Gerichten zu versorgen. Frühstück, Mittag, Abendbrot – zu den klassischen Mahlzeiten kommt in der scharfen Übungsphase der Mittelwächter hinzu: um 23:15 Uhr bekommen die Soldaten noch einen kleinen Snack. Und auch auf das obligatorische Stück Kuchen um 16 Uhr müssen die Soldaten nicht verzichten.

    Truppenküche für die Reservisten

    Bundeswehr/Marcel Kröncke


  • Im Stützpunkt wurde ein Checkpoint eingerichtet.
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    Der Checkpoint

    Die Leitung der Übung Resolute Guard hat die zweithöchste Gefährdungsstufe der Bundeswehr ausgerufen - Charlie. Das bedeutet, es existiert eine konkrete Gefahr wie beispielsweise terroristische Anschläge oder Sabotage. Gefährdungsstufen bezeichnen Soldaten aufsteigend mit Alpha, Bravo, Charlie und Delta.

    Absperrung vor dem Checkpoint

    Bundeswehr/Marcel Kröncke


    Ein Teil des Militärhafens des Marinestützpunkt Kiel haben die Soldaten durch S-Draht und andere Straßensperren abgesichert. Speziell üben die Reservisten die Abwehr von Drohnen und den Angriff vom Wasser aus. Aber auch Fahrzeuge und Personen kontrollieren die Soldaten.

    Hauptbootsmann der Reserve Michael Aurich, einer der Checkpoint-Führer, erklärt die Aufgaben seiner Soldaten: „Wir organisieren die Ein- und Ausfahrten der Fahrzeuge für die Sperrmole. Wir werden Fahrzeuge überprüfen und abspiegeln. Aber auch Personen werden kontrolliert.“ Und das geschieht durchgängig 52-Stunden-lang. Die Soldaten wechseln alle sechs Stunden durch, um bei jedem Zwischenfall konzentriert zu sein.

    Am Checkpoint wird nachts ein verdächtiges Fahrzeug angehalten.

    Am Checkpoint wird nachts ein verdächtiges Fahrzeug angehalten.

    Bundeswehr/Marcel Kröncke
  • Überprüfung von verdächtgen Fahrzeugen beim Checkpoint.
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    Fahrzeugkontrolle

    Hauptbootsmann Aurich erklärt weiter, was bei einer Fahrzeugkontrolle wichtig ist: „Man muss bei der Kontrolle unterscheiden: Haben wir ein Dienst-KFZKraftfahrzeug, mit Soldaten besetzt, wird von außen abgespiegelt. Kann man sehen ob etwas am Fahrzeug angebracht wurde? Mit dem Spiegel den Fahrzeugboden abchecken, die Radkästen und einmal aufs Dach gucken und dann dürfen die Soldaten zügig weiterfahren.“

    Im Checkpoint wird ein verdächtiges Fahrzeug überprüft.

    Bundeswehr/Marcel Kröncke



    Anders sieht es bei Privatpersonen aus. Diese überprüfen die Soldaten intensiver. Als erstes brauchen die Zivillisten einen Berechtigungsausweis für die Sperrzone. Dann geht es für die Ankömmlinge zur Kontrolle weiter: „Beim Privat-KFZKraftfahrzeug spiegeln wir dann nicht nur von außen ab, sondern dann heißt es wirklich Ausräumen. Gucken, was ist im Kofferraum, was im Handschuhfach – ausräumen lassen und nach gefährlichen Gegenständen Ausschau halten. Das können Waffen sein, können irgendwelche dubiosen Drähte sein, die aus den Sitzen schauen. Das muss der Leitung gemeldet werden.“ Während Soldaten das Fahrzeug auf Herz und Nieren durchscannen, geht es für Fahrer und eventuelle Beifahrer weiter zur Personenkontrolle.

  • Personenkontrolle am Checkpoint
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    Personenkontrolle

    Abgeschirmt von neugierigen Blicken, in einem separaten Zelt, erfolgt die Personenkontrolle. Im normalen Fall untersuchen die Kontrolleure die Personen durch oberflächliches Abtasten und lassen deren Taschen ausleeren. Hier schauen Hauptbootsmann Aurich und seine Kameraden erneut, ob irgendwelche Waffen eingeschmuggelt wurden. Verhält sich Jemand hingegen seltsam oder verdächtig, müssen die Soldaten die Überprüfung intensivieren.

    Personenkontrolle am Checkpoint.

    Bundeswehr/Marcel Kröncke


    Checkpoint-Führer Hauptbootsmann Aurich erklärt: „Wir sind nett und freundlich, aber bestimmt. Wir lassen die zu durchsuchenden Personen die Taschen auspacken, dann grob abstreifen (Anm. d. Red.: mit beiden Händen über den Körper fahren, um verdächtige Gegenstände am Körper zu ertasten). Haben wir natürlich eine konkrete Gefährdung wird das ganze intensiviert. Dann alles ganz genau abtasten, Brustkorb, unter den Achseln und auch im Schrittbereich. Die Leute müssen sich also nicht komplett ausziehen aber wir tasten also alles gründlich ab.“ Untersucht wird eine Person vom Kopf- bis zum Fußbereich. Dabei gilt immer: Männer werden von männlichen Soldaten überprüft und eine Frau wird von einer Soldatin kontrolliert. Den Durchsucher, bei der Personen- wie auch bei der Fahrzeugkontrolle, sichert immer mindestens eine weitere Person mit einer Schusswaffe in angemessener Entfernung.

