Von Erding nach Manching – Ein Umzug mit Quantensprung
Von Erding nach Manching – Ein Umzug mit Quantensprung
- Datum:
- Ort:
- Manching
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- 4 MIN
Als Hauptfeldwebel Benjamin Reschny die schwere Stahltüre aufschiebt, strahlt er fast so wie beim Öffnen des Weihnachtszimmers.Für unbeteiligte Leute ist es eine normale Baustelle auf der noch die letzten Geräte und Armaturen installiert werden. Für den jungen Berufssoldaten und Werkstattleiter ist es aber ein Ort, wo Wünsche in Erfüllung gehen. Eine vorgezogene Bescherung, Wochen vor dem Fest gewissermaßen.
Viele neue und einige alte Geräte am neuen Standort
Einige „Geschenke“ durfte sich der Luftfahrzeugmetaller-Feldwebel aus einem Spezialkatalog aussuchen, andere kennt er bereits aus seiner täglichen Arbeit. Es sind ölige Metall- und Kunststoff-Fräsen, wuchtige Drehbänke und überdimensionale Schleifmaschinen. Bis vor Kurzem standen sie noch in der 1.600 Quadratmeter großen Computerized Numerical Control (CNC)-Werkstatt auf dem ehemaligen Fliegerhorst Erding. Geht man dort durch die mittlerweile abgenutzte Halle, findet man auf den noch verbliebenen Maschinen unterschiedliche Aufkleber: „Grün bedeutet kommt mit, rot bedeutet bleibt da und wird verkauft oder verschrottet“, erklärt der 37-jährige Hauptfeldwebel. Es herrscht Aufbruchsstimmung in seiner alten Halle, für die er kürzlich die Verantwortung übernommen hat. Spätestens im März 2021 wird dort der Dienstbetrieb eingestellt.
Den Standort Erding mit dem dazugehörigen Fliegerhorst bis zum Jahr 2024 komplett aufzulösen war eine politische Entscheidung. Manching bei Ingolstadt als neuen Standort auszuwählen lag nahe, weil mit Airbus dort schon ein großer Partner der Luftwaffe angesiedelt ist. Auch wenn das Instandsetzungszentrum (InstZ) 11 keine kompletten Flugzeuge mehr instand setzt, ist der dortige Flugplatz, den auch die Wehrtechnische Dienststelle 61 nutzt, der beste Ort für einen Neuanfang.
Alles muss raus
Die CNC-Werkstatt, in der jahrzehntelang Sonderwerkzeuge für Luftfahrzeugtechniker, Prototypen aus Verbesserungsvorschlägen und unzählige Kleinteile in kleinsten Stückzahlen für die gesamte Luftwaffe hergestellt wurden, zieht in eine nagelneue Halle nach Manching um. „Dank vieler neuer Maschinen starten wir in Manching einen Neuanfang“, freut sich Reschny, der die Halle bisher nur aus den Plänen kannte. Einzige Wermutstropfen sind, dass einige seiner Mitarbeiter nicht zur neuen Dienststelle im 80 Kilometer entfernten Manching umziehen werden und der Werkstattleiter auch sein geschätzt 90 Tonnen schweres Halbzeug-Lager vorerst teilweise in Erding zurücklassen muss. Dabei handelt es sich um Rohstähle in verschiedenen Legierungen und Zuschnitten, die später verarbeitet werden und viel Platz benötigen.
Ein Jahr Planung, zwei Jahre Bauzeit
Einer, der den Neubau von den ersten Planungen bis zum Umzug begleitet hat, ist Hauptmann Johann Glonner. Diese „Mammutaufgabe“, in einer für öffentliche Bauvorhaben extrem kurzen Zeit von drei Jahren, beschert den rund 120 Soldatinnen und Soldaten und 70 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 16.000 Quadratmeter neue Arbeitsfläche, verteilt auf neun Hallen. Darin sollen unter anderem Schweißer, Schreiner, Lackierer, Werkstoffprüfer, Metaller, CNC-Fräser und Instandhalter für Tragflächen und Bordwaffen – nicht nur für die Luftwaffe, sondern auch für das Heer und die Marine arbeiten.
„Der Nachteil, dass wir platzmäßig nicht mehr wie in Erding aus dem Vollen schöpfen können, wird dadurch kompensiert, dass alle acht Werkstätten jeweils eine eigene Halle haben und diese sehr nahe beieinanderliegen“, stellt Glonner fest. Hauptmann Lars Böhm-Bayer, der auch den möglichst bruchfreien Umzug in zwei Tranchen koordiniert, lobt die „riesen Chance“, mit der Neueinrichtung der Hallen auch einen technologischen Quantensprung des InstZ 11 zu machen. Dieser lag nahe, weil viele Maschinen und Geräte längst abgeschrieben sind. Eine „Dinosaurier-Drehbank“, wie Reschny sie liebevoll nennt, der CNC-Fräser stammt zum Beispiel aus dem Jahr 1961.
Waschen, Lasern und Neulackieren in einer Halle
Die Chance des Technologiesprungs nutzt auf jeden Fall Stabsfeldwebel Christian Waldinger. Schon jetzt kann der „Chef-Lackierer der Luftwaffe“ mit seiner Kunststoff-Strahlanlage (Dry Strip), Latex- und Laserplottern zur Flugzeugbeschriftung und Lackierungs- sowie Entlackungsverfahren die zivile Industrie locker übertreffen. „Gerade im Bereich des Arbeitsschutzes werden wir in Manching die höchsten Standards erfüllen und dürfen auch modernste Geräte anschaffen“, so Waldinger, der mit seinem Zehn-Mann-Team auch viele Sonderlackierungen und -folierungen von Luftfahrzeugen realisiert.
Telearbeit hilft den Umzug zu vermeiden
Freilich hat so ein Umzug auch Konsequenzen für das Personal. „95 Prozent der Soldatinnen und Soldaten gehen mit, bei den Zivilangestellten ist der Anteil etwas geringer“, stellt Oberstleutnant Robert Rummel, Leiter des InstZ 11, fest. Entstehende Vakanzen werden durch Stellenausschreibungen neu besetzt und für diejenigen, die sich für das Pendeln entschieden haben, hat der Bund attraktive Arbeitszeitmodelle. Das bestätigt auch Stabsfeldwebel Claus-Dieter Balling vom Sachgebiet 2.
Er und seine Frau Ulrike, die bei der Materialdisposition arbeitet, nutzen teilweise die Möglichkeit des Homeoffice, sodass ein Umzug der vierköpfigen Familie nicht notwendig ist. Während der Stabsfeldwebel sich auf sein neues, aber kleineres Büro im Architekten-Neubau freut, versucht Ulrike Balling das Material, das die Teileinheiten nicht mit nach Manching nehmen, anderweitig an den Mann oder die Frau zu bringen. „Zwei Drittel wandert in einen Pool, aus dem sich alle Bundeswehrdienststellen bedienen können, ein Drittel wird entsorgt“, so Ulrike Balling. Spezialfälle werden auch versteigert, zum Beispiel ein Werkzeugkoffer, der kürzlich zurückgegeben wurde. Er ist genau 50 Jahre alt und wird im Hightech-Standort Manching nicht mehr gebraucht.