Operation Irini: Auf Patrouille gegen Embargobrecher
Operation Irini: Auf Patrouille gegen Embargobrecher
- Datum:
- Ort:
- Berlin
- Lesedauer:
- 4 MIN
Der Nahostbeauftragte des Auswärtigen Amts Christian Buck hat einen Einsatzflug bei EUNAVFOREuropean Union Naval Force MEDMediterranean Irini über dem Mittelmeer mitgemacht. Der Diplomat erlebte live, wie die Marineflieger Daten sammeln, die der UNUnited Nations-Sicherheitsrat braucht.
Libyen steht unter einem Waffenembargo der Vereinten Nationen: keine Waffen rein, keine Waffen raus. Theoretisch. Wenn sich alle daran halten würden, wäre der Konflikt längst beendet. Tun sie aber nicht. Jetzt droht der Konflikt weiter zu eskalieren.
Die Bundesregierung hatte die Unterstützer der Konfliktparteien im Januar 2020 zur Berliner Libyen-Konferenz geladen, bei der Regierungschefs und Außenminister ein verbindliches Dokument beschlossen haben. Wichtigster Punkt: Alle müssen sich an das Embargo halten.
Um das zu überwachen, hat die Europäische Union im März die militärische Operation EUNAVFOREuropean Union Naval Force MEDMediterranean Irini beschlossen. Die Bundeswehr beteiligt sich daran bisher mit einem Langstrecken-Aufklärungsflugzeug P-3C Orion, ab Mitte August mit der Fregatte „Hamburg“.
Im Einsatz über dem zentralen Mittelmeer: Was bedeutet das konkret?
Die zwölfköpfige Crew der P-3C Orion macht sich bereit für die Überwachungsmission über dem Mittelmeer. Es ist noch dunkel, als sie am Standort des Marinefliegergeschwaders 3 „Graf Zeppelin“ in Nordholz zum Wetter- und Einsatzbriefing fahren. Die viermotorige Maschine wird beladen und betankt. Die Mission: ein bestimmtes Seegebiet vor Bengasi überwachen. Das ist ziemlich weit weg von Nordholz. Es wird ein langer Tag.
Ich fliege heute als Gast mit, genau genommen als „additional crew member“. Ich habe meinen Schreibtisch als Nahostbeauftragter des Auswärtigen Amts für diesen Einsatz mit einem Jumpseat (eine Art Klappstuhl) an Bord des über 30 Jahre alten Seefernaufklärers getauscht, meinen Anzug gegen eine Uniform. Als Reserveoffizier des Heeres bin ich für kurze Zeit zurück im aktiven Dienst. Mich begleitet ein Fregattenkapitän aus dem Einsatzstab des Einsatzführungskommandos in Potsdam. Wir wollen sehen, ob und wie das politische Ziel der Mission erreicht werden kann.
Was kann man aus der Luft ausrichten gegen jemanden, der absichtlich und meist gut getarnt schwere Waffensysteme auf ein ziviles Handelsschiff packt und sie nach Libyen spediert, als wären es Mähdrescher oder Mehlsäcke? Erstaunlich viel, werde ich heute lernen. Und der eine oder andere Schiffskapitän sicher auch, der dachte unerkannt zu bleiben. Nicht für die P-3C Orion, die hauptsächlich für die U-Boot-Jagd gedacht ist.
Beweise gegen Rechtsbrecher aus der Luft sammeln
Wir erreichen das zugewiesene Seegebiet, der Einsatz kann beginnen. Nach Verlassen der Reiseflughöhe wird aus unserem Callsign „German Navy 4530“ ein taktischer Deckname, der nach Top Gun klingt. In den nächsten Stunden werden wir zu einer Seepatrouille in der Luft, die verdächtige Schiffe sucht – und findet. Geführt von einem italienischen Admiral über die Funkzentrale eines griechischen Schiffs. Wir sind Europa.
Den Sensoren des Aufklärers entgeht nichts. Jeder Radarkontakt wird überprüft. Ist es ein Schiff oder nur ein über Bord gegangener Kühlschrank? Hat es wie vorgeschrieben den Transponder eingeschaltet, der Kennung und Navigationsdaten sendet? Wenn nein, warum nicht? Hat der Kapitän etwas zu verbergen?
An den Stationen (so etwas wie fliegende Schreibtische mit Knöpfen und Bildschirmen, mit denen das Flugzeug vollgestopft ist) wird es jetzt lebhaft. Die extrem kompetenten Operateurinnen und Operateure rufen das Schiff per Funk an, erklären höflich aber bestimmt ihr von EUEuropäische Union und UNUnited Nations-Sicherheitsrat erteiltes Mandat und fragen nach Ziel und Ladung. Stimmt die Registrierung am Rumpf mit dem Schiffsregister? Der Bordkamera entgeht nichts. Also wirklich gar nichts. Wirkt etwas verdächtig, wird später weiter ermittelt; die Akte geht an den Sanktionsausschuss des Sicherheitsrats in New York und notfalls vor Gericht.
Peinliche Fragen vor dem UNUnited Nations-Sicherheitsrat
Natürlich kann man ein Schiff nicht aus der Luft anhalten und durchsuchen. Das kann man auch auf dem Wasser nicht so einfach, wenn der Flaggenstaat das verweigert. Aber die EUEuropäische Union-Operation IRINI kann den Preis für einen Bruch des Embargos erhöhen. Sie kann Reedereien mit Sanktionen belegen, sie kann anderen Regierungen peinliche Fragen stellen, sie kann Verstöße dokumentieren und öffentlich machen. Unbemerkt bleibt Waffenschmuggel nach Libyen mit dieser EUEuropäische Union-Operation jedenfalls nicht mehr. Übrigens auch nicht per Land oder als Luftfracht, dafür sorgen Bilder des EUEuropäische Union-Satellitenzentrums.
Die P-3C landet am Abend wieder, mit zwölf plus zwei ziemlich müden, aber zufriedenen Besatzungsmitgliedern. Im Gepäck jede Menge Daten, die aufbereitet, abgeglichen und verarbeitet werden. Vielleicht brauchen wir sie später als Beweismittel, um gegen Firmen oder Personen vorzugehen, die das Waffenembargo unterlaufen haben. Wenn wir das erreichen, oder noch besser: Wenn die Zahl der verdächtigen Schiffe abnimmt, dann haben wir unser Ziel erreicht. Die Marine hat heute dazu einen Beitrag geleistet.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Pressestelle des Auswärtigen Amts.