  • Die Polizei übt mit und steht mit Ihrer expertise im Bereich Drohnenflug zur verfügung.
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    „Drohnenabwehr“

    „Drohnenabwehr“ – damit ist die Abwehr von unbemannten Klein- und Kleinstflugzeugen gemäß NATONorth Atlantic Treaty Organization-Klassifizierung gemeint. Denn nicht nur gegen unbefugten Zugang in die Sperrzone müssen sich die Übungsteilnehmer von Resolute Guard wehren. Sie müssen auch mit Sabotage und Ausspähung rechnen. In der heutigen Zeit gehen diese Gefahren nicht nur von Personen aus – mit dem technischen Fortschritt haben potentielle Gegner andere Möglichkeiten, um an Informationen zu gelangen. Eine dieser Möglichkeiten ist der Einsatz von Klein- oder Kleinstdrohnen.

    Bei der 52 Stunden andauernden Übung gehen die Blicke der Reservisten deshalb auch immer wieder in den Himmel. Denn immer wieder kreist ein ferngesteuerter Beobachter über deren Köpfe. Die Aufgabe der Trainierenden ist hier, die fremde Drohne zu erfassen und die Information an die Übungsleitung weiter zu geben. Diese entscheidet was der nächste Schritt sein wird. Ist es wirklich eine fremde Drohne? Denn zur Überwachung der Sperrzone nutzen auch die eigenen Soldaten unbemannte Kleinstflugzeuge. Unterstützt werden die Reservisten von der Flugabwehrraketengruppe 61. Handelt es sich dabei tatsächlich um einen feindlichen Späher, wird dieser mit einem ganz speziellen System abgewehrt.

    Hier kommt das tragbare System der Bundeswehr HP 47 zum Einsatz. Dieser Störsender unterbindet  die Kommunikation einer Drohne zu ihrem Steuergerät. Deren weiterer Einsatz wird damit unterbunden.

  • Die Reservisten vertreiben mit den Speebooten Eindringlinge im Marinestützpunkt.
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    Angriffe vom Wasser aus

    Neben Bedrohungen von Land und aus der Luft, trainieren die Teilnehmer die Abwehr einer Gefahr vom Wasser aus. Diese kann bei einem Marinestützpunkt wie dem in Kiel in einem Ernstfall durchaus häufiger passieren. Bei dieser Übung simulieren Rollenspieler der Bundeswehr Angriffe von einem Boot aus. Hier heißt es Gefahr erkennen und der Leitung melden. Die unerwünschten Besucher werden dann von Soldaten des Seebataillons mit Hilfe von Speedbooten, den sogenannten Boomerangern, überprüft und im Ernstfall abgedrängt.

    Die Reservisten vertreiben mit den Speebooten Eindringlinge im Marinestützpunkt.

    Bundeswehr/Marcel Kröncke
  • Ein Marineoffizier steht mit anderen Soldaten in einem zelt und spricht.
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    Hoher Besuch

    Das Pilotprojekt der Einsatzflottille 1 mit der dazugehörigen Übung Resolute Guard trifft auf großes Interesse innerhalb der Bundeswehr. Vom Fortschritt der rund 80 Teilnehmer überzeugte sich neben dem Befehlshaber der Flotte, Vizeadmiral Rainer Brinkmann, auch der stellvertretende Generalinspekteur der Bundeswehr, Generalleutnant Markus Laubenthal.

    Ein Marineoffizier in Flecktarn lässt sich vor einem Tisch von einem anderen Soldaten etwas erklären.

    Generalleutnant Markus Laubenthal im Führungszelt

    Bundeswehr/Marcel Kröncke


    Die beiden Offiziere nutzten ihre Besuche, welche zeitlich nacheinander folgten, um mit den Übungsteilnehmern und Ausbildern zu sprechen und ein Gesamtbild über die Ausbildung zu gewinnen. Am Ende der jeweiligen Besichtigung bedankten sie sich bei den Freiwilligen, die mit viel Engagement bei der Sache sind. Vizeadmiral Brinkmann lobte das Projekt: „Ich denke, dass alle unsere Erwartungen an das Pilotprojekt erfüllt worden sind. Wir haben uns versprochen, dass wir Erkenntnisse sammeln über das Gewinnen von Reservisten, das Trainieren von Reservisten und die notwendige Infrastruktur zur Unterbringung dieser Kräfte. Viele Informationen, die wir jetzt gewonnen haben, müssen wir in weitere Überlegungen und künftige Ausbildung einfließen lassen.

    von Oleg Dietzmann | Fotos: Marcel Kröncke | E-Mail schreiben

Veröffentlicht am: 14.09.2022 zuletzt aktualisiert am: 14.09.2022
Ort: Rostock    
Lesedauer: 9 Minuten

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