Multitool Marine immer stärker gefordert
Multitool Marine immer stärker gefordert
- Datum:
- Ort:
- Rostock
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Sichere und freie Seewege weltweit wie auch in heimischen Gewässern waren Leitmotiv des Jahres 2024 für die Marine. Die deutschen Seestreitkräfte blicken auf intensive zwölf Monate zurück. Gleichzeitig Verteidigungsfähigkeiten zu stärken und zum internationalen Krisenmanagement beizutragen, ist eine große Herausforderung.
Ein ungehinderter Schiffsverkehr ist nicht nur für die Handelsnation Deutschland Basis des Wohlstandes, sondern für alle Länder von grundlegendem strategischem Interesse. Die Rivalität um das richtige politische System und um Macht und Einfluss führen zu wachsenden geopolitischen Spannungen, die auch die maritime Sicherheit unter Druck setzen und zur Instabilität in verschiedenen Seegebieten führen.
Ein Leitmotiv des Engagements der Marine in den verschiedenen Regionen der Welt ist daher, die regelbasierte internationale Ordnung und multinationale Kooperation zu fördern. Denn dies ist der beste Schutz für die maritimen Handelswege.
Doch spätestens die Angriffe der jemenitischen Huthi-Rebellen auf den Schiffsverkehr im Roten Meer seit Ende 2023 zeigen: Selbst Krisenbewältigungseinsätze können Seestreitkräften ein Spektrum an Fähigkeiten abverlangen, die sie auch in einem großen zwischenstaatlichen Konflikt benötigen würden.
Maritimer Terrorismus setzt auf hochintensiven Seekrieg
Denn die militärischen Waffen der Huthi stammen de facto aus den Arsenalen ihrer staatlichen Unterstützer. Sie benutzen nicht mehr nur Sturmgewehre und Panzerfäuste wie Piraten, sondern ballistische Anti-Schiff-Raketen und Seeziel-Lenkflugkörper sowie Flug-, Überwasser- und Unterwasserdrohnen. Hinzu kommen in möglichen Krisen und Konflikten weltweit potenziell disruptive Technologien, die die Schlachtfelder von heute und sehr wahrscheinlich auch von morgen prägen.
Das bedeutet ganz praktisch für die Deutsche Marine: Sie muss wirklich jederzeit in der Lage sein, sich in komplexen mehrdimensionalen Einsätzen – bis hin zum intensiven Seegefecht – durchsetzen zu können. Nur so kann sie auf alle Arten von Kriseneinsätzen vorbereitet sein. Und zur gleichen Zeit steigen die Erwartungen der NATONorth Atlantic Treaty Organization an ihre Mitglieder angesichts der Bedrohungen, vor allem durch Russland.
Wo nur einige der maritimen Gefahren weltweit liegen, zeigt zunächst ein Blick in die aktuellen Missionen der Marine:
- die Beteiligung an zwei der vier ständigen maritimen NATONorth Atlantic Treaty Organization-Verbände in Nord- und Ostsee,
- die Anti-Terror-Operation Sea Guardian der NATONorth Atlantic Treaty Organization im gesamten Mittelmeer,
- der Schutz der Seewege durch den Einsatz EUNAVFOREuropean Union Naval Force Aspides im Roten Meer,
- der Waffenembargo-Einsatz UNIFILUnited Nations Interim Force in Lebanon vor der Küste des Libanon und im Land selbst,
- der Waffenembargo-Einsatz EUNAVFOREuropean Union Naval Force Irini im zentralen Mittelmeer sowie
- die gegen Menschenschmuggel gerichtete NATONorth Atlantic Treaty Organization-Aktivität in der Ägäis.
Zudem engagiert sich die Marine weiterhin bei der Ausbildung ukrainischer Streitkräfte.
Zu diesen aktuellen Einsätzen hinzukommen maritime Gefahren durch Auswirkungen des Krieges in der Ukraine im Schwarzen Meer wie auch wachsende Spannungen im Indo-Pazifik. Diese und andere Konfliktherde auf der ganzen Welt beeinflussen und verstärken sich zunehmend gegenseitig. Die von beiden Ländern selbst sogenannte „grenzenlose Freundschaft“ zwischen China und Russland spielt da genauso hinein wie die militärische Unterstützung aus dem Iran und Nordkorea für Russland.
Flottenpräsenz im Einsatz fürs Völkerrecht
Währenddessen hat die Marine 2024 mit ihrem Indo-Pacific Deployment (IPDIndo-Pacific Deployment) erneut Flagge für die Freiheit der Seewege gezeigt – wie bereits 2021. Von Mai bis Dezember war ein Verband von zwei deutschen Kriegsschiffen weltweit unterwegs – dazu gehörte auch der Transit durch die internationalen Gewässer zwischen dem Festland-China und der Insel Taiwan.
