Abschied für die „Lucky Lübeck“
Abschied für die „Lucky Lübeck“
- Datum:
- Ort:
- Wilhelmshaven
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Am 15. Dezember ist die Fregatte „Lübeck“ in Wilhelmshaven nach 32 Jahren außer Dienst gestellt worden. Mit ihr schließt sich das Kapitel der Bremen-Klasse in der Marine, das mit der Kiellegung des Typschiffs 1979 begonnen hatte.
„Es war mir eine Ehre, als letzter Kommandant der ‚Lübeck‘ zu dienen, und ich bin stolz darauf, ein Teil dieser Besatzung gewesen zu sein“, sagt Fregattenkapitän Kai Röckel. „Die zurückliegende Zeit war fordernd und bewegend. Das erhebliche Einsatzpensum, die Corona-Bedingungen und die bevorstehende Außerdienststellung waren besondere Umstände, die eine besondere Besatzung gemeistert hat.“
Die „Lübeck“ war die letzte im Dienst befindliche Vertreterin der Bremen-Klasse. Ihre Außerdienststellung war ein emotionaler Moment für die Besatzung. Inzwischen hat ein Großteil der Soldatinnen und Soldaten bereits neue Dienstposten. „Aber bleibende Erinnerungen und gelebte Erfahrungen verbinden uns mit dem Schiff und mit allen Kameradinnen und Kameraden, mit denen wir zusammen gefahren sind“, so Kommandant Röckel.
Ein Kriegsschiff wird entmilitarisiert
Der 130 Meter lange Stahlrumpf war für die rund 200 Besatzungsmitglieder ein zweites Zuhause gewesen. Die Personalverwaltung der Bundeswehr hat sich mittlerweile mit ihnen über den weiteren Werdegang in den Streitkräften beraten. Doch mit der offiziellen Außerdienststellung werden noch nicht alle Crewmitglieder das Schiff verlassen haben. Bis in den März 2023 werden die Letzten das Schiff weiterbegleiten.
Von ihrer letzten, fünfmonatigen Einsatzfahrt war die „Lübeck“ am 16. Juni dieses Jahres nach Wilhelmshaven heimgekommen. Bis Mitte September lag das Schiff im Marinestützpunkt, danach verlegte es ins Marinearsenal. Schon weit davor hatte die Besatzung mit einer Inventur begonnen, um für die Außerdienststellung eine genaue Übersicht über das Material zu haben. Alles, was für Seefahrt und Einsatz noch gebraucht werden kann, kam noch im Stützpunkt von Bord. Allein die Munitionsabgabe nahm ganze vier Tage in Anspruch. Über 1.000 Schlüssel für Spinde erhielten die Versorgungssoldaten der „Lübeck“ von ihren Kameradinnen und Kameraden zurück.
Der nächste Schritt im Arsenal bleibt, das Schiff von innen komplett auszuräumen. Denn nach über 32 Jahren Seefahrt ist die „Lübeck“ aus schiffbaulicher Sicht am Ende ihrer Nutzungszeit angekommen. Ursprünglichen Berechnungen lag eine Einsatzdauer von durchschnittlich 90 Seetagen pro Jahr bei einer Nutzungsdauer von 25 Jahren zugrunde. In der Realität erreichten die Schiffe der Bremen-Klasse durchschnittlich weit über 100 Seetage pro Jahr bei über 30 Jahren im Einsatz.
Daher ist eine Abgabe auch der „Lübeck“ an andere Länder nicht mehr vorgesehen. Waffen, Computersysteme und sonstige elektronische Anlage gehen von Bord. Das Schiff muss nun in einen Zustand versetzt werden, dass es kein Kriegsschiff mehr ist. Zuletzt führt das Arsenal den Schiffsrumpf „der Verwertung“ zu, wie es im Amtsdeutsch lautet.
In ihrer vergangenen Dienstzeit ist die „Lübeck“ fuhr eine Vielzahl von Manövern und Einsätzen, besuchte unterschiedlichste Häfen und begründete unzählige Geschichten, Emotionen und Erfahrungen. Ein Highlight zum Beispiel war die Fahrt auf dem Hudson River 2009, die mit dem Passieren der Freiheitsstatue und einem Foto vor der New Yorker Skyline endete.
