Telegramm aus der Quarantäne
Telegramm aus der Quarantäne
- Datum:
- Ort:
- Hannover
- Lesedauer:
- 3 MIN
Hutch ist Objektschützer aus Schortens. Er ist mittendrin: in der Ausbildung, in der Übung, in der Einsatzvorbereitung. In seinen Kolumnen nimmt er uns mit auf die Reise – bis nach Mali.
Wie beschreibe ich möglichst objektiv, was mehrere Hundert Soldatinnen und Soldaten, für 24 Stunden täglich über jeweils zwei Wochen ganz individuell erleben? Was tun meine Kameradinnen und Kameraden gleich hinter der Wand neben mir, aber doch jeder für sich isoliert?
Die Isolation vor dem Einsatz
Der folgende Text ist persönlicher als sonst und unterscheidet sich dadurch auch von den bisherigen. Aber ich will euch mitnehmen auf meine Reise bis nach Mali – auch in diesen Tagen. Normalerweise bin ich um mehr Objektivität bemüht; um mehr Allgemeinheit aber unter den aktuellen Umständen ist es nur meine Sicht. Alles andere wäre nicht wahrheitsgemäß. Jeder von uns empfindet die Zeit in der Isolation anders und jeder nimmt sie auf seine ganze eigene Weise wahr.
Zu den Fakten: Wir befinden uns zurzeit in der zweiwöchigen Quarantäne vor unserem Flug nach Mali. Der Zweck liegt auf der Hand: die Ausbreitung des Corona-Virus im Einsatzland und insbesondere im Feldlager unterbinden; die Einsatzbereitschaft aufrechterhalten.
Einmal täglich frische Luft muss reichen
Wir, Teile der Objektschutzkompanie MINUSMAMission Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali, sind neben vielen weiteren Kameradinnen und Kameraden im Maritim Airport Hotel in Hannover untergebracht. Jeder allein auf einem Zimmer; kein Kontakt zu den anderen; pro Tag eine Stunde Ausgang in einem vordefinierten Bereich vor dem Hotel; Bewegung nur in eine Richtung. Ohne, dass ich es bewerten möchte – die Parallele zum Strafvollzug ist zu erkennen. Ich nehme es mit Humor.
Zocken, zeichnen, zu sich kommen – jeder nutzt die Tage anders
Jeder scheint die aufgezwungene Zeit auf seine Art zu nutzen. Manche vertreiben sich die Zeit mit dem „Zocken“, vielen droht die Decke auf den Kopf zu fallen, andere bestellen auf den letzten Drücker Dinge für den Einsatz – und ein Weiterer erzählte mir am Telefon, dass er die Zeit noch einmal ganz bewusst für sich alleine haben möchte, bevor Privatsphäre nur noch limitiert erhältlich ist.
Eine Enttäuschung gab es wohl für die meisten der hier Untergebrachten... Für Dienstag, den 16.März war ein großer Impftermin geplant. Alle von uns sollten hier wenigstens ihre erste Impfdosis erhalten, im Einsatzland dann die zweite. Einen Tag zuvor verhängte die Bundesregierung jedoch einen vorübergehenden Stopp für die Vergabe des Impfpräparats von AstraZeneca – jenes, was auch wir bekommen sollten. In der Folge war die Stimmung etwas getrübt.
Der Impfstopp betrifft uns – und er trübt die Stimmung
Die Impfung gegen Covid-19 hat für mich eine hohe Bedeutung. Zum einen ist sie eine Versicherung meiner Einsatzbereitschaft und sie sorgt dafür, dass wir im Einsatzland unseren Auftrag adäquat durchführen können – das, wofür wir da sind; zum anderen erhofften wir uns durch die Impfung einen einigermaßen normalen Alltag im Feldlager. Zurzeit sind, zur Vorbeugung einer Ausbreitung des Virus, wie in Deutschland etliche Sachen geschlossenen: keine Freizeitaktivitäten wie Kraftraum oder Sporthalle, selbst die Truppenküche hat zu.
Bis zu meinem Abflug vergehen noch zehn Tage. Tage, die ich für mich und in Ruhe nutzen möchte. Ich kann derzeit zwar nicht zwei Mal täglich vor die Tür, aber ich kann wenigstens Sport machen – auch auf zwölf Quadratmetern.