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Rettung aufs Meer: „Es gilt mit dem zu leben, was man dabei hat“

Rettung aufs Meer: „Es gilt mit dem zu leben, was man dabei hat“

Datum:
Ort:
Rostock
Lesedauer:
4 MIN

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Fliehende Menschen aus einem Küstengebiet zu retten, ist eine wichtige Nebenaufgabe der Marine. Andreas Schmekel musste sie 2011 konkret umsetzen.

Ein Marineoffizier in dunkelblauer Uniform und mit weißer Schirmmütze.

Andreas Schmekel

Bundeswehr/Nico Theska

Die Bundeswehr hat Ende April hunderte Menschen aus den bürgerkriegsähnlichen Unruhen im Sudan gerettet. Für diese jüngste Evakuierungsoperation stand auch der Einsatzgruppenversorger „Bonn“ bereit, der zur Zeit im Mittelmeer operiert. 

Ähnlich war der Fall vor zwölf Jahren mit dem Schwesterschiff „Berlin“: Damals war sie zusammen mit den Fregatten „Brandenburg“ und „Rheinland-Pfalz“ als Einsatzausbildungsverband im Mittelmeer gewesen, als während der sogenannten Arabellion Anfang 2011 in Nordafrika Gewalt ausbrach. Europäische Staatsangehörige wurden unter anderem von der Luftwaffe aus Libyen evakuiert, die Marineschiffe retteten über den Landweg geflüchtete Ausländer aus Tunesien.

Erster Offizier der „Berlin“ war seinerzeit Andreas Schmekel. Heute ist der Kapitän zur See Gruppenleiter Operative Logistik im Marinekommando.

Herr Kap’tän, wie bereitet sich ein Marineschiff auf eine Evakuierungsmission vor?

Bei der Vorbereitung auf eine Evakuierungsmission ist es für die Schiffsführung, vor allem also Kommandant, Erster Offizier und Hauptabschnittsleiter, zum einen wichtig, sich ein möglichst klares Bild der Lage an Land zu verschaffen. Wer muss evakuiert werden? Wie viele Menschen sind zu evakuieren? Wie ist die Bedrohungslage? Wie lautet der konkrete Auftrag? Dies sind nur einige der drängendsten Fragen, die es zu klären gilt.

Folgend stellt sich die Frage, welche Ressourcen für die Erfüllung des Auftrags nötig sind und welche Ressourcen dem Schiff noch zugeführt werden müssen. Die Vorbereitung eines Marineschiffes ist also nie gänzlich gleich, unterscheidet sich der spezifische Auftrag doch jeweils wie auch die Fähigkeiten unserer Schiffe. Allein der Vergleich eines Einsatzgruppenversorgers mit einem Tender einer Korvette oder einer Fregatte der Klasse 125 zeigt deutliche Unterschiede auf.

Wie viele Menschen können an Bord genommen werden? Verfüge ich über ein Flugdeck mit Hubschraubern? Wie groß sind meine sanitätsdienstlichen Fähigkeiten? Über welche Fähigkeiten zum Eigenschutz verfüge ich? Wie lange müssen die Evakuierten an Bord verbleiben? Die Antworten darauf führen höchstwahrscheinlich zu dem Schluss, dass das Schiff noch zusätzliche Fähigkeiten und Material braucht. Denn der Hauptauftrag eines Marineschiffes ist nie die Evakuierung, demzufolge ist es immer nur bedingt auf eine Evakuierung vorbereitet.

Welche Unterstützung braucht ein Marineschiff beziehungsweise seine Besatzung dafür von außen?

Unterstützung kommt vorwiegend aus Deutschland und wird dort von verschiedensten Dienststellen gewährleistet. Insbesondere sind hier das Marinekommando, das Einsatzführungskommando, aber auch Dienststellen wie das Bundeswehr-Logistikzentrum zu nennen. Diverse weitere Stellen sind beteiligt – es handelt sich um ein Zusammenspiel der Kräfte.

Marinekommando und Einsatzführungskommando stellen noch vor der eigentlichen Evakuierungsoperation vor allem Lageinformationen bereit. Das passiert über Funk- und Satellitenverbindungen, wie bei anderen Einsätzen auch. Die Zuführung von Personal und Material aber kann theoretisch sehr umfangreich und aufwendig sein.

