DEU MARFORGerman Maritime Forces: Stabsübung Griffin Marker – der Auftakt
DEU MARFORGerman Maritime Forces: Stabsübung Griffin Marker – der Auftakt
- Datum:
- Ort:
- Rostock
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Vom 22. November bis 10. Dezember hat der Führungsstab der Marine den ersten Abschnitt dieser Übung zur Zertifizierung nach NATONorth Atlantic Treaty Organization-Standards abgelegt.
Der Gegner kommt über die Ostsee. Uniformierte Bewaffnete ohne jegliche Hoheitsabzeichen sind auf den großen estnischen Inseln Saaremaa und Hiiumaa aufgetaucht. Es heißt, sie wollten die dortige bothnische Bevölkerung beschützen und für die Unabhängigkeit der Minderheit von Estland eintreten.
Ähnlichkeiten dieses NATONorth Atlantic Treaty Organization-Planspiel-Szenarios zu den Ereignissen des Jahres 2014 auf der Krim und in der Ostukraine sind kein Zufall. Immerhin: Der Gegner ist fiktiv. Das Land Bothnien, aus dem vermutlich die unkenntlichen „kleinen grünen Männchen“ kommen, und das massiv Druck auf das NATONorth Atlantic Treaty Organization-Mitglied Estland ausübt, liegt da, wo in der realen Welt Finnland ist. Zweck des Szenarios ist, als möglichst realistische Grundlage einer Großübung dienen zu können.
Solche fiktiven Ausgangslagen inklusive verschiedener Optionen, wie sie sich weiterentwickeln können, sind enorm detailliert. Über mehrere Jahre haben NATONorth Atlantic Treaty Organization-Planer sie ausgearbeitet und laufend weiterentwickelt. Diese ausgeklügelten Szenarien dienen dazu, alle Angehörigen eines militärischen Stabes vor fiktive, praktisch sehr fordernde Aufgaben zu stellen.
Das fiktive Szenario wird vom Joint Warfare Centre gepflegt
Das Skolkan genannte Planspiel, mit dem das Stabspersonal der German Maritime Forces, kurz DEU MARFORGerman Maritime Forces, trainiert, stammt vornehmlich vom Joint Warfare Centre der NATONorth Atlantic Treaty Organization im norwegischen Stavanger. „Auch andere Dienststellen benutzen es, darunter zum Beispiel die Führungsakademie der Bundeswehr“, erklärt Fregattenkapitän Patrick Steinbach. „Es ist nur eines von mehreren Szenarien, die dort entwickelt und geführt werden“, führt er aus. „Allein Skolkan umfasst immense Volumen an Arbeit und Papier, sicherlich tausende Seiten.“
Steinbach ist der Leiter der Planungsgruppe für die Stabsrahmenübung Griffin Marker. Planung ist nur eines von mehreren sogenannten Führungsgrundgebieten. Aus diesen Arbeitsgruppen für militärische Sachgebiete setzten sich in der Bundeswehr, wie in der gesamten NATONorth Atlantic Treaty Organization, die Organisationen zusammen, die an der Spitze von Truppen- beziehungsweise Flottenverbänden stehen. Die einzelnen Abteilungen sollen für den jeweiligen Kommandeur Informationen analysieren und Operationspläne entwickeln. Ihre Beratung soll dem Entscheidungsträger erlauben, fundierte militärische Entscheidungen treffen zu können.
Beispiel DEU MARFORGerman Maritime Forces: An der Spitze des Führungsstabs steht Konteradmiral Jürgen zur Mühlen. In Friedenszeiten stehen ihm im Stab gut 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung. Sie teilen sich auf folgende Führungsgrundgebiete auf, gemäß NATONorth Atlantic Treaty Organization-Standard mit einer Buchstaben-Zahlen-Kombination gekennzeichnet: N1 Personal, N2 Militärisches Nachrichtenwesen, N3 Operationen, N4 Logistik, N5 Planung, N6 Informationstechnik und Kommunikation, N7 Ausbildung und Übungen, N8 Haushalt und NMed Sanitätswesen sowie, außerhalb der Hierarchie, ein Rechtsberater.
