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Einsatzbericht der „Brandenburg“, Teil 1: Auftrag und Rahmenbedingungen

Einsatzbericht der „Brandenburg“, Teil 1: Auftrag und Rahmenbedingungen

Datum:
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in See
Lesedauer:
4 MIN

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Formell gehört die Fregatte zum NATONorth Atlantic Treaty Organization-Einsatzverband im Mittelmeer. Tatsächlich ist ihre Mission in der Ägäis eine andere als gewohnt.

Ein Marinesoldat in sandfarbener Arbeitsuniform hält eine große blaue Flagge.

Die deutsche Marinemission ist in einen komplexen völkerrechtlichen Rahmen eingebettet.

NATO/Christian Valverde

Die Hauptaufgabe von Schiff und Besatzung zwischen August 2020 und Januar 2021 war die Teilnahme an der „NATONorth Atlantic Treaty Organization-Unterstützung Ägäis“. Der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Verband in der Ägäis, der zugleich Teil der SNMG2 ist, hat den Auftrag, zu einem lückenlosen Lagebild in der Ägäis beizutragen. Seine Schiffe sollen erkannte Informationen über Schleuseraktivitäten gleichermaßen griechischen und türkischen Stellen sowie der EUEuropäische Union-Grenzschutzagentur FrontexEuropäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache zur Verfügung stellen.

Es ist ein politischer Auftrag, ein wichtiger noch dazu, denn die Ägäis-Mission genießt im Bundeskanzleramt hohen Stellenwert. Ein klassischer militärischer Auftrag ist es indes nicht: Die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Einheiten beobachten, liefern ihre Erkenntnisse den genannten Partnern und müssen sich unparteiisch verhalten; sie haben keine exekutiven Befugnisse. Die eigentliche Arbeit mit den Migranten und den Schleusern obliegt den Küstenwachen der beiden Anrainerstaaten und FRONTEX. „Peilen, plotten, melden“ bleibt für die Marine übrig.

Dabei ist der Umfang der Flüchtlingsbewegungen im Einsatzgebiet 2020, im Vergleich zu den Vorjahren, signifikant zurückgegangen. Die Gründe hierfür sind vielschichtig und nicht eindeutig. Fakt ist, dass die Zahlen der versuchten oder erfolgreichen Querungen vom türkischen Festland auf die griechischen Inseln nur noch ein Bruchteil dessen sind, was in den Jahren zuvor beobachtet wurde.

Die „Brandenburg“ war in ihrer Zeit vor Ort das Führungsschiff für diesen speziellen Einsatz. An ihm nahmen auch griechische und türkische Patrouillenboote teil, auch wenn sie der deutschen Einheit nicht unterstellt waren.

In der Ägäis sind die Landesgrenzen nicht restlos geklärt

Die Inselwelt der Ägäis und ihre Gewässer sind zwischen Griechenland und der Türkei umstritten. Bereits seit 1913, seit Ende des Ersten Balkankriegs mit dem sogenannten Londoner Vertrag, sind die Eigentumsverhältnisse noch nicht restlos geklärt; die Frage der Ausdehnung der Küstengewässer war immer wieder Gegenstand weiterer Verträge, Gespräche und Verhandlungen. Als die „Brandenburg“ im August 2020 auslief, hatte sich einmal mehr der Konflikt zwischen Griechen und Türkei dramatisch zugespitzt, dieses Mal im Streit um vermutete unterseeische Bodenschätze in der Ägäis und dem östlichen Mittelmeer. Die Streitkräfte beider Länder befanden sich in erhöhter Alarmbereitschaft.