Ein graues Schiff in See; drüber schweben zwei Hubschrauber.

Der Einsatzgruppenversorger „Berlin“, hier bei einer Seenotrettungsübung 2016. Große Marineschiffe wie sie sind eine ideale Evakuierungsplattform vor der Küste einer Krisenregion.

Bundeswehr/Sascha Jonack

Zuzuführende Fähigkeiten können von Sprachmittlern über Ärzte, Feldjäger, Spezialkräfte und so weiter bis hin zur GSG9 der Bundespolizei reichen. Die materielle Verstärkung kann von zusätzlichen Schlauchbooten über Blutkonserven bis zu Dixitoiletten reichen. Bei allen Vorbereitungen gilt es, diese im Zusammenspiel mit den zuständigen Stellen in Deutschland schnellstmöglich zu realisieren. Schnelligkeit ist ein entscheidender Faktor.

Steht das Schiff aber weit entfernt von Deutschland im Einsatzgebiet, ist die materielle und personelle Unterstützung – wahrscheinlich – nicht möglich. Es gilt also, mit dem zu leben, was man auf dem Schiff dabei hat. Der Schlüssel zum Erfolg liegt also darin, sich möglichst gut vorzubereiten, solange es geht, und ab Zeitpunkt X flexibel die vorhandenen Ressourcen zu nutzen.

Was passiert in der Vorbereitung an Bord? Welche Räume stehen als vorübergehende Unterkunft bereit? Wie ist die Besatzung eingeteilt? Zum Beispiel die Smuts, die im Normalfall ja eine Nebenfunktion als Sanitäter haben.

Wo zu evakuierende Menschen an Bord untergebracht werden, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Hier ist zu betrachten, wie viele Menschen für wie lange an Bord genommen werden müssen. Sind Verletzte dabei? Wie schwer sind sie verletzt? Welche kulturellen Besonderheiten sind zu beachten? Wie wird das Wetter?

Es darf aber auch nur außer Acht gelassen werden, dass die Funktionalität des Schiffes erhalten bleiben muss, dass die Sicherheit von Schiff und Besatzung zu gewährleisten sind. Die Lösungen können dann sehr unterschiedlich aussehen. So waren bei der Operation Pegasus auf der „Berlin“ die zu evakuierenden im Schiff im sogenannten Längsgang zwischen den Betriebsräumen und zwei angrenzenden, leeren Lastenräumen untergebracht, während andere Einheiten ihre Hangars genutzt haben – jeweils unterschiedlich begründete Lösungen. Auch ist eine Unterbringung an Oberdeck denkbar, so bei der Operation Sophia bei vielen beteiligten Marineschiffen.

Hierbei ist die Besatzung einerseits eingesetzt, wie es der sichere Betrieb des Schiffes zulässt, andererseits werden zusätzliche Aufgaben nach Erfordernis verteilt. Hierbei hatten wir uns immer bemüht, die Besatzung ihren Stärken und Schwächen entsprechend einzuteilen. Das funktioniert in der Regel problemlos, da die Motivation in einer Notlage immer extrem groß ist.

Für unsere Smuts kann dies zum Beispiel bedeuten, dass sie nicht nur Speisen für die Besatzung zubereiten, sondern auch für die zu Evakuierenden. Oder sie arbeiten in ihrer permanenten Rolle als zusätzliches Sanitätspersonal … oder aber sie helfen schlicht bei der Betreuung der Geretteten. Flexibilität ist gefragt.

Was ist Ihnen aus der Operation Pegasus beziehungsweise den Evakuierungen aus Libyen und Tunesien im Februar und März 2011 noch besonders in Gedächtnis geblieben?

Bis heute ist mir im Gedächtnis geblieben, wie gut und schnell die Unterstützung aus Deutschland funktioniert hat. Und vor allem mit welcher Kreativität Soldaten, die noch nie vorher zusammengearbeitet hatten, effektiv, auf ein Ziel ausgerichtet, gearbeitet haben.

von  Interview: Marcus Mohr  E-Mail schreiben

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Tagesbefehl des Befehlshabers der Flotte vom 28. April 2023

Tagesbefehl zum Abschluss der militärischen Evakuierungsoperation Sudan

Download Tagesbefehl des Befehlshabers der Flotte vom 28. April 2023 PDF, nicht barrierefrei, 98 KB

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