Maritime Expertise verteilt sich auf viele Sachgebiete
In einer eventuellen Krise soll dieser Mitarbeiterpool auf bis zu 170 Personen anwachsen können. Im Konfliktfall könnte dieser multinational besetzte Stab, nach seiner endgültigen Zertifizierung, innerhalb der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Kommandostruktur die Aufgabe übernehmen, den maritimen Anteil eines militärischen Einsatzes des Bündnisses zu führen. Das könnten mehrere Dutzend Kriegsschiffe, ebenso viele Flugzeuge und Hubschrauber sowie Tausende von Marinesoldaten sein – vergleichbar einer ganzen Heeresdivision an Land.
Warum braucht es in einem militärischen Stab so viele Mitarbeiter? „Weil es so viele Facetten in militärischen Operationen gibt“, erläutert Steinbach. Gerade seine Abteilung, die er auch abseits von Griffin Marker leitet, führt viele einzelne Fachleute zusammen. „Ich bin zufällig Marineinfanterist“, sagt Steinbach, „aber ich bin, mit dem Generalstabslehrgang hinter mir, qualifiziert als Planer. Auch andere Kameraden müssen ihr Wissen und ihre Erfahrung einbringen, zum Beispiel ist ein ehemaliger Minenjagdbootkommandant der perfekte Experte für die Minenkriegführung in See.“
Die NATONorth Atlantic Treaty Organization gibt spezifische einzelne Sachgebiete vor: Ein Marinestab braucht Experten für Überwasserkrieg, Unterwasserkrieg, Minenkrieg, Luftverteidigung, Luftoperationen, Spezialkräfte. Muss dieser Stab auf Bündnisebene größere Verbände führen, kommen Flugzeugträger- und amphibische Operationen hinzu. Die Fachleute dafür verteilen sich auf die Führungsgrundgebiete, und manche von ihnen gibt es doppelt – zum Beispiel in der Abteilung Planung wie auch in der Abteilung Operation.
Mit so vielen unterschiedlichen Sachgebieten sind 170 Personen im sogenannten crisis establishment von DEU MARFORGerman Maritime Forces schnell erreicht. Ob dieser Umfang angemessen ist, gehört auch zur späteren Auswertung der Stabsrahmenübung Griffin Marker. Der Führungsstab befindet sich noch am Anfang seiner Entwicklung als lebende Organisation.
Deutschland soll größere Marineverbände denn je führen
DEU MARFORGerman Maritime Forces wurde von der Deutschen Marine im Januar 2019 formell aufgestellt. Arbeitsbereit war die Organisation zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht. Das Personal rekrutierte sich hauptsächlich aus drei kleineren Stäben, die vorher noch bestanden. Aber sie wären nicht in der Lage gewesen, in einem so großen Maßstab Flottenverbände zu führen, wie DEU MARFORGerman Maritime Forces es eines Tages soll. Der sogenannte level of ambition der Marine ist, dass der neue Stab ab 2023 teilweise, ab 2025 voll einsatzfähig ist.
„Der Anspruch an uns selbst ist hoch“, betont Kommandeur zur Mühlen. „Wir zertifizieren den Stab zwar national, aber streng nach NATONorth Atlantic Treaty Organization-Standards.“ Die Anforderungen des Bündnisses sind eindeutig festgelegt in den Forces Standards des Allied Command Operations, für Seestreitkräfte zuletzt im November 2020 im Band IV „Maritime Forces Standards“ aktualisiert. Sie beschreiben detailliert Fähigkeiten für militärische Verbände und ihre Führungsorganisationen: Wer muss was auf welche Weise können?
Die Bewertenden für Griffin Marker kommen aus der gesamten Marine zusammen, geleitet von der Abteilung Ausbildung und Übungen von DEU MARFORGerman Maritime Forces. „In den NATONorth Atlantic Treaty Organization-Zertifizierungskatalogen finden sich hunderte Einzelpunkte, die bewertet werden“, erklärt Steinbach, „von der reinen Quantität und der Zusammensetzung über die Qualität des Personals und dessen Ausbildung, vor allem ob es den Planungsprozess beherrscht.“ Es gehöre auch eine Bewertung der Ausstattung und der Infrastruktur des Stabes zur Zertifizierung – zum Beispiel der Bürocomputer, des Rechnernetzwerks und der Kommunikationseinrichtungen.
