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Interview: „Der Porsche unter den Hubschraubern“

Interview: „Der Porsche unter den Hubschraubern“

Datum:
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in See
Lesedauer:
9 MIN

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Von der Herausforderung und der Freiheit des Fliegens als Sea-Lynx-Pilot bei der Marine erzählt Korvettenkapitän Lars Scheuer.

Ein Mann im beigen Overall und Schwimmweste steht auf dem grauen Flugdeck eines Schiffes

Lars Scheuer an Deck des Einsatzgruppenversorger „Berlin“

Bundeswehr/Alexander Klebba

Herr Kap’tän Scheuer, Sie sind 2005 noch als Wehrpflichtiger in die Bundeswehr eingetreten. War damals für Sie schon klar, dass Sie Pilot werden wollen?

Absolut! Ich hatte schon als Kind dieses Bauchgefühl und wollte auf jeden Fall etwas mit Luftfahrt zu tun haben. Jet-Pilot zu werden war immer in meinem Hinterkopf. Deshalb hatte ich mich eigentlich Richtung Luftwaffe orientiert.

Dann hörte ich, dass ich bei der Marine Hubschrauberpilot werden könnte. Über Wasser fliegen und auf sich bewegenden Schiffen landen? Das klang für mich ultra-aufregend und spannend. Das wollte ich. Spannung, Herausforderung und die Freiheit des Fliegens genießen. Dazu kam, dass ich als Offizieranwärter bei der Bundeswehr zusätzlich zu meiner Ausbildung studieren durfte. Da war für mich dann alles klar.

Die Fliegerausbildung ging in Bückeburg los“

Wie sah Ihre Ausbildung aus?

Angefangen hat alles mit dem einjährigen Offizierlehrgang an der Marineschule Mürwik in Flensburg, der Grundlagenlehrgang für alle Offizieranwärter der Marine. Anschließend durfte ich an der Bundeswehruni in München Wirtschafts- und Organisationswissenschaften studieren. Erst danach ging dann die eigentliche Fliegerausbildung in Bückeburg bei Minden los.

Gestartet haben wir natürlich mit der Theorieausbildung. Aber schnell ging es in den Simulator. Das hat riesigen Spaß gemacht, weil die Simulatoren technisch einfach in der ersten Liga mitspielen und super-realistisch wirken. Vom kleinen Rundflug, sozusagen über den Hausplatz, bis zum komplexen und hochintensiven Gefecht an Land und auf See ist damit alles simulierbar. Selbst gefährliche Notlagen wie zum Beispiel der Ausfall des Heckrotors und die notwendigen Gegenmaßnahmen können wir damit üben.

Und dann geht es nach vielleicht zehn bis fünfzehn Stunden am Simulator auch schon das erste Mal in ein echtes Cockpit. Ich war natürlich richtig nervös, obwohl wir vorher alles im Simulator eins zu eins durchgespielt hatten. Aber ein Simulator ist eben ein Simulator und man denkt sich: da kann jetzt nichts passieren.

Wenn man erst einmal im Cockpit sitzt und die Reaktionen des Hubschraubers auf die Bewegungen der Steuerelemente spürt, sieht die Welt ganz anders aus. Das ist dann schon sehr aufregend und prägt sich ins Gedächtnis eines jeden Piloten ein. Man weiß dann auch: Jetzt habe ich eine Riesen-Herausforderung vor mir, die ich unbedingt meistern will. Und das ist dann ein schönes Gefühl und treibt einen weiter an.

„Den Flugbetrieb vorhersehbar machen“

Und wie ging‘s dann weiter?

Nun, die Hubschraubergrundausbildung verläuft immer in Etappen zwischen Theorie, Simulator und praktischem Fliegen. Interessant war in meinem Fall die internationale Ausbildung, eine der ersten in Deutschland. Ich habe zusammen mit deutschen, schwedischen und spanischen Kameraden gelernt, gelebt und gearbeitet.  Das war spannend und hilfreich zugleich. Ich komme nämlich aus Bayern und bin, wie meine ausländischen Mitstreiter auch, am Wochenende meist am Standort geblieben.

