Führungsverantwortung: Chefin auf der Brücke
Führungsverantwortung: Chefin auf der Brücke
- Datum:
- Ort:
- Rostock
- Lesedauer:
- 4 MIN
Korvettenkapitän Bianca Seifert hat ihre Prüfung bestanden: Jetzt kann sie erste Kommandantin einer Korvette werden.
Starker Nebel, Sichtverhältnisse unter 100 Meter – und die Besatzung hundemüde. Das waren die widrigen Gegebenheiten an Bord der Korvette „Oldenburg“, als Bianca Seifert ihre Kommandantenprüfung ablegen sollte. In ihrer Jugend hatte sie völlig andere Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft.
1997 besuchte die 16-Jährige eine Schule am Niederrhein. Dort legte sie ihr Abitur ab und ging etwas später für ein Jahr als Au-pair nach Amerika. Damals war für Seifert klar, dass sie nach der Zeit im Ausland ein Architekturstudium beginnen würde.
Ihr jüngerer Bruder leistete freiwilligen Wehrdienst bei der Marine. „Wir sprachen oft über seinen Dienst an Bord und wie abwechslungsreich sein Arbeitsalltag ist. Ich wurde neugierig und das Thema hat mich nicht mehr losgelassen“, erzählt die Marinesoldatin. Als Seifert 2001 davon erfuhr, dass nun alle Laufbahnen bei der Bundeswehr auch für Frauen geöffnet sind, machte sie ein Praktikum bei der Flotte.
Ein Marinepraktikum lenkte ihre Berufswahl
Ein paar Tage durfte sie in Kiel und Nordholz Marineluft schnuppern. „Es war toll! Ich habe dabei einen sehr guten Eindruck von dem spannenden Arbeitsumfeld an Bord bekommen. Ab diesem Zeitpunkt war ich fest entschlossen zur Marine gehen zu wollen“, so die heute 39-Jährige rückblickend. Nach erfolgreicher Bewerbung begann Seifert im Juli 2004 ihre Ausbildung zum Marineoffizier. Sie absolvierte die Grundausbildung in Flensburg, einschließlich auf dem Segelschulschiff „Gorch Fock“, studierte drei Jahre und wurde anschließend nach Wilhelmshaven auf die Fregatte „Lübeck“ versetzt.
„Der übliche Werdegang sieht eigentlich einen Studiengang an einer Universität der Bundeswehr vor, doch durch ein Pilotprojekt durfte ich an einer zivilen Hochschule Medienproduktion studieren“, erklärt Seifert. Geprägt von etlichen militärischen Lehrgängen und unzähligen Seemeilen nahm Seifert 2011 an ihrem ersten Auslandseinsatz am teil. „Ich hatte eine tolle Zeit. Die ersten großen Seefahrten sind immer besonders. Gerne erinnere ich mich an die Häfen auf den Seychellen oder in Madagaskar“, schwärmt sie.
Drei weitere Auslandseinsätze und viele Manöver später wurde Seifert 2017 nach Rostock-Warnemünde versetzt um den Posten als Erster Wachoffizier auf der Korvette „Ludwigshafen am Rhein“ zu besetzen. Fortan war die inzwischen erfahrene Seefahrerin als IWO, sprich „Eins We-Oh“, die rechte Hand des Kommandanten. Damit war ihr Weg zur Kommandantenprüfung in sichtbarer Nähe.
„Natürlich träumt man als junger Marineoffizier davon, eines Tages mal ein Kriegsschiff befehligen zu dürfen“, erklärt die Berufssoldatin. „Doch dass es einmal so weit kommt, und ich zur Kommandantenprüfung auf einer Korvette zugelassen werde, hätte ich nicht gedacht.“
Ein Kommandant bei der Marine ist der militärische Führer eines Kriegsschiffs. Er oder sie trägt jederzeit die alleinige Verantwortung für das Schiff, seine Besatzung sowie die Waffen und Munition an Bord. Der Dienstgrad eines Kommandanten richtet sich nach der Größe des Schiffes und variiert in der Regel vom Kapitänleutnant bis zum Fregattenkapitän.
An der Schwelle zur Kommandantenprüfung
2020 war es endlich soweit für IWO Seifert: Nachdem sie ihr Können in zwei weiteren Auslandseinsätzen und bei diversen Übungen unter Beweis hatte stellen können, stand sie Anfang Februar dieses Jahres auf der Brücke der „Oldenburg“ – und hatte das alleinige Kommando. Als dabei die deutsche Korvette mit einem schwedischen Schnellboot in der Ostsee vor Kalmar übte, kam zur allmählichen Erschöpfung der Crew noch Nebel auf. Keine gute Kombination für alle Seefahrer.
Doch GPSGlobal Positioning System und Echolot zeigten beide an, dass sich das Schiff auf dem richtigen Kurs befand. In einer kurzen Verschnaufpause sammelte Seifert ihre Kräfte, überwand die eigene Müdigkeit und machte weiter. Ihre wohl wichtigste Anweisung neben allem seemännischen und navigatorischen Fachwissen: frischer Kaffee für die Brückencrew – und ein paar aufmunternde Worte per Lautsprechanlage an die Besatzung.
Nach zwei Tagen hatte Seifert es geschafft. Die Marinesoldatin brachte den praktischen Anteil ihrer Kommandantenprüfung erfolgreich hinter sich. „Das schwierigste war, in die Rolle des Kommandanten reinzukommen und den Sprung in die Verantwortung zu wagen“, erinnert sich Seifert. „Als ich hörte, dass ich bestanden habe, waren alle Strapazen der vergangenen Monate vergessen.“ Vier Wochen später schloss die Marinesoldatin auch ihre theoretische Prüfung erfolgreich ab.
Kommandantin in Warteschleife
Inzwischen zählt die Marine bereits fünf Kommandantinnen von Minenjagdbooten. Doch mit der bestandenen Kommandantenprüfung erhielt Korvettenkapitän Seifert, als erste von rund 1.600 Marinesoldatinnen in der Deutschen Marine, die Befähigung eine Korvette der Klasse 130 fahren zu dürfen. Das bedeutet, dass Seifert für ein 90 Meter langes, 1.800 Tonnen schweres Kriegsschiff verantwortlich sein darf, samt einer Besatzung von 61 Frauen und Männern.
Inzwischen hat Korvettenkapitän Seifert vorübergehend einen Dienstposten an der Marineoperationsschule in Bremerhaven besetzt. Sobald eine Stelle frei wird, geht die Marinesoldatin zurück zum 1. Korvettengeschwader nach Warnemünde, um sich ihren Traum zu erfüllen und Kommandantin zu werden. Das kann voraussichtlich relativ schnell gehen, denn: Ab 2023 erhält die Marine fünf neue Korvetten zusätzlich zu den fünf, die bereits in Dienst gestellt sind.