Klar ist jetzt schon, dass die Aufgabe von DEU MARFORGerman Maritime Forces im Ernstfall enorm komplex ist. Um Personal und Material im Größenumfang einer mittelgroßen nationalen Marine effektiv und gezielt einsetzen zu können, müssen die Stabssoldaten eine Vielzahl von Faktoren bedenken. Welchen Tiefgang haben die größten Schiffe, die zur Verfügung stehen? Wer verfügt noch über wieviel Treibstoff? Wieviel Munition ist noch vorhanden? Welche Schiffe fallen wegen Schäden aus? Wie viele und welche Schiffe hat der Gegner? Und so weiter, und so weiter. Diese unzähligen Informationen müssen vielen Experten verlässlich zu einem riesigen Gesamtbild zusammenfügen – und laufend aktualisieren.
Hauptziel von Griffin Marker ist die Teambildung
Das setzt aber natürlich voraus, dass DEU MARFORGerman Maritime Forces ausreichend Personal hat und dieses Personal auch als eingespielte Mannschaft zusammenarbeiten kann. Besonders die Übung Griffin Marker soll das gewährleisten.
Diese computergestützte Stabsrahmenübung – sie findet nur virtuell auf dem Bildschirm statt, nicht real in See – besteht aus zwei großen Abschnitten. Der erste war die große Planungsphase vom 22. November bis 10. Dezember 2021: DEU MARFORGerman Maritime Forces war über drei Wochen mit der fiktiven Krise in der Ostsee konfrontiert.
Admiral zur Mühlens Stab musste diese Lage eingangs auswerten, zwei alternative Pläne zum militärischen Vorgehen in See ausfeilen. Und auch diese Operationspläne mussten die Offiziere laufend aktualisieren – denn die Lage im Planspiel entwickelte sich über die drei Wochen der Übung weiter. „Praxis-orientierte Operateure und Theorie-orientierte Planer müssen gut zusammenarbeiten, sie müssen einander ergänzen“, war dabei für den Kommandeur der Knackpunkt.
„Die größte Hürde beim Ausarbeiten von Plänen ist eigentlich immer, wirklich unterschiedliche Ansätze zur Lösung eines Problems zu finden“, bewertet Steinbach die erste Phase von Griffin Marker. „Wenn es dann noch ein so komplexes Szenario wie Skolkan ist, mit all seinen Facetten, ist es umso schwieriger.“
Die große Papierübung setzt sich 2022 fort
Ob zur Mühlen sich am Ende von Griffin Marker für den richtigen Plan entschieden hat, wird erst dessen Umsetzung ergeben. Die zweite Phase der Stabsrahmenübung, die Durchführung, wird im Mai 2022 stattfinden.
Diese Phase wird für Chefplaner Steinbach die wirklich kritische. „Während des Planungsprozesses muss der Stab mit Annahmen arbeiten: Verhält sich der Gegner so, wie gedacht? Greifen unsere Maßnahmen so, wie wir uns das vorgestellt haben?“, fragt er. „Während der Durchführungsphase werden wir Antworten auf diese Fragen bekommen und als Konsequenz den Plan anpassen. Aber das ist relative Normalität im Planungsprozess.“
„Im weiteren Zertifizierungsprozess muss DEU MARFORGerman Maritime Forces die Befähigung zur Arbeit in einem joint environment nachweisen“, erklärt Steinbach, „also die Zusammenarbeit mit den anderen Teilstreitkräften Heer und Luftwaffe.“ Dazu sei es notwendig, als Stab mit anderen Hauptquartieren zu kooperieren und eine weitere Stabsrahmenübung miteinander verzahnt zu gestalten.
Ein letzter Schritt zur kompletten Einsatzfähigkeit, zur full operational capability, schließt sich dann noch an. Seine eigentliche Zertifizierung wird DEU MARFORGerman Maritime Forces erst dann erhalten, wenn der Stab auch im realen Leben ein maritimes Großmanöver geführt haben wird.