Dadurch habe ich natürlich auch meine Freizeit mit ihnen verbracht und neben dem Fachenglisch in der Ausbildung eben auch mein umgangssprachliches Englisch ausbauen können. Für einen Piloten ist Englisch ja bekanntlich eine Grundvoraussetzung.

2 Männer in Fliegerhelmen sitzen im Cockpit eines Hubschraubers. Außen davor gibt ein Mann Anweisungen mit roten Winkerkellen

Nachdem der Flugdeckoffizier das Startsignal gegeben hat, kann die Maschine abheben.

Bundeswehr/Alexander Klebba

Irgendwann nach circa einem halben Jahr war es dann in der Ausbildung so weit, dass ich den ersten Quasi-Soloflug absolvieren durfte. „Quasi“, weil ganz allein war ich nämlich nicht. Einer meiner spanischen Kameraden flog mit mir. Gemeinsam haben wir Flug und Route geplant. Es sollte von Bückeburg aus über Hamburg nach Nordholz und wieder zurück gehen.

Das war super-aufregend! Auf einmal war kein Fluglehrer mehr da, der einem sagen konnte, wenn man etwas falsch gemacht hat. Stattdessen saß ein Kamerad neben einem, mit dem man sich, wenn es brenzlig geworden wäre, nicht mal auf Deutsch verständigen konnte. Da wussten wir mit einem Schlag, warum in der Ausbildung so viel Wert auf Genauigkeit in der Planung, den Blick auf die Details und Gewissenhaftigkeit gelegt wird.

Flugbetrieb sollte immer sehr, sehr vorhersehbar sein. Dieser Grundsatz hat uns Vertrauen in unsere Planung und Fähigkeiten gegeben – und den ersten Flug für meinen Kameraden und mich erfolgreich und unvergesslich gemacht.

War Ihre Ausbildung damit abgeschlossen?

Nein, das war erst die Halbzeit. Nach der circa einjährigen Grundausbildung in Bückeburg hatte ich die Lizenz von A nach B zu fliegen, im Instrumenten- und auch im militärischen Tiefflug um so spät wie möglich zum Beispiel durch Radar erkannt zu werden. Jetzt stand sozusagen die hohe Schule, das taktische Fliegen, auf dem Lehrplan.

Meine neue militärische Heimat war dann Nordholz beim Marinefliegergeschwader 5. Hier wurde die Ausbildung noch herausfordernder. Ich bekam hier die typenbedingte Ausbildung, also für mein endgültiges Fluggerät. In meinem Fall den Sea Lynx. Angesetzt sind immer zwei Flugstunden am Stück, und die sind vollgepackt mit unterschiedlichsten Aufgaben und Situationen.

Man lernt alle Funktionen des Hubschraubers kennen: vom Transport von Außenlasten, über das Winschen von Personen an Bord, die U-Boot-Jagd mit Sonar und Torpedos bis hin zum Einsatz als Rettungshubschrauber für Verwundete.

Dazu kommt noch die Navigation über See, die natürlich ganz anders ist als über Land, wo man das Gelände und markante Punkte „lesen“ kann. Das funktioniert vor allem mit dem Radar, aber auch mit Seekarten. Und dann kommt irgendwann die Ausbildung von Starts und Landungen auf einem Marineschiff. Wieder in Etappen, die zwischen Simulator und echtem Cockpit wechseln.

Ein grauer Hubschrauber schwebt über einem Schiff. Eine Person in Uniform seilt sich aus dem Hubschrauber ab

Eine der Aufgaben von Bordhubschraubern ist Bordeinsatzteams auf andere Schiffe zu transportieren, hier per Fast Roping. Vollste Konzentration ist nötig, um die Maschine bei Wind und Wellengang exakt über dem Schiff zu halten.

Bundeswehr/Alexander Klebba
Zwei Personen in Uniform stehen auf dem Flugdeck. Dicht über Ihnen schwebt ein Hubschrauber.

Transport per Außenlastverfahren. Munition, Ersatzeile und ähnliches können so transportiert werden – in diesem Fall, zu Übungszwecken ein Faß

Bundeswehr/Alexander Klebba

Die Königsdisziplin für einen Bordhubschrauberpiloten

Wie sieht so eine Landung auf einem Schiff aus?

