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Eine Libero auf der „Mecklenburg-Vorpommern“

Eine Libero auf der „Mecklenburg-Vorpommern“

Datum:
Ort:
Wilhelmshaven
Lesedauer:
4 MIN

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Gilda Prüß ist als erste Frau in der Bundeswehr Erster Offizier eines Kriegsschiffs der Deutschen Marine. Die stellvertretende Kommandantin der Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“ hat ihr Handwerk seit 16 Jahren gelernt.

Eine schlanke, dunkelhaarige Frau mit Brille und weißem Hemd steht vor einem grauen Schiff.

Korvettenkapitän Gilda Prüß

Bundeswehr/Leon Rodewald

Fünfeinhalb Jahre hatte Gilda Prüß gelernt und studiert – seit 2004 an der Marineschule Mürwik und später an der Bundeswehr-Universität in Hamburg. Praktika in den Semesterferien gemacht, vor allem an Bord von Fregatten. Jetzt musste die Diplomkauffrau als Wachoffizier ein Schiff sicher zur See zu fahren – erster großer Meilenstein aller vorangegangener nautischen Ausbildungsabschnitte für junge Marineoffiziere.

Von 2011 bis 2013 meisterte Prüß das an Bord der Einsatzgruppenversorger „Bonn“ und „Frankfurt am Main“. Danach folgte ein ungewöhnlicher Wechsel zwischen den Geschwadern und zwischen den Schiffstypen: Prüß nahm an einem Austauschprogramm mit der niederländischen Marine teil. Als eine von zwei deutschen Offizieren pro Jahr fuhr sie 2014 Wachoffizier-Schülerin sowohl auf der Brücke als auch in der Operationszentrale auf zwei niederländischen Patrouillenschiffen zur See.

In dieser Zeit hat sie die Königlich Niederländische Marine intensiv kennengelernt.  Im Zuge dessen hat Prüß während ihrer Zeit auf dem Patrouillenschiff „Holland“ an der nationalen Operation gegen den Drogenschmuggel in der Karibik teilgenommen. Dort hat sie wertvolle Erfahrungen aus der internationalen Zusammenarbeit, unter anderem mit der USUnited States Küstenwache, sammeln können. Außerdem absolvierte sie an der Operationsschule in Den Helder den Fachlehrgang Operationen.

Führungskultur hat Prüß vor allem bei den Niederländern gelernt

Die deutsche und niederländische Marine unterscheiden sich mehr, als man zunächst vielleicht denkt – was auch den kulturellen Unterschieden geschuldet ist. Ich habe viel gelernt und einzelne Elemente in mein jetziges Tätigkeitsfeld implementiert, wie beispielsweise Führungskultur, Kommunikationsverhalten und operative Denkweisen. Sich das Beste aus beiden Ländern aneignen zu dürfen, ist ein Privileg“, fasst Prüß für sich zusammen.

Ein graues Kriegsschiff liegt in einem Hafen.

Die Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“

Bundeswehr/Jane Schmidt

Der Abschluss des Lehrgangs und damit das Ende des Austauschprogramms in den Niederlanden, läutete 2015 für die Offizierin gleichzeitig den Wechsel zu den Fregatten ein. Konkret zu der Fregattenklasse 124. Zunächst als Luftverteidigungsoffizier, später als Schiffsoperationsoffizier war Prüß von 2016 bis Ende 2018 auf der „Sachsen“ eingesetzt.

Zwei Zwischenstopps bis zur Premiere legte sie noch im Stab des 2. Fregattengeschwaders und an der Marineoperationsschule ein. Im Juli 2020 war es soweit: auf der Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“ übernahm Prüß als erste Frau die Funktion des Ersten Offiziers auf einem deutschen Kriegsschiff.

Erster Offizier: das „freie Radikal“ im Gefecht

Als Erster Offizier ist Korvettenkapitän Prüß Stellvertreterin des Kommandanten. Als solche leitet sie einerseits die Ausbildung für die Besatzung und andererseits den sogenannten Innendienst an Bord der Fregatte. Das heißt: Sie beschäftigt sich hauptsächlich mit Personalangelegenheiten der Besatzung und den administrativen Abläufen des Schiffes. „In See und an Land bin ich alltags vor allem für den Innendienst zuständig. Es gilt hier, eine gute Balance zwischen persönlichen Gesprächen und administrativen Vorgängen zu finden,“ erläutert sie ihre Sicht auf die Rolle des „Eins-Oh“, kurz IO.

Eine schlanke, dunkelhaarige Frau mit Brille sitzt an einem Schreibtisch und telefoniert.

Innendienst bedeutet in der Regel viel „Papierkram“: Der Erste Offizier hat auch deshalb nach dem Kommandanten eine der größten Kammern an Bord als Arbeitszimmer.

Bundeswehr/Leon Rodewald

„Denn mit den Menschen an meiner Seite führe ich gemeinsam das innere Gefecht an Bord. Da hilft mir die Administration eher weniger“, erläutert sie ihre Prioritätensetzung. Befindet sich das Schiff im Alarm beziehungsweise in einer Kampfsituation, ist der Erste Offizier der „Libero“ im „inneren Gefecht“. Das heißt für Prüß, dass sie die verschiedenen Gefechtsstationen innerhalb des Schiffes persönlich abläuft und die unterschiedlichen Lagebilder zu einem großen Ganzen zusammenführt. Der Kommandant in der Operationszentrale kann sich mit dieser Rückendeckung dann ganz auf das „äußere Gefecht“ konzentrieren.

„Als Erster Offizier muss man im Gefecht Kondition haben. Man schwirrt wie ein freies Radikal zwischen allen Stationen. Dabei ist es wichtig, sich schnell viele Informationen merken zu können. Ich muss sicherstellen, dass im Schiff alle auf demselben Stand sind und dadurch so effektiv wie möglich das Gefecht führen können“, so Prüß.

Lektionen vom Unfall auf der „Sachsen“: „Drills, die sitzen müssen“

Erste Bewährungsprobe als IO der „Mecklenburg-Vorpommern“ war für Prüß das diesjährige Flugkörperschießen der Marine, die Missile Firing Exercise 2020, vor der Küste Norwegens. Stundenlang war das Schiff fürs nächtliche scharfe Schießen im Gefechtsalarm – und sie konnte die Gelegenheit nutzen, auch mit Teilen der Crew die Brand- und Leckabwehr zu üben.

Eine Frau und drei Männer in blauer Arbeitsuniform führen ein Gespräch auf Brücke eines Schiffs.

Der Kommandant der „Mecklenburg-Vorpommern“, Fregattenkapitän Hendrik Wißler, mit seinem Führungsteam auf der Brücke

Bundeswehr/Marcus Mohr

So ein Flugkörperschießen war für sie bereits das dritte Manöver dieser Art. „Der Flugkörperunfall auf der ‚Sachsen‘ vor zwei Jahren hat mir gezeigt, wie wichtig eine sich wiederholende Ausbildung ist: Drills, die sitzen müssen“, sagt Prüß. Als Kapitänleutnant auf der Fregatte „Sachsen“ war sie bei dem glimpflich ausgegangenen Vorfall vor Ort gewesen.

Das hat sie als wertvolle Lektion auf den neuen Posten mitgenommen. „Wenn es zum Ernstfall kommt, ist Handlungssicherheit unverzichtbar. Ich weiß, dass auch bei meiner Besatzung die Handgriffe sitzen. Wir haben uns intensiv mit den ‚Lessons learned‘ von damals vorbereitet.“

von Niels Onken  E-Mail schreiben

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