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Erinnerungskultur

Gemeinsames Gedenken einstiger Seekriegsgegner

Gemeinsames Gedenken einstiger Seekriegsgegner

Datum:
Ort:
Belgien
Lesedauer:
4 MIN

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Am 24. August hat die erste internationale Gedenkveranstaltung für die Toten zweier deutscher U-Boote des Ersten Weltkrieges vor Zeebrugge stattgefunden. Die beiden Seekriegsgräber an der Küste Belgiens waren erst vor Kurzem entdeckt worden. Für die Deutsche Marine war die Korvette „Braunschweig“ vor Ort.

Ein Steinernes Kreuz mit der Aufschrift R.I.P.

Vor mehr als 100 Jahren spaltete der Erste Weltkrieg Europa. Kriegsgräberstätten wie hier am Kirchfriedhof Zeebrugge erinnern an die Opfer.

Belgische Streitkräfte/Jorn Urbain

Seit mehr als 100 Jahren ruhen die Besatzungen der deutschen U-Boote „UC 14“ und „U 5“ auf dem Meeresgrund vor dem Hafen von Zeebrugge. Ihre beiden Boote gingen während des Ersten Weltkrieges vor der Küste Belgiens unter, von den insgesamt 46 Besatzungsmitgliedern überlebte niemand. Die genauen Positionen der Wracks waren lange unbekannt geblieben.

Erst im Spätsommer 2023 ortete und identifizierte der belgische Unterwasserarchäologe Tomas Termote die beiden Boote auf 51 Grad nördlicher Breite und 3 Grad östlicher Länge. Nachdem so die Lage dieser beiden Seekriegsgräber exakt gefunden worden war, initiierte der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge zusammen mit der Belgischen Botschaft in Berlin eine Gedenkveranstaltung.

„Es gibt keine Blumen auf diesen Wracks für diejenigen, die auf See starben. Das ist eine Besonderheit der Marinekriegsgräber“, so Vizeadmiral Frank Lenski, der Stellvertreter des Inspekteurs der Marine. „Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, die Erinnerung an die U-Boot-Fahrer zu bewahren und ihre Gräber heute und in der Zukunft zu schützen.“

  • Auf dem Flugdeck eines Schiffes in See stehen mehrere Menschen vor einem Rednerpult.

    Die Korvette „Braunschweig“ brachte die Teilnehmenden der Gedenkveranstaltung zu den kürzlich gefundenen Seekriegsgräbern von „U 5“ und „UC 14“ der Kaiserlichen Marine

    Belgische Streitkräfte/Jorn Urbain
  • Zwei Männer in dunkler Marineuniform lassen ein Blumengesteck zu Wasser.

    An einer Position zwischen den Fundstätten beider U-Boote brachten die Teilnehmenden, zusammen mit der Schiffsbesatzung, Kränze und Sträuße zu Wasser

    Belgische Streitkräfte/Jorn Urbain
  • Zwei Männer in dunkler Marineuniform schreiten eine Formation mit präsentierenden Gewehren ab.

    Für die Deutsche Marine nahm Vizeadmiral Frank Lenski, als Stellvertreter des Inspekteurs der Marine, an dem Zeremoniell an Land und in See teil.

    Belgische Streitkräfte/Jorn Urbain

Der Preis des Krieges überschreitet alle Grenzen

Bei einer ersten Zeremonie an der Kriegsgräberstätte auf dem Kirchfriedhof Zeebrugge gedachten die Teilnehmenden der 185 Toten, die dort ruhen. Es sind vor allem Gefallene des Deutschen Reiches, aber auch des British Empire und Commonwealth. Anschließend fand ein Gedenken auf See statt an einer Position, mittig der zwei neu gefundenen Seekriegsgräber. An Bord der deutschen Korvette „Braunschweig“ erinnerten Belgier, Briten und Deutsche zusammen an die auf See Vermissten.

„Diejenigen, derer wir hier gedenken, mögen auf verschiedenen Seiten des Konfliktes gestanden haben, doch sie teilten ein gemeinsames Schicksal“, sagte Peter Hudson, ehemaliger Vizeadmiral der britischen Royal Navy und heute stellvertretender Vorsitzender der Commonwealth War Graves Commission. „Ihre Opfer erinnern uns daran, dass der Preis des Krieges universell menschlich ist und nationale und ideologische Grenzen überschreitet.“

Hudson betonte, welche Wichtigkeit Erinnerungskultur besitzt: „Zeremonien wie die heutige dienen nicht nur dem Gedenken, sondern sind ein Zeichen des Widerstands gegen die zerstörerischen Kräfte des Hasses und der Spaltung. Wir sind es dem Gedenken an die Verstorbenen schuldig, uns für eine Welt einzusetzen, in der solche Opfer nicht mehr nötig sind und in der Frieden und Verständnis herrschen.“

Hintergrund: Der Seekrieg vor der Küste Flanderns

Das Seegebiet vor der belgischen Küste unmittelbar östlich der Straße von Dover ist ein weitestgehend vergessener Seekriegsschauplatz des Ersten Weltkrieges. Bereits im Oktober 1914 hatten deutsche Truppen die belgischen Häfen Antwerpen, Ostende und Zeebrugge besetzt, die für vier Jahre in deutscher Hand blieben. An der nördlichen Flanke der Front kämpfte dort die deutsche Marineinfanterie, seit November 1914 als Marinekorps Flandern.