Die Demilitarisierung einiger Inseln der Ägäis – was beide Parteien durchaus kontrovers auslegen – ist in einigen Verträgen festgehalten und hat auch Auswirkungen auf die dort eingesetzten NATONorth Atlantic Treaty Organization-Einheiten. Alarmschießen, Flugabwehr- oder U-Boot-Abwehr-Übungen, Flugbetrieb, Mann-über-Bord-Manöver oder einfach auch nur ein Ankern sind dort in der Regel nicht erlaubt. Eine spontane Idee eines dynamischen deutschen Kriegsschiffkommandanten, „mal eben schnell“ ein großes Training für seine Besatzung abzuhalten, könnte da schnell zu einem handfesten diplomatischen Zwischenfall führen. Keine gute Idee, wenn man in der Mitte zwischen zwei langjährigen NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partnern unparteiisch bleiben soll. Ausbildung, die erfordert, dass Marineschiffe wirklich frei manövrieren können, ist daher nur außerhalb dieser sensiblen Zonen möglich.

Die Bezeichnung „Aktivität“ wirkt abstrakt, ist aber bewusst gewählt 

Eine Karte vom Ägäischen Meer, die das Einsatzgebiet der Bundeswehr zeigt

Das Einsatzgebiet der Bundeswehr im Ägäischen Meer

Bundeswehr

Die Flüchtlingsbewegungen über die Ägäis von der Türkei nach Griechenland und von dort aus in der Regel über die Balkanroute nach Nordeuropa und nach Deutschland hatten 2016 solche dramatischen Ausmaße angenommen, dass neben anderen Maßnahmen, insbesondere des sogenannten EUEuropäische Union-Türkei-Flüchtlingsabkommens, auch die NATONorth Atlantic Treaty Organization als unparteiischer Beobachter in Form der „NATONorth Atlantic Treaty Organization Aegean Sea Activity“ auf den Plan gerufen wurde. Deutschland war von Anfang an dabei und stellt zudem den verantwortlichen Offizier, der diese „Aktivität“ leitet.

Die Bezeichnung „Aktivität“ oder im nationalen Bereich „einsatzgleiche Verpflichtung“ wurde bewusst gewählt, um zu zeigen, dass es eben kein „scharfer“ Einsatz von Streitkräften ist, sondern rechtlich und militärisch unterhalb dieser Schwelle stattfindet. So hat der Deutsche Bundestag auch nicht, im Sinne des Parlamentsbeteiligungsgesetzes, hierüber abgestimmt. Die Beteiligung ist eine Entscheidung der Bundesregierung, wie bei den anderen, „normalen“, Ständigen NATONorth Atlantic Treaty Organization-Einsatzverbänden auch.

Für die Besatzung der „Brandenburg“ fühlte es sich dennoch an wie ein Bundeswehreinsatz. Die rechtlichen Feinheiten haben keinen Einfluss auf das Leben und die Empfindungen der Männer und Frauen an Bord.

Die Pandemie zwingt dem Einsatz ganz neue Regeln auf

Aufgrund der COVID-19Coronavirus Disease 2019-Pandemie stand bereits seit Anfang Mai 2020 fest, dass die Besatzung für die gesamte Dauer des Einsatzes keinen Landgang gewährt bekommen würde. Die während des Transits in das Einsatzgebiet vorgenommene Kohortenisolierung der Crew durfte nicht gefährdet werden. Ein Infektionsgeschehen an Bord hätte, von den gegebenenfalls dramatischen Folgen für die betroffenen Personen einmal abgesehen, das sofortige Ende des Einsatzes bedeutet.

Neben klaren und strikten Hygieneregeln wurde dies vor allem durch ein nahezu vollständiges Kontaktverbot durchgesetzt. Nachzuführendes Personal musste sich zuvor in eine 14-tägige isolierte Unterbringung begeben und wurde auf eine mögliche Infektion getestet, bevor es mit militärischen Transportmaschinen im Direktflug aus der Isolation ins Einsatzgebiet ging.

Zudem beschränkten sich die Hafenaufenthalte zur Versorgung, Erholung und für nötige Instandsetzungen auf den NATONorth Atlantic Treaty Organization-Stützpunkt Souda auf Kreta. Hatte die NATONorth Atlantic Treaty Organization sonst sehr viel Wert darauf gelegt, abwechselnd griechische und türkische Häfen im exakt gleichen Verhältnis anzulaufen, war Souda seit Beginn der Pandemie zwangsweise „Lieblingshafen“ der deutschen Marineschiffe geworden.

von Jan Hackstein  E-Mail schreiben

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