Das IPDIndo-Pacific Deployment 2024 war auch ein Großvorhaben deutscher maritimer Verteidigungsdiplomatie. Die Fregatte „Baden-Württemberg“ und der Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ besuchten Häfen bei strategischen Partnern und nahmen an vielen Marinemanövern mit einem oder mehreren Partnern teil. Nicht zuletzt beteiligten sie sich an Operationen wie der Überwachung der Nordkorea-Sanktionen der UNUnited Nations.
Wieder in heimischen Gewässern war die Aufstellung des maritimen Commander Task Force Baltic (CTFCommander Task Force Baltic) im Oktober 2024 ein Meilenstein. Die Deutsche Marine übernahm damit eine Führungsrolle für ihre NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partner in der Ostsee. Im Hintergrund steht, dass im Hinblick auf die euroatlantische Sicherheit vor allem die Ostsee, aber auch die Nordsee, der Atlantische Ozean und das arktische Meer wieder zunehmend in den Fokus deutscher Verteidigungsplanungen gerückt sind.
Mehr Verantwortung Deutschlands an Nord- und Ostflanke
Denn zum Engagement der Marine für freie Seewege gehört auch die Verteidigung von Seeverbindungslinien in heimischen und alliierten Gewässern. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine mit der zeitweisen Blockade des ukrainischen Getreideexports hat in Erinnerung gerufen, dass zwischenstaatliche Kriege vielfältige Auswirkungen auf Seehandel, Bevölkerungsversorgung und militärischen Nachschub haben.
Aufgaben des neuen regionalen Führungsstabs CTFCommander Task Force Baltic sind nun, gemeinsame Marine-Übungen und -Operationen der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostsee-Partner zu planen – als Teil der Abschreckungsbemühungen des Bündnisses – sowie ein gemeinsames maritimes Lagebild zu erstellen.
Zu letzterem gehört auch, Bewegungen des zivilen Schiffsverkehrs in diesem Seeraum zu analysieren – gerade hinsichtlich möglicher Bedrohungen. Das wären nicht nur Kriegsschiffe, sondern auch Manipulation der GPSGlobal Positioning System-Navigation, die russische Schattenflotte zur Sanktionsumgehung, die Verkehr und Umwelt gefährdet, oder russische und chinesische Forschungsschiffe, die maritime Infrastruktur kartieren. Die enge Kooperation mit unseren Partnern ist gerade in der Ostsee von essenzieller Bedeutung, gehört sie doch zu den Gewässern mit der höchsten Verkehrsdichte der Welt.
Ein umfassendes Lagebild im Kontinuum von Frieden, Krise und Konflikt in Verbindung mit möglichst breiter Marinepräsenz soll auch dazu dienen, von Sabotageakten an maritimer kritischer Infrastruktur abzuschrecken. Denn Häfen, Unterwasserinfrastruktur, Schifffahrtswege und Offshore-Anlagen sind unverzichtbar für den Energie- und Warenfluss und damit für die deutsche Wirtschaft.
Gleichzeitigkeit der Krisen fordert entscheidendes Handeln
Das Jahr 2024 hat für die Deutsche Marine insgesamt vor allem Eines demonstriert: Die Gleichzeitigkeit aller Aufgaben, die zu erfüllen sind, stellt die Seestreitkräfte vor enorme Herausforderungen. Ihnen zu begegnen beziehungsweise begegnen zu können, stellt bereits heute große Anforderungen an die Einsatzbereitschaft der deutschen Marinesoldatinnen und -soldaten wie auch der zur Verfügung stehenden Schiffe und Boote, Flugzeuge und Hubschrauber. Diese Anforderungen zu erfüllen, wird der Marine personell wie auch materiell künftig alles abverlangen.
Absehbar erfordert das weitere Investitionen für die begonnene Ertüchtigung der bestehenden Flotte sowie den Generationenwechsel mit neuen Systemen. Leuchtturmvorhaben sind: Die gemeinsam mit Norwegen entwickelten U-Boote (U212 CD), Seeaufklärungsdrohnen und die Luftverteidigungsfregatten der Klasse 127.
Das geht nicht auf Sparflamme: Die Marine braucht – wie die Bundeswehr insgesamt – breite politische und gesellschaftliche Unterstützung. Dies ist besonders für die kommenden Jahre entscheidend. Jahre, in denen ein potenzieller Gegner Russland sich in die Lage versetzt, die NATONorth Atlantic Treaty Organization angreifen zu können. Davon abschrecken müssen eigene starke Streitkräfte, einschließlich einer starken Flotte.
Dies gilt umso mehr angesichts der Forderungen des wichtigsten Bündnispartners USA – auch und gerade nach den Präsidentschaftswahlen – und der europäischen Partner an Deutschland, gemäß seiner politischen und wirtschaftlichen Bedeutung ein zentraler Pfeiler europäischer Sicherheit zu werden. Der Schutz der Seewege wird dabei auch in Zukunft ein Leitmotiv bleiben.