Zur Sicherung der belgischen Küste, aber auch für Angriffe auf die Versorgungsrouten der Alliierten über den Ärmelkanal verlegte die Kaiserliche Marine ab Ende November 1914 Seestreitkräfte in die neu eroberten Häfen. Als erstes deutsches U-Boot traf „U 11“ am 26. November ein. Es sank aus ungeklärten Gründen bereits am 9. Dezember und war der erste deutsche U-Boot-Verlust in diesem Seegebiet. Während des Krieges sollten dort etwa 80 deutsche U-Boote sinken.

  • Schwarz-Weiß-Foto: Fünf U-Boote nebeneinander festgemacht an einer Pier.

    Graue Wölfe des Kaisers: Das 1910 vom Stapel gelaufene SM „U 5“ (2. v. l.) noch vor Kriegsausbruch im Marinestützpunkt Kiel. Es liegt inmitten weiterer, 57 Meter langer Hochsee-U-Boote der Kaiserlichen Marine.

    Library of Congress
  • Schwarz-Weiß-Foto: Mehrere Männer in Uniform stehen und sitzen neben einer Allee.

    Maritime Besatzungstruppe: Deutsche Seesoldaten und Matrosen der Marine-Division in Belgien, vermutlich 1914 oder 1915

    Illustrierte Zeitung
  • Schwarz-Weiß-Foto: Ein Mann an Deck eines fast vollständig gesunkenen Schiffes.

    Umkämpftes Zeebrugge: Das Wrack eines Kreuzers der Royal Navy, der im Zeebrugge Raid am 23. April 1918 die Hafeneinfahrt des deutschen U-Boot-Stützpunkts blockieren sollte. Offizielle deutsche Aufnahme nach dem Gefecht

    National Archives and Records Administration

Am 11. Dezember 1914 legte „U 5“ in Zeebrugge an. Vor dort lief es zu seinen Einsätzen aus. „U 5“ sank schon am 18. Dezember während seiner vierten Feindfahrt unter dem Kommando von Kapitänleutnant Johannes Lemmer mit 28 weiteren Seeleuten nördlich seines neuen Heimathafens. Auch die Umstände dieses Untergangs sind bisher nicht eindeutig geklärt.

U-Boot-Gefahr am östlichen Zugang des Englischen Kanals

Im Frühjahr 1915 stellte die Kaiserliche Marine in Flandern eigenständige Torpedoboot- und U-Boot-Flottillen auf. Außerdem wurden Küstenbatterien errichtet und Seeflieger stationiert. Alle waren dem Marinekorps Flandern unterstellt. Es kämpfte so als einziger deutscher Großverband des Ersten Weltkriegs dauerhaft in allen Dimensionen: an Land, in der Luft und auf See.

Ihre größte Stärke erreichte die U-Flottille Flandern im Sommer 1917 mit 38 U-Booten. Eines davon war das Minenlege-U-Boot „UC 14“ unter dem Kommando von Oberleutnant der Reserve Adolf Feddersen. Am 3. Oktober 1917 kollidierte „UC 14“ mit einer Seemine und sank nach deren Explosion mit allen 17 Besatzungsangehörigen. Es liegt, wie inzwischen belegt ist, fast auf derselben Position wie „U 5“.

Gegen die Bedrohung durch die deutschen U-Boote aus Zeebrugge setzte die britische Royal Navy auf eine Blockade des Hafens, gestützt vor allem auf ihre nur 70 Seemeilen entfernte Marinebasis Dover. Beide Seiten verminten so im Lauf der Kriegsjahre das Seegebiet stark.

Zuletzt war der belgische Hafen im April 1918 Schauplatz des sogenannten Zeebrugge Raid, eines verlustreichen britischen amphibischen Angriffes auf den stark befestigten deutschen Marinestützpunkt. 227 Briten und acht Deutsche kamen dabei ums Leben. Letztere fanden ihre Ruhestätte auf dem Kirchfriedhof Zeebrugge. Und an vier während des Raids verschollene, für tot erklärte Briten erinnert dort das Zeebrugge Memorial.

von Christian Jentzsch, Sven Kusau  E-Mail schreiben

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