Schwieriger als an Land, soviel steht fest. Das Schiff bewegt sich im Wellengang nicht nur auf und ab, es kann auch schlingern, also mit dem Heck mehrere Meter nach links und rechts ausscheren. Oder es kann rollen, also nach links oder rechts kippen, wenn die Wellen von der Seite kommen. Dazu kommt noch der Wind, der eigentlich immer bläst.

Aus dem Seitenfenster des Hubschraubers heraus ist ein graues Schiff im Vorbeiflug zu sehen.

Eigentlich ist der Sea Lynx ein U-Jagd-Hubschrauber. Speziell für Einsätze wie Operation Irini ist er für die Seeraumüberwachung auch auf Einsatzgruppenversorgern an Bord.

Bundeswehr/Alexander Klebba

Die Brückencrew versucht, ihr Schiff für Start und Landung so zu positionieren, dass möglichst wenig Bewegung entsteht und der Hubschrauber mit einer günstigen Windanströmung landen kann. Aber ganz ohne Wellenbewegung und Wind geht es meist nicht.

Zusätzlich habe ich einen Flugdeckoffizier, den FDO, dem ich blind vertrauen kann. Er steht auf dem FLugdeck und muss bei der Landung die Bewegung des Schiffes lesen und uns dann im richtigen Moment, wenn das Schiff sozusagen gerade steht, herunterwinken.

Nachdem Touchdown hilft uns dann noch eine besondere Einrichtung, die alle Marinehubschrauber haben: An der Unterseite des Helikopters ist eine sogenannte Harpune angebracht. Ein circa 50 Zentimeter langer Greifarm, der bei der Landung in das Gitter auf dem Flugdeck greift und den Hubschrauber so fest mit dem Schiff verbindet, dass wir bei selbst einer Schräglage von 17,5 Grad immer noch sicher stehen. Es ist also ein Zusammenspiel von Mensch und Maschine und nur durch stetige Übung zu meistern.

Gab es mal eine Situation, in der es knapp wurde?

Die gab‘s schon. Wir hatten einmal die Möglichkeit, auf einer ausländischen Fregatte zu landen. Bevor wir losflogen, hatten wir alle Details abgesprochen. Das Wetter war nicht gut und wir überlegten, ob wir überhaupt fliegen sollten. Die Vorhersage wurde dann aber besser und wir flogen los zum vereinbarten Treffpunkt mit der Fregatte.

Als wir ankamen, war es bereits stockdunkel und wir konnten nichts erkennen. Per Funk haben wir die Fregatte angefragt, wo sie ist. Sie sagten uns, dass sie am vereinbarten Treffpunkt wären. Das dachten wir von uns auch, konnten aber immer noch nichts erkennen.

Wenn man weiß, dass man gut 100 Seemeilen, 180 Kilometer, vom eigenen Schiff entfernt ist und der Sprit noch ausreicht um zurückzukommen, aber für viel mehr auch nicht, dann bekommt man schon ein mulmiges Gefühl! Wir fragten also nochmal nach, wo die Fregatte ist. Dabei stellte sich heraus, dass die Besatzung davon ausging, dass wir mit Nachtsichtgeräten fliegen würden, das Schiff also auch ohne die schwachen Landelichter sehen könnten. Wir fliegen aber grundsätzlich ohne Nachtsichtgeräte.

Das Schiff hat daraufhin seine Landelichter eingeschaltet und tauchte auf einmal, hell erleuchtet wie ein Weihnachtsbaum, direkt neben uns auf. Ein erleichterndes Gefühl und ein Aha-Effekt für mich persönlich: Der hat mir die Gefahr, die hinter solchen Flügen steckt, noch bewusster werden lassen.

Haben Sie danach vielleicht auch darüber nachgedacht, einen anderen Beruf zu ergreifen?

Nein, eigentlich nie. Wie gesagt: Flugbetrieb sollte immer sehr, sehr vorhersehbar sein. Damit er das ist, muss man immer ein Maximum an Akribie bei der Planung anstreben und versuchen alle Eventualitäten mitzudenken. Man muss sich der Gefahr bewusst sein.

