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Interview: Marvin K. zur Flugausbildung in Amerika

Interview: Marvin K. zur Flugausbildung in Amerika

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5 MIN

Kapitänleutnant Marvin K. vom Marinefliegergeschwader 3 ist derzeit in Florida, in den USA, um dort an der P-3C Orion ausgebildet zu werden. Für einen Artikel habe ich ihm einige Fragen gestellt.

Mann steht vor Flugzeug

In Amerika lernen die angehenden Piloten das Fliegen mit der P-3C Orion

Bundeswehr

Schildere bitte kurz deinen Weg in der Bundeswehr bis zum Seefernaufklärer.

Kurz ist das kaum möglich zu schildern. Angefangen mit der Bundeswehr hat es für mich 2011 nach der Allgemeinen Hochschulreife mit dem Freiwilligen Wehrdienst in der Luftwaffe.

Währenddessen konnte ich Erfahrung in der Bundeswehr sammeln und mich über den Beruf des Piloten in den Streitkräften besser informieren und gleichzeitig auf die Eignungsfeststellungsverfahren vorbereiten.

Nach bestandenen Tests winkte mir die Wiedereinstellung 2013 als Offizieranwärter an der Marineschule Mürwik in Flensburg. Ich durchlief die klassischen Lehrgänge für jeden Truppendienstoffizier inklusive eines Maschinenbaustudiums an der Universität der Bundeswehr in München. Direkt im Anschluss folgten Lehrgänge, die jeder Flieger benötigt: Fliegerenglisch, Überleben auf See, Druckkammer und viele mehr, bevor ich an der „Lufthansa Aviation Training“ in Bremen zum Berufspiloten ausgebildet wurde. Es folgte eine kurze Unterbrechung, jedoch war es keine verlorene Zeit für mich im Stab des Marinefliegergeschwaders 3 „Graf Zeppelin“ als S3 Offizier. Nun bin ich auf dem Lehrgang zum Erlangen der Musterberechtigung der P-3C Orion in Florida.

Was hat Dich an der Orion und an der Marinefliegerei gereizt?

Zwei Flugzeuge stehen auf einem Flugfeld

Die bereits in Deutschland ausgebildeten PIloten erlangen in den USA ihre Musterberechtigung zum Fliegen der Seefernaufklärer

Bundeswehr

Die Marinefliegerei funktioniert nicht wie eine Airline. Sie ist tatsächlich „anders“. Unser Auftrag ist die U-Boot-Jagd und die Seefernaufklärung. Man fliegt also nicht typischerweise Fracht oder Passagiere von einem Ort zum anderen. Sondern man geht mit einer vollen taktischen Besatzung für mehrere Stunden in das Operationsgebiet und klärt dort das Seegebiet im Tiefflug auf. Das Ganze verlangt von einem Piloten mehr fliegerische Fähigkeiten als nur einer Route von A nach B zu folgen. Das macht das ganze wesentlich spannender. Ohne die Piloten der anderen Teilstreitkräfte dabei schlecht reden zu wollen, aber in 200 Fuß, das entspricht zirka 60m, über dem Wasser über Schiffe zu fliegen, ist für die gesamte Besatzung schon etwas fordernder.

Wie verläuft die Ausbildung? Wie sieht dein Tag aus?

Die Ausbildung dauert sechs Monate. In den ersten Wochen wird man mit den ganzen Informationen zu den verschiedenen Systemen im Unterrichtsraum sprichwörtlich überschüttet. Darüber werden im Anschluss Tests geschrieben. Um es besser zu verdeutlichen, geht man gleichzeitig mit einen erfahrenen Flugingenieur in den Simulator. Der erklärt das geballte Wissen und zeigt einem so, was wirklich hinter der Theorie steckt. Hier durften wir alles anfassen und ausprobieren. Wenn dieser eine Schalter betätigt wird, geht dieses Licht an und das sagt mir das jenes System läuft. Das macht es deutlich einfacher, es zu verstehen. Ohne Unterbrechung ging es mit den Fluglehrern schon direkt in die ersten Missionen. Natürlich am Anfang vom Niveau noch ganz unten. Ein Lehrer sagte mir einmal dabei, dass wir nun in der „Baby“-Phase sind. Man wird „gefüttert“ und bekommt alles gezeigt. Aus Fehlern lernt man - bis man am Ende der Ausbildung, in der „Run“-Phase, das Flugzeug beherrscht. Nach fünf Flügen im Simulator folgte sofort der erste echte Flug im realen Flugzeug. Der Unterschied zwischen den Flugzeugmodellen „Beechcraft Bonanzaׅ“ und „Cessna Citation“ war schon gewaltig. Aber zum ersten Mal ein so großes Flugzeug zu fliegen war nochmal etwas ganz Besonderes. So was wie einen typischen Tag gibt es hier nicht. Entweder es steht eine vierstündige Mission im Simulator, ein realer Flug, ein Systemüberprüfung oder ein Test an. So wird jedes Event im Selbststudium erstmal vorbereitet und einstudiert. Das nennen wir Chair-Flying. So lassen sich die typischen Abläufe im Cockpit einfach erlernen. Die Kapazitäten des Gehirns sind dann im Simulator oder im Flugzeug für andere wichtige Aufgaben frei. Und wenn ich nicht im Cockpit bin, wird das Flughandbuch mit all seinen Verfahren studiert - man lernt nie aus.