Geschichten von Schiffsstahl und Emotionen
Zu den ehemaligen Besatzungsmitgliedern gehört Kapitänleutnant Stefan P.. Er war auf der „Lübeck“ zuletzt Operationsdienstoffizier mit Fachrichtung U-Boot-Jagd gewesen. Er gehört zu denen, die besonders lange an Bord bleiben konnten. „20 Jahre auf einem Schiff, das ist eine ganze Generation, verschiedenste Kommandanten und Besatzungen kamen und gingen, es gab Hochs und Tiefs“, erzählt er.
Besonderes, an das sich P. erinnert, waren die weltweiten Hafenaufenthalte. Von Wilhelmshaven aus ging es mit der Fregatte nach Brasilien oder in die Karibik auf die Virgin Islands zum Lenkflugkörper- und Torpedoschießen. „Das sind alles Highlights, die man erlebt hat”, meint er. „Man ist rübergefahren, hat Flugkörper geschossen, den einen oder anderen Hafen ‚abgeklappert‘ und ist wieder zurückgefahren.“
Ab 2003 wurden die Einsätze der „Lübeck“ länger, es standen durch verschiedenste Einsatzverpflichtungen der Flotte immer weniger Schiffe zur Verfügung. So verbrachte die Fregatte im letzten Jahr ihrer Dienstzeit mehr Zeit im Einsatz als Zuhause, in kurzen Abständen zu jeweils fünf Monaten unterstützte sie die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Aktivität in der Ägäis.
P. bereut es nicht, in seiner bisherigen Dienstzeit nur auf Fregatten der Bremen-Klasse gefahren zu sein. Für ihn war die Operationszentrale der Klasse F122 die einzige, in der er seinen Dienst verrichten mochte. „Das System war bewährt und wenn man noch ein bisschen am Schräubchen drehte, konnte man noch genug rausholen”, schwärmt er. „Ich brauche meinen monochromen Bildschirm und mein bernsteinfarbenes Radargerät. Mit den vielen Farben der Geräte der neuen Generationen kann ich gar nicht umgehen.“
Der Staffelstab der Bremen-Klasse ist bereits weitergegeben
Konzipiert und gebaut am Ende des Kalten Krieges, war Hauptfähigkeit der Fregatten der Bremen-Klasse die U-Boot-Jagd in Nordsee und Nordatlantik. So hatten die „Lübeck“ und ihre Schwesterschiffe erstmals in der Deutschen Marine dafür Bordhubschrauber bekommen – heute ein Standard für alle Fregattenklassen.
Auf die Schiffe der Klasse F122 folgen im zuständigen 4. Fregattengeschwader die Schiffe der Baden-Württemberg-Klasse, kurz F125. Dieser Fregattentyp beruht konsequent auf den Einsatzerfahrungen, die vor allem die 122er-Fregatten als einstige „Arbeitspferde“ der Flotte gesammelt hatten. Dazu zählt eine klare Ausrichtung der neuen Schiffe auf Stabilisierungseinsätze und einen möglichst langen Verbleib im jeweiligen Einsatzgebiet. Statt der Klasse F122 verfügt das Geschwader nun über vier Schiffe der Klasse F125 plus acht Besatzungen für das ebenfalls neu eingeführte Mehrbesatzungskonzept.
Den Traditionsnamen der Fregatte „Lübeck“ wird allerdings eine Korvette aus der Ergänzungsbeschaffung der Braunschweig-Klasse übernehmen. Die nächste „Lübeck“ wird die Marine voraussichtlich 2027 in Dienst stellen.
Stefan P. beendet nach über 26 Jahren an Bord von Marineschiffen sein persönliches Kapitel Seefahrt. „Jetzt müssen auch mal Jüngere ran. Da passt es mit der Außerdienststellung ganz gut“, meint er. Für ihn geht es bis zum Ende seiner Dienstzeit an die Marineoperationsschule in Bremerhaven. Er wird dort Ausbilder am Sonar-Simulator.