Wir fliegen zum Beispiel grundsätzlich ohne Nachtsichtgeräte. Das heißt, wir fliegen circa 30 Meter über der Wasseroberfläche, die wir mit bloßem Auge nicht sehen können. Das ist so, als würden wir auf der Landstraße bei voller Fahrt die Scheinwerfer ausschalten. Wir wissen, wir bewegen uns, haben aber nicht optisch, wohin. Lediglich das Radarbild gibt uns Informationen. Das heißt, wir müssen uns hundertprozentig auf unsere Instrumente verlassen können und gleichzeitig Vertrauen in unsere Vorbereitungen und Fähigkeiten haben. Das macht den Beruf so spannend und abwechslungsreich, dass ich eigentlich nichts Anderes machen möchte. 

„Das Multitalent ist schnell, agil und wendig“

Was können Sie uns zu Ihrem Fluggerät, über den Sea Lynx, erzählen?

Also ich hatte während der Ausbildung das Vergnügen auch andere Hubschrauber, wie zum Beispiel den JetRanger oder die BO 105 zu fliegen. Ich habe also Vergleichswerte. Der Sea Lynx ist super-agil, super-schnell, wendig und hat wirklich Kraft – und das merkt man auch. Auch wenn er auf den ersten Blick nicht unbedingt so aussieht, ist er für mich so ein bisschen der Porsche unter den Luftfahrzeugen.

Ein grauer Hubschrauber steht auf dem grauen Flugdeck eines Schiffes. Mechaniker prüfen dessen Technik.

Ein wichtiger Sicherheitsaspekt ist der Technik-Check der Crew nach dem Flug.

Bundeswehr/Alexander Klebba

Klar ist er nicht mehr der neueste, aber wir haben durch die lange Erfahrung mit dem Lynx einen sehr guten Klarstand. Das heißt, wir können viel fliegen und sind eigentlich ständig im Cockpit. Und er ist für den Einsatz auf See perfektioniert. Die Harpune, mit der er sich ans Deck krallt, ist so konstruiert, dass der Hubschrauber sich durch die drehbaren Räder zum Start perfekt in den Wind drehen kann.

Hinzu kommt die Befähigung das sogenannte Tauch-Sonar einzusetzen, das wir ins Wasser absenken und so U-Boote finden und dann auch mit unseren Torpedos bekämpfen können. Ich glaube, dass es wenige Luftfahrzeuge gibt, die so viele verschiedene Aufgaben abdecken können und die so einen hohen Anspruch an die Piloten haben. Ich kann also, glaube ich, ultra-glücklich sein mit meinem Hubschrauber und würde gar nicht mit jemand anderem tauschen wollen.

Was würden Sie jemandem sagen, der mit dem Gedanken spielt, Marineflieger zu werden? Welches sind Ihre schlagenden Argumente dafür?

Gegenfrage: Was spricht denn dagegen? Oft höre ich von Leuten, wie toll sie meinen Job finden, ganz nach dem Motto: „Das wollte ich auch immer machen“. Wenn ich dann frage, warum es nicht geklappt hat, wird oft rumgedruckst. Ich nehme an, dass viele Leute Angst vor den ärztlichen und fliegerischen Tests haben. Ich sage aber, lieber probieren und scheitern, als nie probiert zu haben und von Anfang an gescheitert zu sein. Darüber ärgert man sich am Ende ein Leben lang.

Und auf den Punkt gebracht, welches sind die besten Seiten an Ihrem Job?

Wenn man ehrlich ist, muss man sagen, ich habe sicherlich den coolsten Job an Bord. Davon bin ich fest überzeugt, und es macht mir riesigen Spaß! Die Abwechslung zwischen der Funktion als Führungsperson meines Flugbetriebsteams eines Marineschiffs auf der einen Seite und auf der anderen Seite immer noch Pilot sein zu dürfen. Die Herausforderungen des Fliegens in internationalen Gewässern, sich mit Flugplanung und sogar diplomatischen Angelegenheiten auseinanderzusetzen. Die Zusammenarbeit mit anderen Nationen. Die Vorzüge der Seefahrt zu genießen. Fremde Länder, fremde Welten zu erkunden … Gäb’s eine eierlegende Wollmilchsau – ich hab‘ sie gefunden!

von  Interview: Alexander Klebba  E-Mail schreiben

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