Wie ist es die P-3C zu fliegen und was waren deine ersten Gedanken im Cockpit?

Halleluja sind dort viele Schalter und Lichter! Ich habe mich echt gefragt, wie man das alles lernen und beherrschen kann. Es war ein absoluter „overload“ an Eindrücken.

Ein Pilot schaut aus seinem Flugzeug heraus

Das erlernte in der Praxis umsetzen. Beim fliegen mit seinen Lehrern lernt Marvin am meisten

Bundeswehr

Aber als ich dann zum ersten Mal die Schubhebel nach vorne geschoben hatte, kam schnell das Erlernte zum Vorschein. Die P-3C zu fliegen ist nichts für schwache Arme. Kein Fly-by-wire, also eine elektronische Flugsteuerung, wie man es von einem Airbus Flugzeug kennt, ist dort verbaut. Zu vergleichen ist es also mit einem alten schweren Auto ohne Servolenkung. Das ist die ganze Zeit 100 Prozent händisches Fliegen. Es gibt zwar einen Autopiloten, dieser ist aber auch nicht gerade der neueste und somit trimmt man den Flieger lieber gut aus und korrigiert hin und wieder manuell nach.

Wie waren die ersten Tage in USA?

Da es nicht der erste USA Aufenthalt für mich ist, war es keine große Umstellung. Im ersten großen Corona-Lockdown in Goodyear, Arizona war es merkwürdig, weil auf der ganzen Welt die Menschheit stillstand. Das war merkwürdig, aber jetzt nachdem Corona nahezu aus den Medien verschwunden ist und zu 99,9 Prozent keine Restriktionen mehr herrschen, kann man zum Glück wieder alles machen und das Land erkunden. Die größte Überraschung für mich war der Winter in Florida. Die meisten Menschen denken, dass es in Florida immer warm ist, aber als plötzlich -5°C in der Nacht waren und tagsüber auch nicht viel mehr als 0°C erreicht wurden, hat es mich schon stark überrascht. Natürlich sind es am folgenden Tag wieder 25°C.

Gab es dort Dinge, die für dich gewöhnungsbedürftig waren?

Ein Flugzeug landet auf einer Landebahn

Am Ende der Ausbildung erhalten die Piloten die Musterberechtigung für die P-3C Orion

Bundeswehr

Auch wenn ich vorher schon in den USA über mehrere Monate in der Ausbildung war und zuvor einen Englischlehrgang hatte, ist es trotzdem immer wieder gewöhnungsbedürftig die verschiedenen Akzente zu verstehen. Und viele der Systeme an Bord der P-3C lassen sich auch gar nicht so einfach ins Deutsche übersetzen. Da musste ich mich erstmal wieder daran gewöhnen, in einer fremden Sprache zu denken.

In Deutschland kann man häufig fußläufig zum nächsten Supermarkt laufen oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadt fahren. Hier geht das gar nicht. Um einkaufen zu gehen, muss ich mindestens 25 min mit dem Auto fahren. Die klassische Innenstadt gibt es hier nicht.

Was gefällt dir in den USA gut? Was möchtest du am liebsten mitnehmen?

Was mir hier in der Ausbildung gut gefällt ist, dass die Ausbilder einem wirklich etwas beibringen möchten. Man kann ihnen wirklich zehn Mal dieselbe Frage stellen und sie erklären es einem auch noch 20 Mal. Diese Geduld ist schon bemerkenswert.

Was vermisst du?

Es ist einiges was man über die Zeit hier vermisst. Vom einfachen Brot aus der Heimat über Sahne zum Kochen. Am meisten vermisse ich aber natürlich meine Familie und meine Freunde.

von  Volker Muth  E-Mail schreiben

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